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Greta Garbo


In dem Stummfilm
“Anna Karenina”

Aufnahme Metro-Goldwyn-Mayer

VI.
Garbo – Gilbert – Anna Karenina,
der erste Garbo Welterfolg – Ver-
tragsbruch – „Herrin der Liebe“
bis „Das göttliche Weib“

Das Wort „Hollywoods Filmkolonie“ hat zu der Meinung geführt, als seien die Künstler dort eine große Familie. Nichts ist falscher als diese Ansicht, denn die meisten kennen sich gar nicht, und nur einige, die sehr stark an Vergnügungen interessiert sind, haben ihre Treffpunkte in einigen Hotelhallen oder in Restaurants, in denen es aber recht wenig angeregt herzugehen pflegt. So war Greta Garbo dem Schauspieler John Gilbert, der als Stern erster Güte leuchtete, noch nie begegnet, sie hatte nur von ihm und seinen Streichen gehört. Gilbert durfte sich damals in Hollywood Dinge herausnehmen, die weniger populär Darsteller unmöglich gemacht hätten. So war er kurz vor Beginn der Arbeit zu „Es war“ eines Abends mit seinem Auto am Flughafen von Los Angeles vorbeigekommen und, da er ein wenig tief in das Whiskyglas gesehen hatte, kurz entschlossen auf eines der Flugzeuge zugeschritten, hatte sich hineingesetzt, den Steuerknüppel ergriffen und dann erlebt, daß sich das Flugzeug vom Boden löste und mit ihm davonschwebte. Gilbert war in der Flugzeugführung nicht erfahren, hatte aber in seinem Vertrag die Klausel stehen, kein Flugzeug führen zu dürfen, ein Passus, der heute nicht mehr unterzeichnet wird. Da es das Schicksal mit den Leichtsinnigen mitunter gut meint, so landete Gilbert eine Viertelstunde später ohne Bruch am Stande von Palm Beach, wurde erkannt und von den weiblichen Badegästen stürmisch begrüßt. Das war in dem Augenblick, als auf dem Flugplatz das Verschwinden des Apparates bemerkt worden war und der Telegraph die Nachricht von dem Diebstahl des Flugzeugs in alle Winde funkte. Gilberts Ansehen wuchs danach noch weiter, Amerika lachte über den Streich.
     In diesem stets lustigen John Gilbert lernte Greta einen ausgezeichneten Kameraden kennen, der ihr die Arbeit n jeder Beziehung erleichterte. Hatte sie bis dahin den Eindruck gehabt, als sei die Mehrzahl der amerikanischen Schauspieler nur darum besorgt, um möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen, so lernte sie in Gilbert den Typ des Bohemien kennen, jenen Künstler, der unbekümmert aus dem Vollen schafft und der das Theaterspiel – und Gilbert war vor seiner Filmtätigkeit an der Sprechbühne gewesen – mit Leidenschaft ausübte. Er kam Greta mit wahrer Herzlichkeit entgegen, denn er war Schauspieler genug, um sofort zu spüren, daß ihm in Greta eine Künstlerin von seltener Begabung entgegentrat. Gilbert besaß auch die schöne und seltene Eigenschaft, nicht neidisch zu sein, denn Gretas Rolle wurde, wie das in den Zeiten des stummen Films häufig geschah, während der Dreharbeit noch vergrößert, eben weil sie mit einer Ausdruckskraft spielte, die man von ihr nicht erwartet hatte. Mit der Rolle war sie nicht ganz einverstanden, weil sie den Frauencharakter etwas zu oberflächlich gezeichnet fand, doch war sie bemüht, diesen Mangel nach Möglichkeit durch ihr Spiel auszugleichen.
     Der Film „Es war“ wurde sehr rasch in das Programm gesetzt und errang einen auffallenden Erfolg. Greta setzte sich beim amerikanischen Publikum völlig durch, und es kamen – das erste Zeichen der Popularität – massenhaft Briefe, in denen sie um ihr Bild und um Autogramme gebeten wurde. Aber Greta hatte keine Lust, diesen Bitten zu willfahren. Sie konnte die Briefe auch nur zum Teil lesen, da ihr Englisch immer noch einige Lücken aufwies. Am riet ihr, sich eine Sekretärin zuzulegen, aber sie lehnte ab, wie sie auch nicht willens war, ihren Namenszug an fremde Leute zu verschenken. Die Propagandaleute schüttelten den Kopf über die komplizierte Schwedin, die nicht begreifen wollte, daß sie die kleinen Unbequemlichkeiten, die der Ruhm mit sich bringt, eben auf sich nehmen müßte. Aber ihre Weigerung wurde gleich zu einer Reklame benutzt, denn ein Filmstar, der keine Autogramme gab, war eine Seltenheit, die notwendig der Öffentlichkeit unterbreitet werden mußte. Die Garbo ist dabei geblieben, keine Autogramme zu geben. – Gretas Wunsch, nur als Schauspielerin geschätzt zu werden, wurde mit dem Schleier des Seltsamen umwoben. Da n Hollywood jeder Star mit einem besonderen Stempel versehen wird, erhielt Greta ohne ihr Zutun die Bezeichnung „Die Geheimnisvolle“, obgleich nichts an ihr geheimnisvoll war und ihr Leben, das in einfachen Formen verlief, offen vor aller Welt dalag.

