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Glanz und Geheimnis der
GARBO

·  Ein Tatsachenbericht von Jean Améry  ·

 

K o n f l i k t   z w i s c h e n   L e i d e n s c h a f t
u n d   M u t t e r l i e b e :
Greta Garbo mit ihrem Filmkind Freddy Bartolomeo in
der Tonfilmfassung von Tolstois „Anna Karenina“. Dieses
Dokument der Filmkunst wird in Kürze wieder aufgeführt
werden. Die gleiche Rolle spielte Greta Garbo bereits im
Stummfilm, damals mit John Gilbert als Partner.
Aufnahme MGM

 

Greta Garbo wird als Greta Lovisa Gustafsson 1905 in Stockholm geboren, wo der Regisseur Mauritz Stiller sie entdeckt und mit ihr den berühmten Film „Gösta Berling“ dreht. 1925 werden Greta und Stiller nach Hollywood engagiert, wo Greta jenen Erfolg hat, der Stiller versagt bleibt. Es gibt eine schmerzliche Trennung: Stiller verlässt Greta, als diese in eine vielbesprochene Romanze mit John Gilbert, einem Helden des Stummfilms, verstrickt ist, geht zurück nach Schweden, wo er einsam stirbt. Aber auch die Beziehung zwischen Greta Garbo und John Gilbert löst sich. Ihr erster Tonfilm, das ausgezeichnete, nach einem Drama von Eugen O’Neill in Szene gesetzte Filmwerk „Anna Christie“, ist ein solch durchschlagender Erfolg, dass die Metro Goldwyn-Mayer noch im selben Jahr zwei weitere Tonfilme mit ihr produziert: „Yvonne“, wo sie an der Seite Robert Montgomerys steht, und „Romance“ mit dem ausgezeichneten, inzwischen verstorbenen Charakter-darsteller Lewis Stone. Bald darauf folgen 1932 „Mata Hari“, eine sensationsgeladene „Haupt und Staatsaktion“ mit Ramon Novarro, und der einen Starsegen aufs Publikum schüttende Film „Menschen im Hotel“ nach dem Roman der geschickten Vicky Baum, wo neben Greta auch Joan Crawford, Jon Barrymore und der gewaltige Wallace Berry zu sehen sind.

 

Der Tonfilm hat also aus Greta das gemacht, als was sie heute im öffentlichen Bewusstsein lebt. In den ersten Tonfilmjahren wird sie der größte international anerkannte Filmstar, ihr Einkommen erreicht etwa 250000 bis 350000 Dollars pro Film! Sie steht jenseits jedes kritischen Angriffs: auch jene, die nicht unbedingt hingerissen sind von ihr, wagen nicht, ihre unumschränkte Geltung anzuzweifeln.
     Greta Garbo ist mehr als nur eine Schauspielerin. Ihr „Tun“ ist nicht ablösbar von ihrem „Sein“, und wesentlichstes Attribut dieses Seins ist ihre Schönheit. „Diese Frau ist ganz einfach vollkommen schön“, schreibt 1931 der deutsche Theaterkritiker Rudolf Arnheim. Und der englische Hofphotograph Cecil Beaton, einer ihrer getreuesten Trabanten, notiert: „Sie ist schön wie die Morgenröte im nordischen Wind… ihre Haut ist glatt wie Marmor und von der Farbe der Aprikosen… ihr biskuitfarbenes Haar ist von feinster Seide gesponnen… ihre großen, wohl-geformten Zähne sind glänzender als Perlen… ihr voller, geschwungener Mund ist zarter gezeichnet, als er in der Photographie scheint… Augen wie ihre gab es niemals vorher: Ihr Ausdruck ist gleichzeitig mokant, voller Barmherzigkeit und Sehnsucht: tief liegen diese Augen und sind unvergesslich blau… sie kann sich so langer Wimpern rühmen, dass niemand an deren Echtheit glauben will, der sie nicht persönlich sah….“
     In Greta Garbo erkannten alle Frauen ihrer Zeit ihr eigenes schöneres, vornehmeres und bestrickenderes Ich, alle Männer den sinnfälligen Ausdruck ihrer vagen Sehnsucht. Sie ist es, die jeden Film – selbst den robustesten filmischen Bestseller – vom Vulgären erlöst. Neben Charlie Chaplin ist sie es, die den Film zur Kunst erhob.

