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Glanz und Geheimnis der
GARBO

„Ich möchte schlafen, aber Du mußt tanzen“
·  Ein Tatsachenbericht von Jean Améry  ·

Als Greta Lovisa Gustafsson wird Greta Garbo 1905 in Stockholm geboren, wo sie erst bei einem Friseur, dann in einem Warenhaus arbeitet. Nachdem sie einige Reklamefilme gedreht hat und am Schauspielaus künstlerisch tätig war, wird sie von dem Regisseur Mauritz Stiller für seinen Film „Gösta Berling“ engagiert. Dieser Film ist erfolgreich. Stiller geht mit Greta nach Berlin, wo die beiden allgemein als „Paar“ gelten. 1925 wird Stiller und mit ihm Greta Garbo durch Louis B. Mayer nach Hollywood verpflichtet. Man ist dort zunächst enttäuscht von der bescheidene Schwedin und gibt ihr erst nach monatelangem Zögern eine Rolle. Während Greta von da an von Erfolg zu Erfolg schreitet, wächst Stillers Erbitterung über Hollywood, in dem er nicht Fuß zu fassen vermag.

 

D i e   s e c h s t e   K a m e l i e n d a m e   d e s   F i l m s :
Filmerfolg reihte sich an Filmerfolg, nachdem Greta Garbo
die Krise, die das Aufkommen des Tonfilms unter den Stars
verursachte, siegreich überstanden hatte. Als man daran
ging, die „Kameliendame“ mit Greta Garbo zum sechsten
Mal zu verfilmen – schon Sarah Bernhardt hatte sie in ihrem
einzigen Film, den sie drehte, gespielt – fürchteten viele,
dieser Stoff sei zu abgegriffen und die Garbo werde damit
ihre triumphalen Erfolge als „Königin Christine“ und „Anna
Karenina“ gefährden. Aber die Schönheit und das er-
greifende Spiel der „Göttlichen“ verliehen Dumas‘ „un-
sterblichem Reißer“ neuen Glanz.
Aufnahme Archiv Henry Guttmann

 

Gretas neuer Partner, mit dem sie an dem Film „Flesh and the Devil“ (deutsch: „Es war“, nach Hermann Sundermann) arbeitet, ist ein 29jähriger großer, dunkelhaariger Mensch mit kleinem Schnurrbärtchen, der genau so aussieht, wie man sich in Amerika einen Torero vorstellt. Sein Name ist John Gilbert. Unter Freunden nennt man ihn „Jack“.
     Jack, Sohn einer Schauspielerin und eines Offiziers, war an der Militärakademie, bevor er sich der Bühne und dem Film zuwandte, und hat sich aus seiner Kadettenzeit eine Haltung echten Kavaliertums bewahrt, die vielen seiner Kollegen fehlt. Es ist ein freundlicher, überströmend herzlicher junger Mann, leichtsinnig, wie es das Hollywood seiner Zeit aus Prestigegründen glaubt sein zu müssen, dabei von gelegentlichen depressiven Stimmungen befallen.
     Zwei Ehen hat Gilbert bereits hinter sich, als er in Gretas Leben tritt, dazu unzählige Liebesaffären, über die er mit raffiniert gespielter Naivität spricht. Man hat ihm so oft und so bereitwillig seine Unwiderstehlichkeit bestätigt, daß er am Ende selbst daran glaubt. Dieser Mann wird Greta Garbos populärster Partner, ihr Filmliebhaber schlechthin. Seine wildlockige, romanische Männlichkeit ist der ideale Gegensatz zu ihrer Blondheit. Sein ungehemmt-leidenschaftliches Spiel hebt geheimnisvoll Gretas verfeinerte, nordisch-verhaltene Kunst. Die Filme, welche die beiden zeigen, „Es war“, „Anna Karenina“, „Herrin der Liebe“, „Wilde Orchideen“, „Königin Christine“ sind bis heute die zärtlichsten und erregendsten Liebesfilme geblieben.

