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Glanz und Geheimnis der
GARBO

Das Ende einer großen Liebe in Hollywood
·  Ein Tatsachenbericht von Jean Améry  ·

Als Greta Lovisa Gustafsson wird Greta Garbo 1905 in Stockholm geboren. Da sie sehr früh zum Unterhalt der Familie beitrage muß, arbeitet sie zuerst bei einem Friseur, dann in einem Warenhaus. Als man einen Katalog herausgibt, wählt man sie als Modell. Sie wird daraufhin für Reklamefilme angeworben, nimmt Schauspielunterricht und bekommt ein Engagement am Stockholmer Theater. Der große schwedische Regisseur Mauritz Stiller gibt ihr in seinem Film „Gösta Berling“ eine Hauptrolle; es wird ein Erfolg. Stiller geht mit Greta nach Berlin. Die beiden gelten allgemein als ein „Paar“. Nach einem kurzen Intermezzo in Istanbul dreht Greta unter G. W. Pabst „Die freudlose Gasse“ und wird bald darauf mit Stiller durch Louis B. Mayer, dem Chef von Metro-Goldwyn-Mayer, nach Hollywood engagiert.

 

D a s   H o l l y w o o d - A n t l i t z   d e r   G a r b o :
Der Typ „Greta Garbo“, der zum Schönheitsideal einer
Epoche wurde, ist nicht zuletzt das Verdienst Holly-woods.
Ehe sie die erste Rolle erhielt, machte man monatelang
Schminkexperimente und Probeauf-nahmen, um dieses
eigenwillige Antlitz bis in den letzten Winkel auszuleuchten,
und mit der Kamera zu „erobern“. Immer wieder wurde
damals die Frage laut: „Wozu so viele Aufnahmen von
dieser Schwedin, aus der doch nichts wird?“
Aufnahme MGM

 

Am 15. Juli 1925 kommen Greta Garbo und Mauritz Stiller mit dem Expresszug von New York in Hollywood an. An der noch recht dörflich wirkenden Station stehen die Reporter. Sie sind nicht eben sehr aufgeregt, denn längst sind sie es gewöhnt, daß diese Züge Berühmtheiten – und solche, die es werden wollen – sozusagen mit überlegenem Gleichmut auf den Bahnsteig werfen. Es ist übrigens nicht Greta Garbos wegen, daß sie sich herbemühten, sondern um Stillers willen, dessen Name in Hollywood bereits einigen Klang hat. Die Ankunft der beiden, die ein wichtiges Datum in der Filmgeschichte ist, gestaltet sich nicht eben sehr glücklich.
     Stiller, Weltmann und Routinier, dazu brillant aussehend, hat bereits das breite amerikanische Lächeln gelernt und macht zur allgemeinen Zufriedenheit reichlich Gebrauch davon. Greta aber, eingeschüchtert von der neuen Umgebung, in totaler Unkenntnis der Landessprache, und darum stets vom Gefühl gepeinigt, man spreche Ungünstiges über sie, blinzelte gequält in die grelle Sonne und hält recht ungeschickt in ihren Händen den ihr von einem MGM-Agentenüberreichten Rosenstrauß, der mit einer „Welcome“-Schleife umwunden ist. Sie ist sehr müde. Der dicke schottische Mantel, der noch von einem Stockholmer Schneider stammt, lastet auf ihr. Die Schuhe mit den flachen Absätzen sind staubig, das Haar in Unordnung. Sie spürt, daß sie den Vergleich mit den in untadelig blendende Farben getauchten anwesenden Hollywood-Mädchen nur schlecht aushalten kann. Sie lächelt verzerrt, aber es ist ihr zum Weinen. Die Reporter sind duldsam: Mit ihren Photolinsen zielen sie auf Greta und rufen aufmunternd: „Quite easy, Miss Garbo, qutite natural!“ Was dann auf den entwickelten Platten herauskommt, ist leider weder „leicht“ noch „natürlich“ ...
     Das erste Zusammentreffen zwischen Greta und Hollywood ermangelt der Frische und Aufrichtigkeit: Auf Hollywoods Seite ist Skepsis und eine leichte Enttäuschung, auf der ihrigen Angst und Widerstand. es soll lange so bleiben.
     Es fehlt nicht an spöttisch zwitschernden Stimmen aus dem Walde des  Tratsch-Journalismus. Die Reporterin Dorothy Woolridge schreibt: „... ihre Schuhe haben vertretene Absätze. ... ihre Strümpfe sind entsetzlich grobmaschig, ...ihre Füße sehen ganz so aus, als würde sie mit ihnen marschieren...“ – Wo doch Füße nur dazu da sind, um sie in raffinierter Stellung, mit gewaltsam hochgestelltem Rist photographieren zu lassen, könnte man hinzufügen...
     Der Empfang, den die junge Filmstadt der Garbo bereitet, die einerseits zu distinguiert, andererseits zu wenig luxeriös für die dort herrschenden Begriffe wirkt, erklärt sich aus dem, was das Hollywood von 1925 ist:
     In wenigen Jahren ist da aus einer ländlichen Siedlung eine Stadt wie eine Blase von der Film-Konjunktur aufgebläht worden. Die Stars zahlen fast keine Steuern und können es sich darum erlauben, protzige Villen zu bauen, Stäbe von livrierten Dienern zu halten, venezianische Nachtfeste zu veranstalten, bei denen unter nachgemachten Seufzerbrücken Wein dahinfließt, oder junge Panter an Goldhalsbändern spazieren zu führen. Hinter der glänzenden äußeren Fassade verbirgt sich nicht selten eine haarsträubende Unbildung. Zur Zeit, da Greta Garbo in Hollywood eintrifft, gibt es zum Beispiel einen mit Millionenwerten jonglierenden Produzenten, der überzeugt ist, die französische Nationalhymne heiße „La Mayonnaise“ ...
     Kein Wunder also, daß diese Stadt der Schwedin, die weder mit meterlangem Goldhaar auf-warten kann, noch ihren neuen Kolleginnen überschwänglich um den Hals fällt, andererseits aber eine einigermaßen klassische theatralische Schulung hinter sich hat, keinen begeisterten Empfang bereitet. Als man zum Beispiel Greta Garbo bei einer ihrer ersten Pressekonferenzen fragt, wo sie zu wohnen gedenke, antwortet sie: „Ich möchte am liebsten ein hübsches Zimmer bei einer ordentlichen Familie.“ Homerisches Gelächter erhebt sich. Eine aufgeregte Reporterin erzählt jedem, der es hören will, daß „Swedy“ (etwa: das „Schwedlein“) – Baumwollunterwäsche trage.
     Die Stadt ohne Wurzeln verweigert ihr zunächst das Bürgerrecht.

