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Greta Garbo

VII.
Aufenthalt in der schwe-
dischen Heimat – Wieder
in Hollywood – „Wilde
Orchideen“ bis „Mata Hari“

Reich an Zwischenfällen war die Europareise Greta Garbos. Mit demselben Zug, der sie vor vier Jahren von der Ostküste Amerikas nach Kalifornien geführt hatte, reiste sie zurück und erfuhr dabei, daß der Ruhm auch seine Schattenseiten hat. Sie gehörte nicht mehr sich allein, sondern der Öffentlichkeit. Zahllose Neugierige, Autogrammsammler, Reporter aller Art setzten ihr so zu, daß sie in Chicago den Zug verließ und mit einem anderen in New York eintraf. Die Nachricht ihrer Reise war in den Zeitungen mit allen Einzelheiten und manchen phantasievollen Beigaben veröffentlich worden, so daß Greta heimlich auf das Schiff gehen mußte, um allen Bewunderern auszuweichen. Sie hatte zur Überfahr das schwedische Schiff „Kungsholm“ gewählt, aber auch auf diesem blieb sie für die Passagiere unsichtbar, und ebenso vollzog sich ihre Ankunft in Stockholm, wo sie auch einem Schwarm von Neugierigen zu entgehen wußte. Wenn sie sich weniger zurückgezogen und mehr in der Öffentlichkeit gezeigt hätte, wäre sie nach dem ersten Ansturm gewiß nicht weiter behelligt worden. Da sie aber eine andere Haltung an den Tag legte, spann die Fama wieder ein Netz abenteuerlicher Gerüchte um Greta, die von all den Nachrichten keine Notiz nahm, sondern die Urlaubszeit im Kreise der Familie und engerer Bekannter verbrachte. Sie besuchte die Theater regelmäßig, hielt sich aber im Dunkel einer Loge auf, denn sie konnte nicht mehr im Parkett Platz nehmen, ohne befürchten zu müssen, erkannt zu werden. Ihr Profil lebte schon im Gedächtnis der Welt.
     Einige Monate später traf sie wieder in Hollywood ein, wo zahlreiche Aufgaben ihrer harrten. Die Eigenart ihrer Persönlichkeit wurde schon darin betont, daß sie in der Folge mit wechselnden Partnern spielte. In jenen Jahren gab es in Hollywood noch berühmte Liebespaare der Leinwand, die stets zusammen in einem Film auftraten, etwa Ronald Colman und Vilma Banky. Greta fand eine andere Einschätzung, denn als Partner erhielt sie zumeist junge Künstler, die noch ohne besonderen Namen waren, also auch nicht darauf bestanden, von der Handlung in der gleichen Art in den Vordergrund getragen zu werden wie die Garbo. Man hatte ihr auseinandergesetzt, daß diese Technik notwendig sei, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer völlig auf ihre Person zu richten. Nur ein Darsteller war in allen Garbo-Filmen im Personenverzeichnis zu finden – Lew Cody, der ausgezeichnete Charakterdarsteller. Aber Cody war bereits Vertreter des älteren Faches, und zwischen ihm und Greta kamen keine leidenschaftlichen Liebesszenen vor, selbst wenn er im Spiel als ihr Gatte erschien. Lew Cody hat Gretas Aufstieg von „Es war“ bis zu ihrem letzten Film, „Gräfin Valewska“, den wir noch nicht sahen, miterlebt. Wie die meisten bedeutenden Charakterdarsteller Hollywoods, war er vor seiner Filmtätigkeit bei der Sprechbühne gewesen und hatte daselbst als bedeutender Ibsen-Schauspieler gegolten. Es ist ein Irrtum, zu glauben, in New York sei nur die leichte Muse beheimatet; es gibt dort auch verschiedene Bühnen, die einem anspruchsvollen Zuschauerkreis mit den großen dramatischen Schöpfungen der Weltliteratur aufwarten. An einer solchen Bühne hatte Lew Cody begonnen, und wer die Art der Darstellung dieses Künstlers genau beobachtet, wird die Theatertradition in seinem Schaffen unschwer feststellen können.
     Es war für Greta gewiß ein Gewinn, daß sie von Anfang auf einen so ausgezeichneten Gegenspieler stieß, der den Ausbrüchen ihres Temperaments zum mindesten eine interessante Rollenauffassung entgegensetzen konnte. Lew Cody war es auch, der neben der Garbo einen Film wie „Wilde Orchideen“ erträglich machte. Diese romantische Geschichte war als erster Film nach ihrer Rückkehr gewählt worden. Die „Wilden Orchideen“ hatten als Schauplatz eine exotische asiatische Insel, wo selbst ein eingeborener Fürst zu Greta eine heftige Neigung faßte. Den Fürsten spielte Gretas Landsmann Nils Asther, der ebenfalls in der Filmstadt Rasunda angefangen hatte, dann vom deutschen Film groß herausgestellt worden war und darauf einen Ruf nach Hollywood erhalten hatte. Im Gegensatz zu den übrigen nordischen Schauspielerin war Nils Asther schwarz wie ein Südländer und mußte in Hollywood meist fremdländische Liebhaber spielen.