Die „Braut von Korinth“
     „Seht hier das größte Liebespaar der Welt!“ pflegt die Metro-Goldwyn-Mayer zu inserieren, wenn sie einen Gilbert-Garbo-Film ankündigt. Man hat gesagt, daß die Liebe der beiden, über die in Hollywood und in der Welt Klatsch-Kaskaden herniedergingen, eine Erfindung der Werbeabteilung der Filmgesellschaft gewesen sei. Feinere Psychologen meinen allerdings, daß die beiden sich wirklich liebten, – nicht weil die Propaganda es erforderte, sondern weil sie sich im Unterbewußten zu der Rolle, die ihnen der Regisseur Zufall zuspielte, verpflichtet glaubten.
     Tatsache ist, daß urplötzlich John und Greta als ein Paar gelten. Sie, die während der ersten Zeit ihres Aufenthalts sehr zurückgezogen gelebt, nur mit ein paar Schweden von der Kolonie in Hollywood und mit Emil Jannings und dessen Tochter verkehrt hat, wird plötzlich überall gesehen, wo die Filmwelt ihren Glanz entfaltet. Das Mädchen, über dessen „wollene Strümpfe“ man sich gerne mokiert hat, erscheint bei einem Empfang, den Mary Pickford zu Ehren des Herzogs von Kent gibt, an der Seite John Gilberts in einem zauberhaften Abendmantel aus echtem Silberlamé. Mit John speist sie in exklusiven Lokalen, wo angeblich russische Großfürsten als Manager, arrogant und parfümiert, sich ihre Gäste auswählen. John ist es, der sie berät bei der Einrichtung ihres neuen Hauses in Beverly-Hills und ihr eine mexikanische Innenausstattung einredet. Tagelang befindet sie sich mit ihm auf Kreuzfahrten mit der Jacht, die er zu Ehren ihres Films „The Temptress“, die Verführerin, nannte. Seltener und seltener werden Gretas einsame Strandritte, die den Spöttern Gelegenheit gaben, von der „Walküre“ zu sprechen. Sie und Gilbert werden zum Inbegriff romantischer Liebe. Wer von ihnen spricht, sagt „Romeo und Julia“.
     Liebt sie ihn wirklich? Hollywood wird sich diese Frage erst viel später stellen, nach dem lautlosen Bruch. Dann wird es heißen, daß sie im Grunde kalt sei. Vorläufig spricht man noch von lodernder Passion, erzählt gerne, daß aus dem Film „Anna Karenina“ die Selbstzensur der Film-Industrie, das „Hays Office“, verschiedene Szenen entfernen ließ, da sie allzu leidenschaftlich gespielt wurden…
     Kein Zweifel kann jedoch bestehen, daß John sie liebt, mit aller konzentrierten Kraft, deren sein dem Flirt zugeneigtes Wesen fähig ist. Er verzichtet auf seine üblichen Eintags-Abenteuer, an denen vorher seine beiden Ehen scheiterten. Er gönnt ihr weniger Einsamkeit, als sie es wünscht, nimmt ihretwegen Interesse an Kunstgegenständen, die ihm im Grunde gleichgültig sind, versucht es wacker mit ernste Gesprächen, die ihn in Wahrheit zu Tode langweilen. Natürlich kann er nicht seine ganze Lebensweise ändern. Wenn sie an den in Kalifornien so seltenen Regenabenden eine stille Stunde am Kamin vorschlägt, schmollt er jungenhaft und erreicht schließlich doch noch spät nachts den Besuch eines Nacht-Clubs, in dessen Lichtern er plötzlich erwacht wie aus einem drückenden Traum. Wenn sie heimgesucht wird von den schlimmen Anfällen akuter Melancholie, weiß er nichts zu sagen als : „Ach, sicher liebst du mich nicht mehr…“ Die Storm’schen Verse „Ich möchte schlafen, aber Du mußt tanzen“, könnten das Leitmotiv ihrer Liebe zu ihm sein…

