Glanz und Geheimnis der „Ich möchte schlafen, aber Du mußt tanzen“
|
|
D i e s e c h s t e K a m e l i e n d a m e d e s F i l m s : Filmerfolg reihte sich an Filmerfolg, nachdem Greta Garbo die Krise, die das Aufkommen des Tonfilms unter den Stars verursachte, siegreich überstanden hatte. Als man daran ging, die „Kameliendame“ mit Greta Garbo zum sechsten Mal zu verfilmen – schon Sarah Bernhardt hatte sie in ihrem einzigen Film, den sie drehte, gespielt – fürchteten viele, dieser Stoff sei zu abgegriffen und die Garbo werde damit ihre triumphalen Erfolge als „Königin Christine“ und „Anna Karenina“ gefährden. Aber die Schönheit und das er- greifende Spiel der „Göttlichen“ verliehen Dumas‘ „un- sterblichem Reißer“ neuen Glanz. Aufnahme Archiv Henry Guttmann |
|
Gretas neuer Partner, mit dem sie an dem Film „Flesh and the Devil“ (deutsch: „Es war“, nach Hermann Sundermann) arbeitet, ist ein 29jähriger großer, dunkelhaariger Mensch mit kleinem Schnurrbärtchen, der genau so aussieht, wie man sich in Amerika einen Torero vorstellt. Sein Name ist John Gilbert. Unter Freunden nennt man ihn „Jack“. |
|
Die „Braut von Korinth“ |
|
„Seht hier das größte Liebespaar der Welt!“ pflegt die Metro-Goldwyn-Mayer zu inserieren, wenn sie einen Gilbert-Garbo-Film ankündigt. Man hat gesagt, daß die Liebe der beiden, über die in Hollywood und in der Welt Klatsch-Kaskaden herniedergingen, eine Erfindung der Werbeabteilung der Filmgesellschaft gewesen sei. Feinere Psychologen meinen allerdings, daß die beiden sich wirklich liebten, – nicht weil die Propaganda es erforderte, sondern weil sie sich im Unterbewußten zu der Rolle, die ihnen der Regisseur Zufall zuspielte, verpflichtet glaubten. Tatsache ist, daß urplötzlich John und Greta als ein Paar gelten. Sie, die während der ersten Zeit ihres Aufenthalts sehr zurückgezogen gelebt, nur mit ein paar Schweden von der Kolonie in Hollywood und mit Emil Jannings und dessen Tochter verkehrt hat, wird plötzlich überall gesehen, wo die Filmwelt ihren Glanz entfaltet. Das Mädchen, über dessen „wollene Strümpfe“ man sich gerne mokiert hat, erscheint bei einem Empfang, den Mary Pickford zu Ehren des Herzogs von Kent gibt, an der Seite John Gilberts in einem zauberhaften Abendmantel aus echtem Silberlamé. Mit John speist sie in exklusiven Lokalen, wo angeblich russische Großfürsten als Manager, arrogant und parfümiert, sich ihre Gäste auswählen. John ist es, der sie berät bei der Einrichtung ihres neuen Hauses in Beverly-Hills und ihr eine mexikanische Innenausstattung einredet. Tagelang befindet sie sich mit ihm auf Kreuzfahrten mit der Jacht, die er zu Ehren ihres Films „The Temptress“, die Verführerin, nannte. Seltener und seltener werden Gretas einsame Strandritte, die den Spöttern Gelegenheit gaben, von der „Walküre“ zu sprechen. Sie und Gilbert werden zum Inbegriff romantischer Liebe. Wer von ihnen spricht, sagt „Romeo und Julia“. Liebt sie ihn wirklich? Hollywood wird sich diese Frage erst viel später stellen, nach dem lautlosen Bruch. Dann wird es heißen, daß sie im Grunde kalt sei. Vorläufig spricht man noch von lodernder Passion, erzählt gerne, daß aus dem Film „Anna Karenina“ die Selbstzensur der Film-Industrie, das „Hays Office“, verschiedene Szenen entfernen ließ, da sie allzu leidenschaftlich gespielt wurden… Kein Zweifel kann jedoch bestehen, daß John sie liebt, mit aller konzentrierten Kraft, deren sein dem Flirt zugeneigtes Wesen fähig ist. Er verzichtet auf seine üblichen Eintags-Abenteuer, an denen vorher seine beiden Ehen scheiterten. Er gönnt ihr weniger Einsamkeit, als sie es wünscht, nimmt ihretwegen Interesse an Kunstgegenständen, die ihm im Grunde gleichgültig sind, versucht es wacker mit ernste Gesprächen, die ihn in Wahrheit zu Tode langweilen. Natürlich kann er nicht seine ganze Lebensweise ändern. Wenn sie an den in Kalifornien so seltenen Regenabenden eine stille Stunde am Kamin vorschlägt, schmollt er jungenhaft und erreicht schließlich doch noch spät nachts den Besuch eines Nacht-Clubs, in dessen Lichtern er plötzlich erwacht wie aus einem drückenden Traum. Wenn sie heimgesucht wird von den schlimmen Anfällen akuter Melancholie, weiß er nichts zu sagen als : „Ach, sicher liebst du mich nicht mehr…“ Die Storm’schen Verse „Ich möchte schlafen, aber Du mußt tanzen“, könnten das Leitmotiv ihrer Liebe zu ihm sein… |
|
Mauritz Stillers tragisches Ende |
|