Ein Gesicht wird „gemacht“
     Es zeugt immerhin für Gretas starke innere Widerstandskraft, daß sie in solch unerfreulichem Klima zu arbeiten versteht. Natürlich ist es auch nicht etwa so, daß der Hollywood-Luxus sie aus-schließlich abstößt. Durchaus nicht: Sehr bald läßt sie die Idee von der „ordentlichen Familie“ fallen und mietet ein hübsches Haus in der Villenkolonie Santa Monica. Auch einen Wagen schafft sie sich an und hat bald auch ihre erste Strafe wegen Schnellfahrens weg. Wie die anderen stiehlt sie gerne Obst, wenn sie an den üppigen Gärten vorbeifährt, gleich ihnen findet sie Geschmack an den parfümierten amerikanischen Zigaretten, die mit dem Seemannstabak, wie ihr Vater ihn liebte, nichts gemein haben.
     Vor allem aber arbeitet sie. Da ist vorläufig von einer Rolle noch keine Rede: Es gibt nichts als erschöpfende Probeaufnahmen, bei denen der Kameramann Arnold Genther verzweifelt versucht, ihr eigentlich großflächiges und eine Nuance zu hartes Antlitz hollywoodgerecht zu machen. Mindestens zehnmal versucht der Maskenbildner eine Brauen-Linie, die photogen ist. Ihre Nase bildet die Verzweiflung aller Ateliergewaltigen, die sich eine „schöne“ Nase eben nur knopfartig vorstellen können. Nur ihre einzigartigen Wimpern, durch die man erst angeregt wird, die Mode künstlicher Wimpern zu kreieren, finden Beifall. Langsam „erobert“ man ihr Antlitz, wie die Welt es kennen wird. Zur Ehre aller „Eroberer“ aber muß gesagt werden, daß sie mit dieser Arbeit einem neuen Schönheitstypus zum Durchbruch verhalfen und daß sie tatsächlich aus Gretas Gesicht die ganze ihm innewohnende Schönheit herausholten.
     Bald stellen die Sachverständigen fest, daß sie zu dick sei. Eine unerbittliche Diät wird vom Arzt der MGM verordnet, und in ein paar Monaten verliert sie nicht weniger als dreizehn Kilo. Die grausam rasche Abmagerungskur bewirkt eine nervöse Depression, die noch dadurch verschärft wird, daß in diesen Tagen im fernen Schweden ihre Schwester Alwa an einer geheimnisvollen Krankheit – man spricht von Brustkrebs – stirbt. Greta verfällt für kurze Zeit der düsteren Vorstellung, sie selbe könne von diesem Leiden befallen sein. Eine gewisse „Krebsangst“ wird sie übrigens auch später nicht mehr völlig loswerden.