Mauritz Stillers tragisches Ende
     Stiller dreht in den mehr als zwei Jahren seines Aufenthaltes nur einen Film von einiger Bedeutung: „Hotel Imperial“ mit Pola Negri. Der Aufstieg seines Schützlings, der unter seinen Augen zum Weltstar wird, ohne daß er auf dieses Startum noch irgend einen Einfluß hätte, erfüllt ihn mit einer stark mit Bitterkeit gemischten Genugtuung – der einzigen übrigens, die ihm in Hollywood zuteil werden soll. Er und Greta sehen einander in den Tagen, da sie und John grell von allen Kinoplakaten als strahlendes Liebespaar verletzend herunterleichten, kaum noch. Der bereits 45jährige, verlassen vom Götzen Erfolg, ein nordisch-schroffer, vom Nebel umbrauter Felsen in der blaugoldenen Landschaft Kaliforniens, will gar nicht erst den Kampf aufnehmen mit dem um sechzehn Jahre jüngeren Rivalen, der die Gunst der Stunde für sich hat. Wenn dann doch einmal Greta und John mit Stiller zusammentreffen, herrscht ungute, gepreßte Stimmung. Greta schweigt unsicher, Stiller verhärtet sich in böser Ironie, Gilbert wird allzu laut, redet aus Eifersucht nur von seinen Erfolgen, von den hundert Anbetungsbriefen, die er täglich erhalte. Es gibt sogar einmal eine üble, tätliche Auseinandersetzung: Stiller erklärt unerbittlich, daß Amerika nicht einmal einen großen Romancier hervorgebracht habe: John, dem alle Schriftsteller der Welt völlig gleichgültig sind, versteigt sich aus Trotz in literarischen Patriotismus und attachiert den Älteren. Der riesige Stiller, schickt ihn mit blutiger Nase heim.
     Niemand weiß, wie es war, als Stiller Abschied nahm von der Frau, deren genialen Funken er einst anfachte. Sprachen sie von einem Wiedersehen in Schweden? Vergessen wir wich, daß sich jahrelang hartnäckig das Gerücht erhielt, Greta und er seinen einst in Istanbul getraut worden!
    In jedem Falle ist Stillers Scheiden ein tieftrauriger, ergreifender Einschnitt. Es ist sicher, daß mit Stillers Weggang etwas in ihr zerbricht. Das „schlichte Lebensglück“, das sie vielleicht an seiner Seite hätte finden können, wird sich ihr für immer entziehen.
     Und Stiller selbst geht buchstäblich daran zugrunde. In Schweden angelangt, wird er wunderlich unzugänglich, mutlos, durch keine Projekte mehr aus seiner Lethargie zu reißen. Er erkrankt an einer unerklärlichen Krankheit, die vielleicht nichts ist als der Ausdruck einer unstillbaren Todessehnsucht. Er spricht in den Tagen, da er im Spital liegt und stundenlang auf die herbstlich gelben Bäume vor seinem Fenster starrt, fast nicht von Greta. Nur knapp vor seinem Tode erlaubt er Freunden, ein Telegramm an sie aufzugeben, das ihr über seinen Zustand berichtet. Sie kann nicht kommen, leider. Zwar hat soeben Charles Lindbergh den Atlantik im Flugzeug bezwungen, aber es gibt noch keinen Passagierverkehr nach Europa, und eine Überfahrt per Schiff würde eine Unterbrechung der Arbeit bedeuten, Schwierigkeiten mit der Filmgesellschaft.
     So stirbt er denn allein. Man kolportiert bald darauf in Hollywood den Text eines letzten Briefes, den er ihr angeblich geschrieben habe. „Ich habe immer nur Dich geliebt. Gott segne dich“, sollen seine Schlußworte gewesen sein.

L i e b e s p a a r   i m   F i l m   u n d   i m   L e b e n :
Greta Garbo und John Gilbert in einer Szene des Films
„Königin Christine“, dem letzten, den sie gemeinsam
drehten. Über die privaten Bindungen der beiden
Menschen berichtet unsere heutige Folge.

Aufnahme MGM
Winterliche Heimfahrt

     Bald nach Stillers Tod, zu Weihnachten 1928, reist Greta Garbo nach Schweden, um Mutter und Bruder zu sehen.
     Die Frau, die da in braunem Wollsweater, Baskenmütze und dicken Wollstrümpfen auch an stürmischen Tagen ruhelos übers Deck der „Kungsholm“ wandert, ist nicht mehr das Mädchen, das ängstlich und eingeschüchtert einst in Hollywood anlangte: Sie ist eine internationale Berühmtheit, die bereits, um den Hornissenschwärmen der Reporter zu entgehen, sich unter dem Pseudonym Alice Sandhorst einschiffte. Schon sagt man von ihr, daß sie nächst Charlie Chaplin der einzige Genius des Films sei, spricht von ihr wie von „der Duse“, „der Bernhardt“ als „der Garbo“. Sie ist eine der wenigen ‚Hollywood-Schauspielerinnen, die als „literaturfähig“ gelten: Der deutsche Kritiker Franz Blei verschmäht es nicht, über sie ein Buch „Die göttliche Garbo“ zu schreiben. Dennoch sieht sie, die schon damals ihre Augen hinter einer schwarzen Brille verbringt, nicht wie eine glückliche Frau aus.
     Das Schiff ist voll von wohlhabenden Schweden, die das Weihnachtsfest in der alten Heimat verbringen wollen: Diplomaten, Hocharistokraten, die von der amerikanische Hochzeit des Prinzen Bernadotte zurückkehren, unter ihnen Prinz Sigwart, der Greta gerne zu Tische führt.
     Daheim wird es nötig, daß man schon vor Stockholm das Schiff verläßt, um vor den lärmend begeisterten Landsleuten sicher zu sein. Da sind Sven, der große, hübsche Bruder und die von der töchterlichen Berühmtheit etwas eingeschüchterte Mutter. Das Wiederfinden in einer kleinen, überheizten Wohnung in Karlsbergsvagen bei Punsch und heimatlichen Gerichten ist trotz aller Innigkeit überschattet, wie immer, wenn Menschen einander wiedersehen, zwischen denen sich Schicksals-Schluchten aufgetan haben. Nie wieder wird die schweigsame, unfaßbar anders gewordene Schönheit, die da am Tische sitzt, die kleine „Keta“ sein, das fühlen Mutter und Bruder. Nie wieder wird der Star aus Hollywood, der als „Herrin der Liebe“ die Kinobesucher von fünf Kontinenten bezaubert, auf schwedischen Bühnen die strengen Ibsen-Frauen gestalten: das muß Gösta Eckmann erfahren, der Theaterdirektor und Faust-Darsteller des Films, der sie bewegen will, an seiner Bühne wenigstens zu gastieren.
     Die Freundinnen aus Kindheit und Jugend, die sich sonnen wollen in Gretas weltweitem Ruhm, werden enttäuscht. Sie zeigt sich selten. Oft, wenn man Greta Garbo bei einer ihr zu Ehren gegebenen Festlichkeit erwartet, bleibt sie aus. Zu solchen Stunden sehen dann Friedhofsbesucher in der frühen Stockholmer Winterdämmerung eine junge Frau mit hochgestelltem Pelzkragen an einem Grabe stehen, dessen Marmor den Namen „Mauritz Stiller“ trägt.