Aufnahme Metro-Goldwyn-Mayer

     Nach diesem Film, der seinen Erfolg zum Teil dem fremdländischen Milieu und der Ausstattung verdankte, wurde Greta in einer Gesellschaftstragikkomödie „Unsichtbare Fesseln“ beschäftigt, worin sie John MacBrown zum Partner hatte. Die Handlung war konventionell, und so konnte Greta keine eigentliche Rollenschöpfung vornehmen. Um den geringen Eindruck, den „Unsichtbare Fesseln“ gemacht hatte, zu verwischen, wurde auf den nächsten Garbo-Film alle nur mögliche Sorgfalt verwendet. Für die Spielleitung dieses Films, der den Titel „Der Kuß“ erhielt, setzte man den französischen Meisterregisseur Jacques Feyder ein, von dem zwei in Hollywood gedrehte Filme den ungeteilten Beifall des amerikanischen Publikums erhalten hatten.
     Eine solche Sorgfalt war um so mehr am Platze, als gerade der große Umschwung die Weltkinematographie zu erschüttern drohte. Es ist heute schon völlig vergessen, daß vor zehn Jahren die ersten Kämpfe um den Tonfilm einsetzten. Als Greta nach Amerika zurückkehrte, war die Bewegung im vollen Gange, aber die Lage war noch völlig ungeklärt. Der Tonfilm spaltete die Filmleute in zwei Lager, die einen, namentlich jene, die mit der Besitzergruppe der Tonpatent zusammenhingen, sahen in ihm die Filmtätigkeit der Zukunft, die anderen, und sie waren in der Mehrzahl, hielten diese Erscheinung für eine vorübergehende Mode.
     Für Greta war es eine Freude, unter einem Künstler wie Feyder arbeiten zu können, denn er war ein Mann, der sich mit Leidenschaft für die Kunst der Leinwand einsetzte und der genug Intuition besaß, um die filmische Wirksamkeit jeder Szene abschätzen zu können. Feyder, einer der gebildetsten Spielleiter, sprach mehrere Sprachen; mit Greta verhandelte er deutsch da er der Meinung war, in dieser Sprache seine Gedanken deutlicher zum Ausdruck bringen zu können als in englischer Sprache. Die deutsche Sprache wurde auch deshalb gewählt, weil sowohl Feyder als auch seine Gattin, die Schauspielerin Françoise Rosay, die ihm nach Hollywood gefolgt war, mit Greta oft im Hause von Emil Jannings zusammentrafen, wo natürlich nur deutsch gesprochen wurde Gretas Partner war der Deutschamerikaner Conrad Nagel, der die deutsche Sprache ebenfalls beherrschte, so daß Feyder in seinen Anweisungen von seinen beiden Hauptdarstellern verstanden wurde. Da Jacques Feyder ein sehr gewissenhafter Arbeiter war, so zogen sich die Aufnahmen des Films „Der Kuß“ geraume Zeit hin. Die Arbeit war ein Triumph der Filmkunst, denn seit „Anna Karenina“ hatte Greta eine ähnliche verinnerlichte Leistung nicht geboten. Obgleich alles Licht auf sie fiel, war sie nicht nach alter Manier starmäßig in den Vordergrund gerückt worden, denn Feyder hielt auf die Gesamtwirkung und betonte die Handlung stark, die mit künstlerischer Abstufung, mit einem Eingehen auf seelische Motive gestaltet worden war. – Dennoch hatte dieser Film es nicht leicht, sich durchzusetzen, denn als er erschien, war der Sieg des Tonfilms vollendet, und so konnte es nicht ausbleiben, daß die Zuschauer in der großen Gerichtszene des Films, die von allen Mitwirkenden vorzüglich gespielt wurde, den Dialog vermissten. Man mute die Auseinandersetzungen zwischen den Prozessteilnehmern von der Leinwald ablesen, eine Technik, die ganz plötzlich veraltet anmutete. Es ist ab unbestritten, daß Gretas letzter stummer Film eine künstlerische Leistung von Höchstmaß war, und es bleibt erfreulich, daß sie sich mit einer so vollendeten Schöpfung vom Stummfilm verabschieden konnte.
     Wie bei allen Filmkünstlern tauchte auch bei Greta nunmehr die Frage auf, ob sie für den Tonfilm geeignet wäre. Eine nicht kleine Zahl bekannter Filmschauspieler hatte vor dem Mikrophon versagt, und große Namen der Leinwand waren über Nacht in das Dunkel getreten. Daß Greta eine völlig ausgebildete Bühnenschauspielerin war, wurde vergessen, als der Chor ihrer Neider ausrief, sie hebe keine Mikrophonstimme und werde sich nicht durchsetzen können. Der Anlaß war dazu vielleicht auch, daß noch ein älterer Garbo-Film, der bis dahin geschlummert hatte, „Der grüne Hut“ nach dem gleichnamigen Roman des Modeschriftstellers Arlen plötzlich auftauchte. Der Film konnte keinen Eindruck mehr machen, und er ist denn auch nur in Amerika gespielt worden.
     Der Tonfilm besaß anfänglich einige Tücken; die Tonaufzeichnung war mit Mängeln behaftet, die der Stimme Abbruch taten und die beinahe keine Stimme unverzerrt wiedergaben. Die Zischlaute klangen häßlich, beinahe alle Schauspieler, auch die besten Sprecher, lispelten etwas, und gerade dieses Lispeln war es, das in ersten Szenen komisch klang. Die Probeaufnahmen mit Greta im Tonfilm verliefen jedoch verhältnismäßig befriedigend, und daher wurde ihr erster Tonfilm in Angriff genommen. Weil der gesprochene Dialog seine Tücken hatten, wurde er nur sparsam eingesetzt und die Handlung stark auf pantomimische Effekte angelegt. Das führte zu einer Vereinfachung der Vorgänge, denn auf komplizierte Auseinandersetzungen mußte verzichtet werden. Von selbst drängte die Handlung einer Vereinfachung zu; sie wurde rein naturalistisch. In diesem Stil ist daher „Anna Christie“, Gretas erster Tonfilm, gehalten gewesen. Diese Geschichte eines Hafenmädchens hatte einen düsteren Hintergrund, in den nur einige wenige humoristische Schlaglichter fielen. Als Spielleiter war wieder Feyder bestellt worden der damit ebenfalls seinen ersten Tonfilm schuf.

 


Greta Garbo in
„Wilde Orchideen“
mit Nils Asther

In “Unsichtbare Fesseln”
mit John MacBrown


In „Der Kuß“
mit Conrad Nagel


In “Anna Christie”
mit Hans Junkermann

 