Hollywood jagt Greta Garbo
     In der Zeit ihrer größten internationalen Erfolge von 1932 bis 1937 bildet sich ihr persönlicher Lebensstil heraus, der in Hollywood Gefühle hervorruft, die von Neugierde, über Spott, Befremdung, bis zum offen eingestandenen Ärger reichem. Greta Garbo gibt keine großartigen Patries wie eine Norma Shearer, die einmal bei einer solchen Gelegenheit an Hunderte von weiblichen Gästen Parfüm verschenkte, von dem eine Unze (28 Gramm) dreißig Dollar kostete. Sie verkehrt nur mit wenigen Leuten: ihren unmittelbaren Mitarbeitern, den Ehepaar Salka und Berthold Viertel, dem Ehepaar Françoise Rosay – Jacques Feyder. Sie macht den barbarisch-großzügigen Leichtsinn ihrer Kollegen nicht mit, sondern besorgt alle Einkäufe selbst, wobei sie häufig, wenn ihr etwa der Preis für einen Kunstgegenstand zu hoch erscheint, sagt: „Das will ich dafür nicht bezahlen.“ Nicht einmal ein Zehntel ihres Einkommens verbraucht sie. Sie frisiert sich selbst; Hollywoods Haarkünstlerinnen haben an ihr keine Kundschaft. Während ihr einstiger Romeo, John Gilbert, der bereits schwer zu kämpfen hat, noch immer seine Jacht mit einer ganzen Schiffsmannschaft und einem Kapitän hält, befinden sich in ihrem Haus nur ein schwedisches Ehepaar für Küche und Garten und ein junges Mädchen zu ihrer persönlichen Bedienung.
     Der Sport ist ihr kein Vorwand zum Zurschaustellen raffinierter Toiletten. Allein reitet sie auch an regnerischen Tagen auf einem kohlschwarzen Pferd durch die Palmenwälder. Allein schwimmt sie ins Meer hinaus, so dass ihre Freunde oft in Sorge um sie sind. Inmitten eines brodelnden Dampfkessels von Luxus, Tratsch, übersteigerten Orgien des Geltungstriebes, im bengalischen Feuer einer hektischen Stadt des Scheins, lebt sie das Leben einer vornehmen englischen Landedelfrau. Die große Extravaganz, die Hollywood ihr nicht verzeihen will, ist ganz einfach, dass sie keine Extravaganzen hat.
     „Was geht vor hinter den verschlossenen Türen von Greta Garbos Haus?“ fragen mehr als einmal Hollywood-Blätter, so als würden dort kleine Kinder verzehrt. Fast ist man enttäuscht zu hören, dass die ganzen kulinarischen Kuriositäten in dem von ihr sehr geliebten schwedischen Nationalgericht „smörgäsbrod“ bestehen. Man findet es lächerlich, dass Greta, wenn sie einmal ihren intimsten Freunden ein Dinner gibt, dann dem Mädchen beim Abwaschen des Geschirrs hilft. Die schlichte Tatsache, dass sie gern um zehn Uhr zu Bett geht, weil sie es liebt, morgens im Studio pünktlich zu sein, wird übelwollend zu „pathologischer Menschenscheu“ umgedeutet. Weil sie ihr Privatleben nicht gleichsam „ins Schaufenster hängt“, wie die meisten ihrer Kollegen, nennt man sie schroff und unzugänglich.
     Dabei ist sie die personifizierte Loyalität. Niemand kann sagen, dass er von Greta jemals ein unfreundliches Wort über eine andere Filmschauspielerin hörte. Als einmal ein Regieassistent, um liebedienerisch ihre angebliche „Rivalin“ anzuschwärzen, ihr sagt, „wenn ein Regisseur mit der Dietrich einen anständigen Film fertig bringt, muß er mit Ihnen ein Mirakel zustanden bringen…“, antwortet sie kühl: „Miss Dietrich ist eine hervorragende Künstlerin. Mit ihr muß jeder Regisseur Erfolg haben. „ Sie ist trotz aller Erfolge so bescheiden, dass sie tatsächlich niemals an ihre Einzigartigkeit glauben will. Einmal bereitet eine junge Filmenthusiastin nach der Premiere der „Kameliendame“ ihr in einem Restaurant eine überschwängliche Huldigung. Beinahe erschrocken fragt sie ihre Freunde: „Was um Himmels willen wollen die Leute von mir? Was soll den Besonderes an mir sein?“
     Da Hollywood diese künstlerische Demut nicht versteht, jagt es hinter ihr her wie hinter einem seltsamen Wild. Da sie gejagt wird, flüchtet sie. Dies ist – zunächst – das ganze Geheimnis. Das sie aus dem Fenster des ersten Stockes in den Garten springt, wenn es Reportern gelingt, sich in ihren Salon zu schleichen, ist eine grundnatürliche Reaktion. Daß sie jenen Photographen, der auf das Trittbrett ihres fahrenden Wagens gelangte und ein Fenster einschlug, nicht freundlich einlud, muß verstanden werden. Zum psychologischen Problem wird ihre Flucht in die Einsamkeit erst später. Davon wird noch zu sprechen sein.