 

  
„Herrin der Liebe“
Mit John Gilbert u. mit Lewis Stone


Marion Davis, bei deren großem
Gesellschaftsabend Greta Garbo
in Jumper und Sportschuhen erschien

Nita Naldi, der Typ des dunklen
'Vamp', den Greta Garbo als
blonder Vamp ablösen sollte.

 

     Greta war in dieser Zeit recht einsam. Stiller war bei einer anderen Gesellschaft als Spielleiter beschäftigt und hatte gerade damit zu tun, einen Film mit Pola Negri zu inszenieren. Er war damals nach Hollywood gezogen, um nahe dem Atelier zu wohnen und alle Zeit auf die Arbeit verwenden zu können. Greta hatte also niemand, dem sie sich anvertrauen konnte, als sie ihre neue Rolle in dem Film „Frauen lieben Diamanten“ zugesandt erhielt.
     Der Erfolg in „Es war“ hatte Greta, ohne daß sie es wußte auf ein Rollengebiet gewiesen, das eben in Hollywood vereinsamt war, nämlich das des „Vamp“. Sie war in „Es war“ die schöne Verführerin gewesen – und sie sollte es nach Meinung der dramaturgischen Abteilung ihrer Firma auch fernerhin sein. In der neuen Rolle war der Frauentyp, auf den Greta festgelegt werden sollte, noch stärker betont, die Handlung war ein kalter Reißer, der freilich alle filmischen Möglichkeiten offen ließ. Greta war empört darüber, daß sie so niedrig eingeschätzt wurde, und sandte die Rolle zurück.
     In den Büros ihrer Firma verstand man diesen Schritt nicht; man war erstaut über diese sonderbare Schwedin. Da bot man ihr eine Chance, sich in ganz kurzer Zeit einen Namen zu machen – einen Namen, wie er noch nie da war, denn Greta war der erste blonde Vamp, der bisher aus Hollywood hervorgegangen. Bis dahin waren alle Vamps schwarz gewesen, aber die dunklen Vamps waren etwas in Misskredit geraten, und ein Platz, den bisher Nita Naldi, Hollywoods berühmtester Dämon, ausgefüllt hatte, war nicht besetzt worden. Nun bot sich der Schwedin Gelegenheit, diese Stelle anzutreten – und sie lehnte ab. Die Filmleute konnten nichts anderes, als den Kopf schütteln. Man versuchte es mit Überredung, aber Greta blieb fest. Sie wollte nicht als Vamp abgestempelt werden, sondern sie verlangte Aufgaben, die ihr Künstlertum in seinem ganzen Umfang zeigte.
     Außerdem hatte Greta längst eingesehen, daß sie eigentlich sehr schlecht bezahlt wurde, denn ihre Gage betrug weniger als die einer Episodistin. In „Es war“ hatten Episodistinnen mitgewirkt, die am Tage mehr Gage erhielten als Greta in der Woche. Diese Zurücksetzung kränkte sie ebenfalls, und so war sie entschlossen, nicht nachzugeben.
     Es gab plötzlich einen „Fall Garbo“, wie er bisher in Hollywood nicht dagewesen war. Greta erhielt einen Brief von ihrer Firma, worin ihr mitgeteilt wurde, daß ihre Weigerung, die vorgeschlagene Rolle zu spielen, Kontraktbruch wäre und die Firma die Anweisung gegeben habe, den Wochenscheck einstweilen nicht mehr auszuzahlen. – So begann ein Kampf, der sich über sieben Monate hinzog.