Die Stimme

     Im Frühling 1929 kehrt sie nach Hollywood zurück. Ihr Romeo John Gilbert ist nicht unter den jubelnden Menschen, die sie an der Bahn erwarten. Er hat schon unmittelbar nach Stillers Tod gespürt, wie Greta sich von ihm zurückzog. Er wurde es müde, das „Mädchen aus der Fremde“ zu umwerben, deren Liebe niemals vorbehaltlos war, deren Schweigen ihn hemmte, deren Heiterkeit er nicht verstand, deren Verzweiflungsausbrüche ihm unheimlich waren. Er wählte als dritte Gattin ein harmloses, unkompliziertes Geschöpf namens Ina Claire. Die Zeitungen schreiben: „Greta erleidet einen Kollaps durch Gilberts Heirat…“
     Dies ist nicht wahr. Sie mag sich am Ende sogar befreit fühlen, weil nun niemand mehr ist, der fordert, sie müsse sein „wie alle anderen“. Sie wird nur noch ernster, steckt alle Gefühlskräfte in ihr Spiel, reitet wieder allein im Sonnenaufgang am Meer, fährt einen billigen Ford-Wagen, damit man sie nicht erkennt, flieht aus der Einöde der gesellschaftlichen Veranstaltungen. Währenddessen geht in Hollywood eine Epoche zu Ende. Fern im Osten grollen die bösen Wirtschaftsgewitter von Wallstreet. Der „schwarze Freitag“ wirft auch nach Hollywood düstere Schatten. Und in den Ateliers bricht noch ein anderer Dämon ein: das Mikrophon. Die Techniker sind bereit: Wir drehen den Tonfilm! rufen sie ungestüm. Unter den Schauspielerin bricht Panik aus. Sie sind nicht bereit, können teils als Ausländer kaum Englisch oder sprechen als dramatisch ungeübte Provinzler einen lächerlich pathetischen Dialekt. Reihenweise fallen sie: Laura la Plata, Clara Bow, Gloria Swanson, Norma Talmadge, Ramon Navarro, Rod la Rocque, Ricardo Cortez, – John Gilbert. Ja, Gilbert hat einen unmännlichen Fisteltenor, man bricht den Stab auch über ihn. Erst viel später wird er – und dies nur durch Gretas tapfere Fürsprache – eine Rolle in „Königin Christine“ bekommen.
     Greta aber, die mit großem Willensaufwand ein Englisch erlernt, das sie befähigt, Oxfordenglisch ebenso gut wie den Jargon vom Broadway sprechen zu können, geht heil aus dem Erdrutsch hervor. Die Probeaufnahmen, die man machte, haben den Produzenten ihre Stimme erst richtig hörbar gemacht: die tiefe, glockenhafte Altstimme, die leidvolle Stimme der geborenen Tragödin. Greta siegt. Zeugnis ihres Triumphes wird ihr erster Tonfilm „Anna Christie“.

(Fortsetzung folgt)

Copyright by Presse-Agentur L. Dukas, Zürich

 

 
 
  
Part III
Part V
  

 

from:   Frankfurter Illustrierte       23. November 1952 * Nr. 47
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