Ein neues Schlagwort „Sex appeal“
     In den MGM-Studios von Culver-City, in denen damals schon 25 000 Menschen arbeiten, wird schließlich Greta Garbos erster großer Hollywood-Film gedreht, trotz aller Atelier-Gerüchte, nach denen man in den Verwaltungsbüros schon den Preis für ihre Rückfahrkarte errechnet habe. Wann immer nämlich Unterdirektoren, Kameraleute oder Propagandachefs ihrem Chef Louis B. Mayer von der „Unbrauchbarkeit der Schwedin“ gestenreich erzählten, ist dessen Antwort: „Die wird das Rennen machen...“
     Ihr Regisseur ist Monta Bell, ein nervöser, ideensprudelnder einstiger Journalist. Als Partner bekommt sie Ricardo Cortez, einen dunklen, aufgeregten und höchst selbstgefälligen Südamerikaner indianischer Abstammung, der sich gelegentlich spöttisch über die „Walküre“ äußert. In diesen ersten wirklichen Arbeitstagen zeigt sich bereits deutlich ihre sanfte Hartnäckigkeit, die letzten Endes immer über beschwörende Regie-Tobsucht den Sieg davon trägt. Sie hat keine „Starlaunen“. Sie diskutiert nicht, erklärt niemals schrill, daß sie es besser verstehe. Wenn aber der Regisseur ihr bei bestimmten Szenen absolut seine Auffassung aufdrängen will, dann sagt sie in ihrem lächerlichen Englisch, ebenso leise wie bestimmt: „I think I'll go home“ (ich glaube, ich werde nach Hause gehen). Worauf man sie natürlich nicht nach hause gehen, sondern einfach ihrem Willen entsprechend gewähren läßt.
     Der neue Film „The Torrent“ (Der Wildbach) kommt heraus und wird ein starker Erfolg. Amerikanische Kritiker und Kinobesucher sehen zum ersten Male eine Frau, die nicht hüpft  oder tänzelt, sondern schreitet, die Augen nicht rollt, sondern still gleiten läßt, nicht gestikuliert, sondern langsam, fast gemessen sich bewegt. All das, was für uns Heutige den frühen Film so grotesk macht – das Unnatürlich-rapide, Hanswursthafte, das vielleicht nicht so sehr an technischer Unzulänglichkeit als an dem albern „schelmischen“ Spiel der Frauen lag – verschwindet durch sie.
     Zum ersten Mal auch stellt man bei männlichen Kinobesuchern eine eigentümlich begehrliche Zärtlichkeit zur Darstellerin fest. Man nennt die neue Anziehungskraft „sex-appeal“.
     Man versuchte in diesem und auch in den folgenden Filmen Greta Garbo als Vamp abzustempeln, wohl aus der Überlegung heraus, daß durch solche Rollen ihre geheimnisvolle Anziehungskraft besonders wirksam würde. Sie selbst hat sich diesem Bestreben gegenüber energisch zur Wehr gesetzt und sich in dem zweiten Vertrag, den man mit ihr abschloß, einen entscheidenden Einfluß auf die Wahl der Rollen und Partner zugesichert. Was für Frauengestalten sind es, die sie spielen möchte? Sie selbst hat die Antwort darauf gegeben: „Ich liebe es nicht, Frauen darzustellen, die immer schlecht sind und ebenso wenig solche, die immer gut sind. Ich stelle gern Personen dar, die ein wenig von allem haben“. Sie möchte also Frauen verkörpern, in denen Gutes und Schlechtes miteinander im Kampf liegt, Frauen in ihren inneren Gegensätzen, Frauen die nicht in der Gewißheit, sondern im Zweifel leben und die darum immer ein wenig traurig sind. Die die Freude am Genuß nicht kennen, sondern über ihre Leidenschaften trauern und an ihrer Verderbtheit leiden. In solchen Rollen wird später die große Kunst der Garbo offenbar.