     Da Greta sehr bescheiden gelebt hatte, war sie im Besitz einiger Geldmittel. Und da sie sich noch weiter einschränkte, so verfing dieses Mittel nicht. Greta rechnete im Augenblick auch nicht damit, den Vertrag erneuern zu können, sie rechnete mit einer Beschäftigung von anderer Seite. Aber sie erfuhr sehr schnell, was es im „Lande der Freiheit“ heißt, allein zu stehen. Sie lernte kennen, wie solidarisch sich alle die großen Filmfirmen, die sonst einen heftigen Konkurrenzkampf gegeneinander führten, plötzlich fühlten, sobald es einen Schauspieler gelüstete, den Wünschen der Dramaturgen nicht entgegenzukommen. Aber auch den leitenden Köpfen der M-G-M war dieser Zustand nicht ganz angenehm. Sie wußten viel zu gut, welcher Wert in Greta Garbo steckte. Nicht umsonst war mit dieser Schauspielerin eine kostspielige Propaganda gemacht worden, die nun Früchte tragen sollte. Wer hätte gedacht, daß dieses bescheiden auftretende junge Mädchen so halsstarrig sein könnte. Und wie halsstarrig! – In noch größerem Maße als vordem wurde Greta der Mittelpunkt von allerlei Gerüchten. In der ersten Zeit war Greta von vielen Filmleuten wegen ihrer Energie bewundert worden, aber als sich der Konflikt hinzog, wurde sie von allen gemieden. Eine lokale Organisation der von der Tagesbeschäftigung lebenden kleineren und mittleren Schauspieler benutzte den Fall Garbo als Vorwand, um bei der Bundesregierung in Washington ein Verbot der Beschäftigung ausländischer Schauspieler im amerikanischen Film zu erreichen. Es kam sogar zu einer erregten Kongresssitzung, worin die Unbotmäßigkeit dieser Darstellerin als typisch europäisch und hindernd für das amerikanische Filmgeschäft hingestellt wurde. Der Antrag wurde abgelehnt, aber daß er überhaupt gestellt werden konnte, ist ein Beweis dafür, welches Aufsehen Gretas Weigerung erregt hatte. Lichtblicke in dieser Zeit waren für Greta Garbo die liebenswürdigen Briefe, die ihr John Gilbert schrieb, der ihr auch Blumen und Früchte, sogar einmal Kaviar sandte, der im Flugzeug von New York gekommen war. Gilberts Beliebtheit bei den Zuschauern war eben so groß, daß er sich diese Haltung leisten konnte, obgleich seine Firma nicht damit einverstanden war. Aber Gilbert fragte nicht danach, denn er wußte, daß alle seine Filme die größten Einnahmen brachten. Natürlich blieb es nicht verschwiegen, daß er für Greta allerlei Aufmerksamkeiten übrig hatte. So entstand schnell das Gerücht, die beiden wären heimlich verlobt und würden bald heiraten, sobald Greta – geschieden wäre. Denn besonders Schlaue wußten zu erzählen, Greta wäre mit Stiller in Mexiko getraut worden, habe sich aber von ihm getrennt, da ihr Gilbert besser gefalle. Das waren nur einige der tollen Gerüchte, die eifrig auch heute noch um Greta Garbo schwirren. Gilbert lachte, als er davon hörte, denn er war es gewohnt, daß er mit allen möglichen Frauen als verlobt hingestellt wurde. Greta schwieg dazu, weil sie ein Heraustreten aus ihrer Isoliertheit nicht für angebracht hielt. Böser war schon das Gerücht, Gretas Firma habe gedroht, sie als Ausländerin ausweisen zu lassen.