Stiller dreht in den mehr als zwei Jahren seines Aufenthaltes nur einen Film von einiger Bedeutung: „Hotel Imperial“ mit Pola Negri. Der Aufstieg seines Schützlings, der unter seinen Augen zum Weltstar wird, ohne daß er auf dieses Startum noch irgend einen Einfluß hätte, erfüllt ihn mit einer stark mit Bitterkeit gemischten Genugtuung – der einzigen übrigens, die ihm in Hollywood zuteil werden soll. Er und Greta sehen einander in den Tagen, da sie und John grell von allen Kinoplakaten als strahlendes Liebespaar verletzend herunterleichten, kaum noch. Der bereits 45jährige, verlassen vom Götzen Erfolg, ein nordisch-schroffer, vom Nebel umbrauter Felsen in der blaugoldenen Landschaft Kaliforniens, will gar nicht erst den Kampf aufnehmen mit dem um sechzehn Jahre jüngeren Rivalen, der die Gunst der Stunde für sich hat. Wenn dann doch einmal Greta und John mit Stiller zusammentreffen, herrscht ungute, gepreßte Stimmung. Greta schweigt unsicher, Stiller verhärtet sich in böser Ironie, Gilbert wird allzu laut, redet aus Eifersucht nur von seinen Erfolgen, von den hundert Anbetungsbriefen, die er täglich erhalte. Es gibt sogar einmal eine üble, tätliche Auseinandersetzung: Stiller erklärt unerbittlich, daß Amerika nicht einmal einen großen Romancier hervorgebracht habe: John, dem alle Schriftsteller der Welt völlig gleichgültig sind, versteigt sich aus Trotz in literarischen Patriotismus und attachiert den Älteren. Der riesige Stiller, schickt ihn mit blutiger Nase heim. Niemand weiß, wie es war, als Stiller Abschied nahm von der Frau, deren genialen Funken er einst anfachte. Sprachen sie von einem Wiedersehen in Schweden? Vergessen wir wich, daß sich jahrelang hartnäckig das Gerücht erhielt, Greta und er seinen einst in Istanbul getraut worden! In jedem Falle ist Stillers Scheiden ein tieftrauriger, ergreifender Einschnitt. Es ist sicher, daß mit Stillers Weggang etwas in ihr zerbricht. Das „schlichte Lebensglück“, das sie vielleicht an seiner Seite hätte finden können, wird sich ihr für immer entziehen. Und Stiller selbst geht buchstäblich daran zugrunde. In Schweden angelangt, wird er wunderlich unzugänglich, mutlos, durch keine Projekte mehr aus seiner Lethargie zu reißen. Er erkrankt an einer unerklärlichen Krankheit, die vielleicht nichts ist als der Ausdruck einer unstillbaren Todessehnsucht. Er spricht in den Tagen, da er im Spital liegt und stundenlang auf die herbstlich gelben Bäume vor seinem Fenster starrt, fast nicht von Greta. Nur knapp vor seinem Tode erlaubt er Freunden, ein Telegramm an sie aufzugeben, das ihr über seinen Zustand berichtet. Sie kann nicht kommen, leider. Zwar hat soeben Charles Lindbergh den Atlantik im Flugzeug bezwungen, aber es gibt noch keinen Passagierverkehr nach Europa, und eine Überfahrt per Schiff würde eine Unterbrechung der Arbeit bedeuten, Schwierigkeiten mit der Filmgesellschaft. So stirbt er denn allein. Man kolportiert bald darauf in Hollywood den Text eines letzten Briefes, den er ihr angeblich geschrieben habe. „Ich habe immer nur Dich geliebt. Gott segne dich“, sollen seine Schlußworte gewesen sein. |
|
L i e b e s p a a r i m F i l m u n d i m L e b e n : Greta Garbo und John Gilbert in einer Szene des Films „Königin Christine“, dem letzten, den sie gemeinsam drehten. Über die privaten Bindungen der beiden Menschen berichtet unsere heutige Folge. Aufnahme MGM |
|
Winterliche Heimfahrt |
|
Bald nach Stillers Tod, zu Weihnachten 1928, reist Greta Garbo nach Schweden, um Mutter und Bruder zu sehen. |
|
Die Stimme |
|
Im Frühling 1929 kehrt sie nach Hollywood zurück. Ihr Romeo John Gilbert ist nicht unter den jubelnden Menschen, die sie an der Bahn erwarten. Er hat schon unmittelbar nach Stillers Tod gespürt, wie Greta sich von ihm zurückzog. Er wurde es müde, das „Mädchen aus der Fremde“ zu umwerben, deren Liebe niemals vorbehaltlos war, deren Schweigen ihn hemmte, deren Heiterkeit er nicht verstand, deren Verzweiflungsausbrüche ihm unheimlich waren. Er wählte als dritte Gattin ein harmloses, unkompliziertes Geschöpf namens Ina Claire. Die Zeitungen schreiben: „Greta erleidet einen Kollaps durch Gilberts Heirat…“ (Fortsetzung folgt) |
|
Copyright by Presse-Agentur L. Dukas, Zürich
|
Part III
|
Part V |
||
from: Frankfurter Illustrierte 23. November 1952 * Nr. 47
|
|||
|
English Press Article |
||
Back to Menue German Press Article |
|||
International Press Article |
© Copyright 2005 – www.GarboForever.com – Germany – TJ & John – The Webmasters