Stille um Stiller

     Was begibt sich in all dieser Zeit mit Mauritz Stiller? Was mit ihrer Liebe?
     Nun: Stiller verdüstert sich zusehends. Er ist kein Jüngling mehr, hat festgefügte künstlerische Vorstellungen und ist nicht bereit, von Hollywood zu „lernen“, wie Greta, die Zwanzigjährige, es trotz aller Widerstände tut. Er revoltiert innerlich gegen die, wie er sagt, „fabrikmäßigen“ Herstellungsmethoden, verzehrt sich in ohnmächtigem Kummer darüber, daß es ihm nicht vergönnt ist, jeden künstlerischen Schritt seines Geschöpfes Greta zu überwachen. Es ist in der trotz aller Schlüpfrigkeit puritanischen Atmosphäre Hollywoods unmöglich, daß er mit Greta die Wohnung teilt. Wenn er bei ihren geschäftlichen Unterredungen anwesend sein will, gibt man ihm zu verstehen, daß man seiner hierzu nicht bedürfe. Da und dort muß er erfahren, daß man Greta vor seinen Einflüssen warnt, daß man ihn als ein Hindernis auf ihrem Wege bezeichnet. Er, der niemals Bequeme, wird vollends reizbar, überempfindlich, höhnisch, aufbrausend.
     Es läßt sich nicht vermeiden, daß Greta Freunde findet, für die sie nicht „Stillers Schützling“, sondern Greta Garbo ist: Emil Jannings und dessen Tochter, den schwedischen Filmschauspieler Niels Asther, ein paar junge Leute vom schwedischen Konsulat.
     Immer tiefer, immer neurotischer glaubt Stiller, daß er wirklich eine Last sie, an ihre Füße gebunden, redet sich selbstquälerisch ein, daß auch sie es so empfinden müsse. Am Ende ereignet sich die unselige Geschichte mit dem Film „The Temptress“ (Die Versucherin), den die Metro-Goldwyn-Mayer-Produktion dreht und für dessen Leitung man zunächst Stiller verpflichtet. Stiller will radikal den „Vamp“ tilgen, den man aus Greta zu machen gedenkt, entlässt den Maskenbildner, der für ihr Hollywood-Antlitz teilweise verantwortlich ist, will wieder aus ihr die Stockholmer Nordlicht-Schönheit machen, die sie war, bezeichnet den Hollywood-Betrieb als „billig“, die Hollywood-Romantik als „limonadesüß“. Es kommt, wie es kommen muß: Die Produktionsmaschine ist stärker, Stiller muß die Regie abgeben, an Fred Niblo, einen glatten Routinier, der keinerlei Schwierigkeiten macht.
     Es kommt zwischen ihm und Greta zu einer entscheidenden Auseinandersetzung. Sie sagt: „Ich lasse die Arbeit stehen, werde kontraktbrüchig, gehe mit dir zurück nach Hause...“ Er wütend: „Was fällt die ein! Damit ich später hören muß, ich hätte deine Karriere verdorben!“ Sie: „Ich kann, ich will nicht arbeiten, wo man dir so mitspielte.“ Er: „Ich befehle dir zu bleiben!“ Sie gibt nach, wie immer. Er hofft, betet, sie werde zum ersten Mal seinen Befehl nicht befolgen.
     Wie sie dann doch weiterarbeitet, läßt er sich immer weniger bei ihr sehen. Wenn sie anruft, läßt er sich verleugnen.

*

     Eines Abends stattet er ihr einen improvisierten Besuch ab. Sie ist ausgegangen, in einem nilgrünen Abendkleid, mit neuer, strenger Frisur und nackten Schultern. Sie wirkt älter, weiblicher. Er besieht sie lange. „Ich glaube, ich störe dich“, bringt er hervor. „Ah, es ist nichts“, sagt sie. „Ich habe eine Verabredung mit John Gilbert, der mit mir zusammenarbeiten will. Aber ich sage einfach ab, selbstverständlich.“ Stiller schweigt lange, dann sagt er: „Nein, du sollst nicht absagen. Es scheint mir sehr wichtig, daß du mit Gilbert arbeitest, er ist ausgezeichnet. Eigentlich habe ich ohnehin keine Zeit. Es freut mich, daß du dich amüsierst. Leb wohl ...“
     Ehe sie noch antworten kann, hat er die Villa verlassen.

(Fortsetzung folgt)

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Part II
Part IV
  

 

from:   Frankfurter Illustrierte       16. November 1952 * Nr. 46
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