     Es tauchte noch eine andere Schwierigkeit auf, die für die wirtschaftliche Ausnutzung des Films von Bedeutung war. Solange der Film stumm gewesen war und seine Texte von der Leinwand abgelesen werden mußten, stand einer Verbreitung eines jeden Films in allen Ländern nichts im Wege, denn der Text ließ sich unschwer in jeder Sprache durch gedruckte Titel ersetzen. Filme in englischer Sprache aber waren eben für die englisch sprechende Welt bestimmt und konnten in anderen Ländern nicht mit vollem Verständnis rechnen. Daher wurde in Hollywood der Weg bestritten, den Film in einzelnen Versionen zu drehen und die Handlung in mehreren Sprachen aufnehmen zu lassen, für die entweder sehr vielzüngige Schauspieler eintraten oder durch jeweils wechselnde Darsteller ersetzt wurden. Erst später erfand die Tontechnik den Ausweg des Nachsynchronisierens, also für die eigentlichen Darsteller andere Sprecher einzusetzen, deren Dialogworte mit den Mundbewegungen möglichst genau übereinstimmen mußten. Da man von diesem Ausweg in den Kindertagen des Tonfilms aber noch weit entfernt war, so blieb nichts übrig, als den Film mehrfach aufzunehmen. Daher wurde auch bei „Anna Christie“ der Entschluß gefaßt, neben der englischen Originalfassung eine solche in deutscher Sprache herzustellen, deren Dialog allerdings noch knapper gehalten war.

 


In „Romanze“


In “Yvonne”
(mit Robert Montgomery)

In „Wie du mich wünschst“
(mit Melvyn Douglas)

 

     Greta war in beiden Fassungen die Hauptdarstellerin aber sie mußte jede Szene mit anderen Partnern spielen, da die amerikanischen Schauspieler der englischen Fassung die deutsche Sprache nicht beherrschten. Die Aufgabe für Greta war ungemein schwierig, denn sie hatte sich den Partnern immer wieder von neuem anzupassen. In der englischen Fassung von „Anna Christie“ spielte sie mit Charles Bickford und George Marion, wozu noch Marie Dreßler kam. Das Zusammenspiel der Garbo und der Dreßler war künstlerisch vollkommen und trug Marie Dreßler, die damals schon eine Sechzigerin war, in die erste Reihe der Charakterdarstellerinnen. Durch „Anna Christie“ wurde die Dreßler, die bis dahin ein wenig beachtetes Dasein geführt hatte, zu jenem großen Namen, den sie Jahre hindurch besaß. In der deutschen Fassung waren Theo Shall und Hans Junkermann die Partner der Garbo. Junkermann, der zu Synchronisationszwecken nach Hollywood gerufen worden war, hatte Gelegenheit zu zeigen, daß er mehr konnte, als ihm der durchschnittliche Film im allgemeinen zumutete. Mit Junkermann, seiner Gattin Julia Serda und deren Tochter Charlott schloß Greta Freundschaft. Der Humor, der in dieser Künstlerfamilie zu Hause war, wirkte erfrischend auf Greta die von den schwierigen Aufnahmen reichlich erschöpft war. Feyder liebte es, die Szenen nicht nur oft zu proben, sondern auch die einzelnen Auftritte vielfach drehen zu lassen. Besondere Anstrengung bereiteten Greta die Szenen auf der Berg- und Talbahn, mit denen der Film einsetzt, und die sie abscheulich fand, während sie so tun mußte, als sei sie davon entzückt. Der Titelheldin gab sie die ganze Herbheit ihres Wesens, die ganze Verzweiflung eines enttäuschten Mädchens und schuf damit eine Rolle von einprägsamer Wirksamkeit.


Greta Garbo in
“Helgas Fall und Aufstieg”

(mit Clark Gable)