 


In „Das göttliche Weib“
als Schauspielerin in der Garderobe

„Das Göttliche Weib“
(mit Lars Hanson)

 

     Was an diesem Gerücht Wahres ist, soll dahingestellt sein. Tatsache war, daß Greta Garbo mit einem Aufenthaltsschein nach Amerika gegangen war, der nur für sechs Monate galt. Alle europäischen Künstler, die sich Hollywood hatte herüberkommen lassen, waren mit einem derartigen Schein in das Land gekommen; die mächtigen Filmfirmen hatten die Angelegenheit unter der Hand geregelt oder Einwanderungsscheine für die Künstler gekauft. Greta aber besaß nichts als den schon lange abgelaufenen Schein, und sie wußte auch, daß die Einwanderungsbehörde keinen Spaß verstand und eine Ausweisung durchaus im Bereich der Möglichkeit lag.
     In Hollywood geht das Wort: „Was fragst du mich, frag Menjou!“ Denn Adolf Menjou weiß alles, aber auch alles eher als die anderen Schauspieler. So konnte denn der scharmante Menjou eines Abends in dem Künstlerrestaurant „Henrys“ folgende Geschichte erzählen: Eine Direktionsmitglieder hatten in einem Hotel in Santa Monica gespeist, durch einen Boten einen Blumenstrauß an Greta gesandt und sie zu einer Unterredung in das Hotel gebeten. Greta war auch erschienen, aber sie hatte allen Vorschlägen sehr kühl gegenübergestanden, bis einer der Herren etwas ärgerlich sagte: „Wissen Sie auch, Miß Garbo, daß Sie sich ohne Erlaubnis in Amerika aufhalten? Die Tatsache ist bereits der Behörde zu Ohren gekommen.“ Greta soll sehr blaß geworden sein. Aber sie faßte sich schnell und sagte: „Sehen Sie den Strandwächter dort?“ und dabei deutete sie auf einen Mann, der vom Hotelfenster zu sehen war. Auf die verblüfften Gesichter der Direktoren fügte sie dann hinzu: „In Kalifornien geht eine Heirat in zwölf Stunden zu erledigen. Ich werde den Mann nachher fragen, ob er mich heiraten will, dann bin ich die Frau eines amerikanischen Bürgers und kann nicht mehr ausgewiesen werden“. Worauf einer der Direktoren einem anderen zuflüsterte: „Lassen Sie dem Mann sofort zwanzig Dollar geben damit er verschwindet. Diese Garbo ist so verrückt und heiratet ihn!“


Anna Karenina (der Stummfilm)
mit John Gilbert

Aufnahmen Metro-Goldwyn-Mayer

     Diese Anekdote, die schnell die Runde in Hollywood machte, erwarb Greta neue Sympathien. Es erschienen Aufsätze über sie in den Zeitungen, und bei ihrer Filmfirma liefen zahlreiche Brief von Filmfreunden ein, die schöne Schwedin wieder zu beschäftigen. Die Stimmung war also gut vorbereitet, als John Gilbert seinen Rechtsanwalt zu Greta sandte und sie in einem Brief bat, die Vorschläge des Mr. Edington genau anzuhören. Der Rechtsanwalt schlug Greta vor, sich an den Vertrag nicht mehr gebunden zu fühlen sondern mit ihm einen Vertrag abzuschließen, worin er ihr eine Wochengage von 2500 Dollar und außerdem freie Wahl der Rollen zusicherte. Greta schlug ein, denn Mr. Edington hatte ihr zugesagt, daß er die weiteren Verhandlungen mit der Filmfirma führen werde. Mr. Edington galt als einer der geschicktesten Anwälte Kaliforniens, und er erreichte es auch bald, daß Greta von der M-G-M einen sehr liebenswürdigen Brief erhielt, die Differenz sei beigelegt, sie möchte nur wieder in das Atelier kommen. Wenn sie eine Rolle vorzuschlagen habe, werde man mit Vergnügen davon Kenntnis nehmen.
     Greta hatte in den vergangenen Monaten sehr viel gelesen, darunter auch den Roman „Anna Karenina“ von Tolstoi, der einen tiefen Eindruck auf sie gemacht hatte. Als sie die Verfilmung dieses vorschlug, ging die Direktion sofort darauf ein, denn Tolstoi ist auch in Amerika ein berühmter Name. Aber es stellte sich doch rasch heraus, daß es nicht leicht war, aus dem umfangreichen Roman ein Drehbuch zu schaffen, jedenfalls dauerte diese Arbeit länger, als die Metro und Greta warten wollten. Denn auch sie wollte so rasch als möglich wieder vor der Kamera stehen. o einige man sich auf den Film „Die Herrin der Liebe“.
     Der Stoff stellte ein Entgegenkommen von beiden Seiten dar; Greta war nicht völlig von ihm überzeugt, aber sie fang genug Eigenartiges darin, um eine Rolle in ihrem Sinne aufbauen zu können. Der Film wurde ein großer Erfolg. Die Zuschauer bereiteten der zurückgekehrten Greta einen herzlichen Empfang; der Name des Films wurde zu einem Schlagwort für die schwedische Künstlerin.