E i n   g e h e t z t e s   W i l d :
Eine der jüngsten Aufnahmen Greta Garbos. Im
Hintergrund der englische Hofphotograph Cecil
Beaton, der Fama nach ihr Verlobter. Das Bild
zeigt deutlich ihre panische Angst vor
Öffentlichkeit.

Aufnahme Lutetia

John Gilbert: Die zweite Tragödie
     Die MGM entschließt sich 1934 zur Produktion des Filmes „Königin Christine“. Mit der Übernahme dieser Rolle geht Greta ein Lieblingswunsch in Erfüllung. Die Tochter Gustav Adolfs gehört zu den historischen Gestalten, die sie seit der Kindheit verehrt.
     Der Film, mit einem ungeheuren Aufwand von Dekoration und geschichtlicher Präzision geplant, wird dem Regisseur Rouben Mamoulian übergeben, einem 36jährigen, brillanten, dunkellockigen Armenier, der in Paris das Theaterfach studierte, in New York Opernregisseur war und eben einen Film mit der Dietrich „Das Hohe Lied“ fertig stellte. Wegen ihres Partners gibt es lange, erregte Konferenzen mit dem alten Louis B. Mayer. Zur großen Überraschung Hollywoods wünscht sie nämlich – John Gilbert, „Jack“, von dem man erst erzählte, dass er ihr „Herz gebrochen“ habe und von dem es nachher hieß, er sei es, der ihren Verlust nicht verwinden könne.
     Es steht nicht gut um den einstigen Ersten Jugendlichen Hollywoods. ER fand kaum Rollen im Tonfilm. Sein strahlendes Torero-Antlitz ist etwas hager geworden. Er ist nicht mehr das Sinnbild männlichen Sieges. Ein Augenleiden quält ihn. Es heißt, er trinke stark…
     Nichtsdestoweniger beharrt Greta, die den Erfolg nicht anbetet und niemals einen Künstler nach der Höhe seines jeweiligen Jahreseinkommens einschätzt, auf ihrer Partnerwahl. Man gibt ihr zu verstehen, dass da jüngere, schönere Männer für die Rolle zu haben seien. Sie bleibt bei ihrem Wunsch, den Waffenbruder ihrer einstigen Siege, den Geliebten der frühen Jugend wieder im gleichen Jupiterlicht zu haben.
     Ist dies Liebe? Wiedererwachen eines längst begrabenen Traumes? Man kann heute sagen: Gewiß nicht. Das ist vielmehr die menschliche Treue Gretas, die hohe Kameradschaftlichkeit. Sicher auch Mitleid.
     Übrigens: John Gilbert zeigt in dieser Rolle wieder seinen alten Glanz. Wieder ist da auch das donjuaneske Spaniertum. An der Seite Gretas, die in der schwedischen Königin die Rolle ihres Lebens sieht, die sich vorher monatelang in historischen Studien vergrub, in Schweden die Stätte der Handlung aufsuchte, wächst auch er über sich selbst hinaus.
     Man sagt, dass er sie liebte, nie aufgehört habe, sie zu lieben, während der Aufnahme sie bedränge, zu ihm zurückzukehren. Greta aber, für die das Spielen mit ihm zur späten Feier der einstigen Liebe wird, Greta, die es versteht, die Unzulänglichkeit vergangenen Gefühles hier in der Kunst zu läutern – Greta will von ihm nichts mehr als Freundschaft. Alle Leidenschaft wird in die Gestalt Christinens versenkt. So gehört denn auch die Szene, wo sie am Morgen im kleinen Dorfwirtshaus durchs Zimmer geht und die Möbel streichelt, die Zeugen ihrer Liebe waren, zu den stärksten, die ihr jemals gelangen. Zum Spiel, zur Kunst sagt sie ja. Zu John Gilbert nein.
     Der Film wird ein ungeheurer Erfolg. Nicht nur der Ruhm Gretas bestätigt sich, auch Johns „come back“ im Tonfilm scheint gesichert. Aber es wird eine Auferstehung ohne einen „morgen“ bleiben. Er stirbt ein Jahr nach der Premiere des Films – und zwar tragischerweise an den Folgen seines ungezügelten Alkoholismus. Es fehlt nicht an Stimmen, die da flüstern, dass er sich um Gretas Willen „zu Tode trank“. Die Öffentlichkeit, in ihrer Sensationssucht, will in ihr den „Vamp“ sehen. Im Film „Königin Christine“ stirbt Gilbert-Antonio für Greta-Christine. Die Szene, da das Schiff die Anker lichtet und mit aufgefalteten Segeln den Köper des toten Granden an Bord, gen Süden fährt, wird als Symbol und Omen gedeutet.