     „Anna Christie“ fand nicht sofort den erwarteten Beifall. Die Stimme der Garbo, die vom Mikrophon nicht ganz richtig wiedergegeben wurde, enttäuschte viele ihrer Verehrer, die in der Phantasie der „göttlichen Garbo“ einen ganz anderen Tonfall angedichtet hatten. Die Stimme klang ihnen zu tief und spröde; man sagte, Greta spräche im Baß; der Klang erinnere an Adele Sandrock Andere Kennzeichnungen waren noch unhöflicher. Es schien, als sei die Karriere der Garbo vorbei. Auch stießen sich einige Zuschauer an dem Milieu des Films. Jedenfalls gab es in allen Ländern heftige Kämpfe über die Tonfilmeignung Gretas, und der Streit wogte lange hin und her.
     Endlich wurde er dahin entschieden, daß Greta doch eine für den Tonfilm geeignete Schauspielerin war. Aber durch den Streit, der übrigens beinahe alle Filmschauspieler in gleicher Art erfaßte, kam eine Verzögerung in ihre Arbeit. Davon aber hatte Greta manchen Vorteil, denn die Tontechniker setzten in der Zwischenzeit allen Ehrgeiz daran, die Mängel der Tonaufzeichnung zu beseitigen und den Ton natürlicher klingen zu lassen. So kam es denn, daß Gretas Stimmen im zweiten Tonfilm technisch besser erfaßt wurde. Die Filmfreunde hatten sich inzwischen auch daran gewöhnt, die ungewöhnlich tiefe Stimme der Garbo zu vernehmen, und sie hörten nunmehr Feinheiten der Stimme heraus, den etwas verschleierten Anflug in den Vokalen, worauf sie zuerst nicht geachtet hatten. Auch war die Meinung laut geworden, daß gerade nicht eine derartige Altstimme zu Greta absolut passe.
     „Yvonne“, welchen Titel der zweite Tonfilm führte, worin sie mit Robert Montgomery spielte, war ein Film mit gesellschaftlichem Hintergrund und als Thema wohl nur deshalb gewählt worden, weil „Anna Christie“ im Milieu nicht gefallen hatte. Er war darstellerisch nur von Mittelmaß, konnte auch nicht mehr sein, da die Figuren recht konventionell gehalten waren. Besser schnitt Greta wieder in „Romanze“ ab. Auch hier lag eine Handlung zugrunde, die an einen mondänen Gesellschaftsroman erinnerte, aber die stoffliche Unterlage war dramatisch bewegter, der Vorfall tragischer. Und wenn in „Romanze“ der Sentimentalität auch entgegengekommen wurde, so war doch Greta imstande, aus der Gefühlsseligkeit des Frauencharakters eine Rolle aufzubauen, die ihrem eigenen Wesen von fern entsprach. Auch hatte „Romanze“ den Vorteil des Kostüms. Die Vorgänge waren nicht ganz zeitgemäß, gewannen aber durch die Betonung, daß sie in einer verrauschten Epoche spielten, an Wirksamkeit. Maßgebend war bei der Herstellung des Films wohl der Wunsch gewesen, die Freudigkeit der Zuschauer an der Mode von Vorgestern auszunutzen, zumal Greta in den Kostümen der achtziger Jahre sehr vorteilhaft aussah. Sie hatte hast ausschließlich in modernen Filmen gespielt. Sogar „Anna Karenina“, deren Handlung sich, vom Roman gesehen, ja in den sechziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts ereignet, hatte das Kostüm der Entstehungsjahre des Films getragen. Proben, die Greta in anderen Gewändern als denen des Alltags zeigen, brachten auch die „Wilden Orchideen“, in denen sie javanische Phantasiekleidung trug. Auf das Spiel Gretas waren die Kostüme nicht von Einfluß, denn sie spielte nicht historisch, sondern sie zeichnete ihre Frauen nach den Empfindungen, die die Handlung in ihr löste. – In „Romanze“ war Gavin Gordon, ein junger, nicht weiter zur Entwicklung gelangter Schauspieler, ihr Partner.