 


Abdruck der Handfläche der Greta Garbo Im Jahre 1924
als in Berlin chiromantische Künste im Schwange waren,
ließ auch Greta Garbo bei den Aufnahmen zu „Die freudlose
Gasse“ von einer Chiromantin ihren Handabdruck nehmen.
Die Unterschrift, die sie auf das Blatt neben dem Abdruck
setzte, ist zwar kein Autogramm, aber er echte Namenszug
der Greta Garbo
Filmweltarchiv

Greta Garbo,
Aufnahme in ihren
ersten Hollywoodjahren
Filmweltarchiv

 

     Danach wurde ihr eine Aufgabe gestellt, die sie besonders freute. Sie erhielt in dem Film „Das göttliche Weib“ die Hauptrolle und als Partner den inzwischen in Amerika engagierten Lars Hanson, während Victor Sjöström die Spielleitung innehatte. Greta konnte zur Abwechslung wieder einmal ein einfaches Mädchen, also sich selber,, spielen. Sie fand sehr viel Anregung bei ihren Landsleuten Hanson und Sjöström, und so erreichte sie in diesem Film eine Höhe der Darstellungskunst, die noch keiner ihrer amerikanischen Filme gezeigt hatte. Einen gewissen Schmerz empfand sie darüber, daß Stiller eines Tages ziemlich klanglos aus Hollywood verschwand. Er hatte drei Filme bei der Paramount gedreht u damit auch rechten Erfolg gehabt, aber er fand in Amerika doch nicht jenen Widerhall, an den er gewohnt war, und so zog er es vor, nach Schweden zurückzugehen. Greta hatte ihn als ihren Lehrmeister betrachtet und war ihm bis zuletzt dankbar gewesen, wenn ihre Wege auch schließlich auseinandergegangen waren.
     Schließlich wurde das Drehbuch zu „Anna Karenina“ fertig und Greta bat, ihr John Gilbert als Partner zu geben. Das war ein Zeichen der Dankbarkeit, denn John Gilbert hatte mit einigen anderen Filmen, die auf sehr törichten Drehbüchern aufgebaut gewesen waren, Schiffbruch erlitten und die Wankelmütigkeit des Publikums kennengelernt. Mit einem Eifer, den sie bisher nicht gezeigt hatte, betrieb Greta die Aufnahme zu „Anna Karenina“, w sie zum erstenmal das Drehbuch bis in die letzten Einzelheiten mit dem Spielleiter besprochen und auch bei der Wahl sämtlicher Darsteller entscheidend mitgewirkt hatte. Die Aufnahmen wurden mit der größten Sorgfalt gestellt, und noch nie waren zu einem Film soviel ermüdende Proben notwendig gewesen wie zu diesem. Da eine bedeutende Summe für die Herstellung ausgeworfen worden war, konnte ein glänzender architektonischer Rahmen um das Spiel gelegt werden. In den letzten Wochen der Dreharbeit wurde Greta krank; sie hatte sich bis zur Erschöpfung ausgegeben. Aber der Wille, ein Kunstwerk vollenden zu müssen, ließ sie über ihren angegriffenen Gesundheitszustand hinwegsehen. Sie erlitt bei einer besonders schwierigen Szenen einen Ohnmachtsanfall, aber sie war am nächsten Tag wieder im Atelier, um keine Pause in ihrem Schaffen eintreten zu lassen. Ihre gesteigerte Reizbarkeit führte allerdings dazu, daß sie nur arbeiten konnte, wenn kein Fremder in ihrer Nähe war. Nur die Darsteller, die wirklich in der Szene zu tun hatten, durften dem Entstehen ihrer Gefühle zuschauen. So war einer der Direktoren erstaunt, als er sich nach dem Stand der Arbeit erkundigen wollte, zu hören, Miß Garbo ließe ihn bitten, während ihres Spiels nicht in der Dekoration zu bleiben, da sie sich sonst nicht konzentrieren könne.
