Greta Garbo
VIII.
(Schluß)
Wie alle bedeutenden Schauspieler, war auch Greta Garbo nach ihren großen Erfolgen von der Hollywoodproduktion als Star eingesetzt worden. Nicht nur, daß die jeweilige Filmhandlung stets so geführt wurde, daß Greta alle möglichen Stimmungen darzustellen erhielt, ihre besondere Stellung innerhalb der Produktion wurde schon dadurch angedeutet, daß ihre Rolle als gleichwertig keine andere entgegengesetzt war; selbst ihr Partner, der Vertreter der Liebhaberrolle, hatte in vielen Szenen nichts zu tun als das Stichwort zu bringen und dann der Garbo das Spiel zu überlassen. Diese Einschätzung der Garbo bedeutete aber keine Ausnahme, sondern war so alt wie das Starsystem selbst. Nur in Zeiten, in denen es hieß, daß die Zuschauer dieses Systems müde seien, wurde davon abgewichen. Das war z. B. der Fall nach dem ersten Abflauen der Tonfilmneuheit, also in dem Augenblick, als „Menschen im Hotel“ Gedreht wurden. Daher tauchte der Versuch auf, nicht einen Darsteller mit einer Reisenrolle aufmarschieren zu lassen. Es wollte schon etwas heißen, neben Greta Garbo noch Joan Crawford, John und Lionel Barrymore, Wallace Beery, also ein Ensemble der allerteuersten Namen, herauszustellen. Kein Wunder, daß die Zuschauer in Massen in die Kinos liefen, denn eine solche Ansammlung von Stars war eben seit Jahren nicht zu sehen gewesen. Das – an sich wirkungsvolle – Experiment stellte sich so teuer, daß es nur noch einmal in dem Film „Freitag abend um acht“ wiederholt wurde, wo allerdings nicht Greta Garbo, sondern Jean Harlow jene Rolle spielte, die ursprünglich der schwedischen Künstlerin zugedacht war, die sie aber abgelehnt hatte.
Greta Garbo
Aufnahme Metro-Goldwyn-Mayer
Nach diesem Ensemblefilm trat eine kurze Pause ein. Die herstellende Firma wollte ihre berühmten Darsteller nicht durch zu häufigen Einsatz im Wert sinken lassen. Daher hat denn Greta nach „Menschen im Hotel“ in jenem Jahr nur noch einen Film gedreht. Mit diesem System war ihr Gloria Swanson voraufgegangen, und auch Mary Pickford hatte es zuletzt so gehalten, ihre Verehrer auf die eine und einzige Filmleistung in jedem Jahr besonders gespannt zu machen. Der nächste Film mit Greta Garbo war nach dem dramatisierten Roman des bekanten englischen Schriftstellers Somerset Maughan „Der bunte Schleier“ geschrieben worden. Die Handlung erinnerte ein wenig an die „Wilden Orchideen“, wenn sie auch nicht auf Java, sondern in China vor sich ging und Greta als Frau eines Arztes und als Krankenschwester auf die Szene brachte. Greta Garbo hat merkwürdig wenig junge Mädchen gespielt. Bereits in ihren ersten Hollywood-Filmen war sie die junge Frau, zumeist eine nicht ganz glücklich verheiratete Frau, woraus sich bereits eine vorgezeichnete Problemstellung ergab. Diese etwas sentimentale, jedoch nicht ausgesprochen melodramatische Neigung wehte auch durch den „Bunten Schleier“, der in reichem Maße die stofflichen Elemente enthielt, um Gretas Gestalt in mysteriösem Licht erscheinen zu lassen. Ihre Partner waren diesmal Herbert Marshall und George Brent. Nach der darstellerischen Seite bedeutete dieser Film keine Entwicklung für die Garbo. Man wollte – und das vielleicht nicht mit Unrecht – in ihrem Spiel einige Müdigkeit entdecken, ein gewisses Flackern des Gefühls.
Bald nach der Uraufführung des Films trat Greta die zweite Urlaubsreise an. Sie hatte gewiß keine andere Absicht damit verbunden, als nach abermals mehrjähriger Abwesenheit ihre Angehörigen wiederzusehen. Es war lediglich ein Zufall, daß ihre Reise mit einer Weltsensation zusammentraf, in die Greta nunmehr von den Gerüchtemachern hineingezogen wurde. Ihr Landsmann Ivar Kreuger, der „Zündholzkönig“, einer der skrupellosesten Spekulanten der letzten Jahrzehnte, war unter geheimnisvollen Umständen aus dem Leben geschieden und hatte damit das Gebäude seiner in die Milliarden gehenden betrügerischen Transaktionen ins Wanken gebracht. Greta Garbo, so hieß es nunmehr, habe alle ihre Ersparnisse durch den Zusammenbruch Kreugers verloren. Die Gerüchte behaupteten, auch genau den Weg zu wissen, den die Spargelder genommen hatten, nämlich über den Vater von Nils Asther, der eine kleine Zündholzfabrik in Göteborg besaß. Aber das waren eben Gerüchte. Zum Verständnis dieser Finanzgeschichten muß hinzugefügt werden, daß die amerikanische Öffentlichkeit über Geldprobleme anders als wir denkt. Wenn es bei uns geradezu unmöglich ist, einen Menschen nach dem Verbleib seines Geldes zu fragen, gehört in Amerika das Ausplaudern finanzieller Erfolge zum Alltagsgespräch. Schauspieler, die kräftig sparen und die es durch die Zeitungen verkünden lassen, in welcher Weise sie die Dollars anlegen, gelten als kluge und geschickte Leute, die sich der Zuschauer merken muß; denn wer viel verdient, muß nach der Meinung der Leute in USA auch tüchtig wertvoll sin. – Greta nahm wie stets keine Notiz von dem Geschwätz, sondern widmete sich ihrer Familie.