     Die nächste Aufgabe sollte ein Experiment sein. Die Bühnenstücke des italienischen Dramatikers Luigi Pirandello waren auch von den amerikanischen Zuschauern mit Interesse verfolgt worden; die Filmfirmen hatten sich daher die Rechte der einzelnen Arbeiten dieses Autors gesichert. Für Greta war das Drama „Wie du mich wünschst“ als Filmstoff bestimmt worden, und die tüchtigsten Dramaturgen hatten den Auftrag erhalten, aus dem komplizierten Stoff einen Film mit stark psychologischem Untergrund zu gestalten. Aber diese Aufgabe war nicht einfach, auch nicht ganz geglückt, wobei die rage nicht erörtert werden soll, ob überhaupt eine Möglichkeit gestand, die Vorgänge, die auf der Bühne spannend erschienen, für den Film und seine völlig anderen Bedürfnisse zurechtrücken zu können. Obgleich der als Spielleiter bewährte George Fitzmaurice Greta und das Spiel betreute, fand der Film, bei dem Greta in Melvyn Douglas einen wenig beweglichen Partner fand, nur eine recht flaue Aufnahme. Da in jener Zeit die platinblonde Schönheit Jean Harlow ganz plötzlich berühmt geworden war, wurde Greta gezwungen, in einigen Szenen ebenfalls platinblond zu erscheinen, war bei ihr allerdings nicht durch Haarfärbung, sondern durch eine Perücke erzielt wurde. Greta war in den letzten Jahren in Hollywood hellblond geworden. Ihre Haartracht hatte sei dem „Kuß“ noch an Einfachheit gewonnen, wenn sie die etwas gelockten Haare auch jetzt länger herabfallen ließ. Die berühmte Garbofrisur der letzten Jahre geht also auf Feyder zurück.
     Die halbe Niederlage, die ihr der Film „Wie du mich wünschst“ eingetragen hatte, wurde durch den nächsten Film wieder ausgelöscht. Denn an der Seite des von den Frauen umschwärmten Clark Gable trat Greta in „Helgas Fall und Aufstieg“ hervor. Hier war wieder eine starke dramatische Handlung zu verzeichnen, die dennoch von einer gewissen Einfachheit der Linienführung beherrscht wurde. Greta hatte Gelegenheit, die Entwicklung eines eigenartigen zarten Frauencharakters miterleben zu lassen und die Wandlungen sichtbar zu machen, die das Liebeserlebnis in diesem Mädchen hervorruft. Die Rolle lag ihr ausgezeichnet, und sie trug sie siegreich durch die abwechslungsreiche Fülle der Vorgänge. Mit Clark Gable kam sie gleich in guten Darstellerkontakt, da dieser ha auch von der Bühne kommende Darsteller den dramatischen Konflikt der Handlung vollauf gewachsen war und die beiden Hauptdarsteller sich gegenseitig zu schönen Leistungen anfeuerten.
     Der große Erfolg, den der starke Stoff von „Helgas Fall und Aufstieg“ errungen hatte, veranlaßte die Herstellerfirma, für Greta einen Reißer schreiben zu lassen. Man fand das Leben der Tänzerin „Mata Hari“ so interessant, daß daraus der neue Garbo-Film geformt wurde. Gewiß wird Greta die Aufgabe mit recht gemischten Gefühlen betrachtet haben, denn wenn sie auch die großen Möglichkeiten der Rolle erkannte, so blieb doch „ein Rest zu tragen peinlich“, eben die starke, mitunter dick aufgetragene Sensation, die zu einer Garbo nicht recht passen wollte. Ihr Partner in diesem Film war Ramon Novarro.