     „Anna Karenina“ brachte der Garbo de Welterfolg. Allein ihr war es zu verdanken, daß Tolstois schwieriger Frauencharakter in der überlegen künstlerischen Art zur Darstellung kam. Aber auch John Gilbert erhielt durch die Partnerschaft der Garbo eine darstellerische Reife, die er bisher nicht gehabt hatte. „Anna Karenina“ machte die Welt auf Greta aufmerksam, und in der Folge kamen in vielen Ländern erst jetzt die bisher fertiggestellten Garbofilme heraus, die durch den Welterfolg einen neuen Auftrieb erhielten. Greta selbst war nach der Fertigstellung des Films so erschöpft, daß sie einen Erholungsurlaub von mehreren Wochen antrat, den sie unerkannt in einem kleinen Seebade verlebte. Sie hatte sich unter dem Namen Karin Lund eingemietet.
     In dieser Zeit war es auch, daß Greta Garbo in der Schwedenkolonie Hollywoods mit verschiedenen deutschen Filmschaffenden zusammengetroffen war. Diese Bekanntschaft war für Greta von Wert. Wenn sie als ein völlig unbekanntes Wesen in Hollywood eingetroffen war, so erschien Jannings daselbst umstrahlt vom Ruhm eines in aller Welt berühmten Filmkünstlers. Vor allen Dingen war es der Humor von Jannings, der auf Greta erfrischend wirkte, denn so gern sie auch mit den skandinavischen Landsleuten zusammen war, es war keiner darunter, der über besonderen Humor verfügte. Auch fand Greta in der Gattin von Jannings, der unter dem Namen Gussi Holl bekannt gewesenen Schauspielerin, eine Freundin, der sie sich anvertrauen konnte. Mit der Tochter schloß sie Freundschaft, zumal das junge Mädchen wie sie eine Freundin von Fußwanderungen war und die beiden nicht selten halbe Tage die Umgegend durchstreiften. Bisher hatte Greta keine Wanderkameradin gefunden, denn in Hollywood fährt man alles im Auto. Mit der Familie Jannings unternahm Greta auch oftmals Badepartien, ja, sie ließ sich sogar überreden, an einigen Gesellschaftsabenden teilzunehmen, denen sie im allgemeinen kein Interesse entgegenbrachte. Hatte sie doch mehr als Verwunderung erregt, als sie auf einer der eleganten Partys, welche die Filmschauspielerin Marion Davis zu geben pflegt, in einfacher Sportskleidung mit einem gestrickten Jumper erschien, während alles um sie in großer Abendtoilette war und die Damen von Juwelen und Perlen funkelten. Greta war dann einfach solchen Einladungen nicht mehr gefolgt.

   
„Der Krieg im Dunkel“ (mit Conrad Nagel)
Aufnahme Metro-Goldwyn-Mayer

     Nachdem sie sich wieder frisch fühlte, nahm sie den Film „Der Krieg im Dunkeln“ in Angriff, worin sie Conrad Nagel, den beliebten deutsch-amerikanischen Schauspieler, zum Partner hatte. Der Film war spannen gemacht, bedeutete künstlerisch aber keinen Fortschritt.
     Inzwischen waren vier Jahre seit ihrer Ankunft in Hollywood verstrichen. Sie hatte sich künstlerisch durchgesetzt, und so schien es Greta an der Zeit, einen längeren Urlaub in die Heimat anzutreten.

*

  
Nächste Fortsetzung:
Greta in Schweden – Ihre Rückkehr nach
Hollywood – Die letzten Stummfilme – Greta
setzt sich im Tonfilm durch.
  

 

from:   Filmwelt,     1938, Nr. 28
© Copyright by   Filmwelt

 

 

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