Die Garbo-Legende entsteht

     Tatsache ist jedenfalls, dass die beiden Männer, die sie am leidenschaftlichsten liebte, Mauritz Stiller und John Gilbert, ihr hinstarben. Es scheint darum gar nicht abwegig, zu glauben, der Tod dieser beiden Männer sei Ursache für ihr in den späteren Jahren manchmal recht schwer begreifliches Verhalten. Ihre Weltscheu, die im Anfang nichts war als die gesunde Reaktion einer sensiblen Frau gegen den Hexentanz der Publizität, wird ihr als Verfolgungswahn ausgedeutet. Die Garbo-Legende wird bald entstehen. Immer öfter wird man hören von der Frau im tiefen Fallhut mit großer, schwarzer Brille, die allen Annäherungsversuchen der Welt nur den steinern-stereotypen Satz entgegenhält: „Ich wünsche in Frieden gelassen zu werden…“
     Freilich, noch ist es so, dass jedenfalls ihr Spiel nichts von melancholischer Verdüsterung zeigt. Im „Bunten Schleier“ (Nach Somerset Maugham) ist sie, wie die amerikanischen Blätter schreiben, „more glamorous than ever“ (bestrickender als jemals). In „Anna Karenina“, mit Frederick March in der Rolle, die einst im Stummfilm John Gilbert spielte, zeigt sie sich in den mütterlichen Szenen mit dem kleinen Freddy Bartholomew vollends gereift zur Schauspielkunst.
     Es ist, als senke sich die Melancholie über Gilberts Tod nur mit zögerndem Flügelschlag auf sie herab. Man sieht sie häufig in Gesellschaft des Christine-Regisseurs Rouben Mamoulian. Die Presse zeigt fröhliche Photos der beiden auf Hawaii. Wiederum „verlobt“ sie der Filmklatsch. Als auch dieses Gerücht bald versickert, spricht man von ihr als der „ewigen Junggesellin“.
     Ihr Ruhm ist in diesen Tagen auf seinem absoluten Höhepunkt angelangt. Es gibt kaum eine Kritik irgendeines ihrer Filme, in der nicht auf ihre Qualität als der „ersten Filmkünstlerin der Welt“ hingewiesen würde. In Deutschland singt man den Schlager „Du bist meine Greta Garbo, bist die schönste Frau der Welt…“, in England „I dreamed Greta Garbo kissed me…“ In deutschen Buchläden wird ein Roman verkauft „Der Mann, der Greta Garbo liebte…“ Sie ist die Kaiserin der Flimmerwelt. Nie wieder wird eine Schauspielerin dieselbe unangetastete filmische Reputation erlangen.

(Schluß folgt)

Copyright by Presse-Agentur L. Dukas, Zürich

 

 
 
  
Part III
Part VI
  

 

from:   Frankfurter Illustrierte       30. November 1952 * Nr. 48
© Copyright by   Frankfurter Illustrierte

 

 

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