In „Mata Hari“
(mit Ramon Novarro)

Aufnahmen Metro Goldwyn Mayer

     Von den zahllosen Effekten, die in der Rolle der „Mata Hari“ lagen, ließ Greta nicht einen unausgeschöpft. Sie wagte es sogar, in einem Phantasietanz aufzutreten, obgleich sie nie sehr gern getanzt hatte. Aber sie besaß Gestaltungsvermögen genug, um auch diese Auftritte mit Leben und künstlerischem Formgefühl zu erfüllen. Der Film erwies sich als ein namentlich in den angelsächsischen Ländern anwachsender Erfolg. Es spricht für die Zuschauer Bände, daß sie weniger den psychologischen Grundzug der Rolle erfaßten, weniger darauf achteten, wie Greta Garbo einen sonderbaren Charakter zu erklären und eine ungewöhnliche Frau hinzustellen suchte, sondern daß sie den Tanzszenen mit Begeisterung zu klatschten. – Es lag also in der Linie des Erfolges, wenn für Greta wieder ein Stoff gesucht wurde, der ihr Gelegenheit bot, eine Tänzerin spielen zu können. Dieser Stoff wurde in „Menschen im Hotel“ gefunden, wo Greta als russische Ballerina auftrat.

 

  
In der nächsten Nummer
Schluß der Aufsatzreihe
“Greta Garbo“.
  

 

from:   Filmwelt,     1938, Nr. 29
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