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Da Greta natürlich an ihrem schwedischen Heimatland sehr viel Gefallen fand, so dehnte sich ihr Urlaub, der nicht befristet gewesen war, länger aus, als die ersten Ankündigungen von ihrer Reise ausgesagt hatte. Die Folge war, daß Gerüchte zu melden wußten, sie werde nie mehr nach Hollywood gehen, sondern in Schweden filmen und ihr Geld in eine Produktion stecken. Das Gerücht, Greta werden sich vom Film zurückziehen, ist seitdem in jedem Jahr aufgetaucht, und jeder der Filme der Garbo wurde als ihr letzter bezeichnet. Auch hieran ist Greta unschuldig, denn sie ist keine Diva wie die verstorbene Sopranistin Adelina Patti, die auf einen „letzten“ Konzertabend stets einen „allerletzten“ folgen ließ ... und das zwanzig Jahre lang.
Eines Tages aber fuhr Greta doch wieder aus Stockholm ab, und sie trug schon den Plan zu dem neuen Film mit sich, der in Hollywood gleich in Angriff genommen wurde: „Königin Christine.“ – Die Frage nach einer befriedigenden Rolle war im Laufe der Zeit immer schwerer zu beantworten gewesen, denn so ziemlich alle hochdramatischen Motive waren in den verschiedenen Garbo-Filmen behandelt worden; und die Auswahl der historischen Gestalten, die für Greta geeignet waren, engsten sich dadurch ein, daß andere Produzenten flinker gewesen waren und populäre Frauengestalten der Geschichte für ihre Hauptdarstellerinnen hatten zurecht machen lassen. Die eigenartige Königin Christine, die Tochter Gustav Adolfs, war gewiß eine Persönlichkeit, die eine Künstlerin wie Greta zur Verkörperung lochen konnte. Freilich war Christine als Gesamterscheinung zu problematisch, um biographisch auf der Leinwand zu erstehen, sie war ja auch körperlich von der Garbo recht verschieden, denn die Porträts zeigen eine untersetzte dicke Frau.
Daher wurde in Hollywood nach dem bewährten Rezept verfahren, die Königin in eine Liebesgeschichte zu verwickeln, die nach dem gleichen Prinzip mit allen Mitteln des szenischen Einfalls einem befriedigenden Ausklang entgegengeführt wurde. Greta Garbo spielte den Konflikt, in den die Königin gerät, äußerst fein. Sie war das liebende Weib, aber doch auch jeder Zoll eine Königin, die sich bewußt ist, eine Aufgabe erfüllen zu müssen. Die einzelnen Episoden des Films, die natürlich frei erfunden sind, beweisen die Hand eines geschickten Dramaturgen, der mit vornehmen Mitteln arbeitet. In Schweden hat man es Greta verdacht, daß sie nicht die wahre Lebensgeschichte der Königin Christine verfilmen ließ, und der Film sollte anfangs überhaupt nicht in Schweden vorgeführt werden. Die ablehnenden Urteilen gehen aber von einem falschen Standpunkt aus, denn alle großen Dramatiker sind mit der Geschichte nach Gutdünken umgesprungen. Shakespeares „Cleopatra“ ist eine ganz andere Erscheinung als die historische Königin, und Goethe hat aus dem historischen Egmont, der ein vielfacher Familienvater war, einen jugendlichen Liebhaber gemacht. Wenn die Bühne, um den tieferen Gesetzen der Dramatik zu gehorchen, mit der Geschichte spielen dar, so hat der Film das gleiche Recht, und es ist abwegig, von der Leinwand die genaue Reihenfolge einer wissenschaftlichen Biographie zu verlangen. Der Film „Königin Christine“ war darstellerisch eine Meisterleistung der Garbo. Sie hatte es durchgesetzt, daß die Liebhaberrolle mit John Gilbert besetzt wurde. Der Wunsch war nicht unwidersprochen geblieben, denn Gilbert war in die Jahre gekommen und von einer anderen Liebhabergeneration abgelöst worden. Aber der Erfolg gab Greta recht, denn gerade der Umstand, daß der Liebhaber dieses Filmes kein Jüngling, sondern ein Mann war, gab den Ereignissen eine besondere Atmosphäre. Gilbert wuchs zudem im Zusammenspiel mit der Garbo weit über seine letzten Filme hinaus. Diese Leistung hat übrigens nicht verhindert, daß Gilbert danach wieder in Vergessenheit geriet. Die Zeit war über ihn hinweggeschritten. Daß der getreue Lewis Stone in „Königin Christine“ Nicht fehlen durfte, war für Greta selbstverständlich, er hat auch den Kanzler mit der ihm eigenen Noblesse gespielt.
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