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Greta Garbo

III.
Greta Garbo als „Badegirl“ – Greta wird Schau-
spielschülerin – ihr Auftreten auf der Sprech-
bühne – die entscheidende Probeaufnahme

Das Mädchen war schlank und gut gewachsen, über den Durchschnitt groß und zeigte ein hübsches lebendiges Gesicht, auf dem sich die Eindrücke, die der Schuhladen hervorrief, lebhaft spiegelten. Her Petschler war entzückt von seiner Nachbarin und faßte sofort den Gedanken, ihr eine Rolle in seinem nächsten Film anzubieten. Aber er mußte sie wohl etwas sehr eindringlich gemustert haben, denn sie, die bisher nur Augen für die Schuhe gehabt hatte, streifte ihn mit flüchtigem Blick, warf den Kopf abweisend zurück und ging mit raschen Schritten davon. Herr Petschler, den seine Pläne mit Eifer erfüllten, folgte dem Mädchen nicht minder schnell aber andere Fußgänger kamen dazwischen, und schließlich sah er nur, wie die Schöne in dem bekannten Warenhaus durch eine der Drehtüren verschwand.
     Erik E. Petschler hatte in den nächsten Wochen genug zu tun, um einen neuen Geldgeber für seinen Film zu finden, und als es ihm endlich gelungen war, machte er sich mit zwei seiner Darstellerinnen auf, um in dem Warenhaus P. U. B. die nötigen Kostüme und sonstigen Ausstattungsstücke zu kaufen. Die Schauspielerinnen wollten aber die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen und dem Hutlager einen Besuch abstatten, obgleich sie nicht gerade sehr ernste Kaufabsichten hegten. – Da erlebte denn Herr Petschler die Überraschung, in einer der Hutverkäuferinnen jenes Mädchen wiederzufinden, das neulich vor ihm die Flucht ergriffen hatte. Als er nun den Beruf der jungen Schönheit kennen lernte, dachte er sehr viel kühler über ihre filmische Verwendbarkeit, und so ließ er seine beiden Schauspielerinnen am Hutlager allein, um so mehr er aus Erfahrung wußte, daß er zu jenen Männern gehörte, die nicht die Geduld aufbringen, um das Ende einer Hutprobe abzuwarten. – Greta war hingegen äußerst interessiert an der Bedienung der beiden Damen. Sie erfuhr denn auch ohne Schwierigkeit, was sie wissen wollte, nämlich, daß Herr Petschler Filmregisseur war und eine neue Arbeit in Vorbereitung hatte. Mit besonderem Interesse aber vernahm sie die Nachricht, daß noch nicht alle Rollen des Films besetzt wären, ja, daß der Spielleiter och nach einer geeigneten jungen Künstlerin suchte. Ein dunkel verspürtes Gefühl sagte Greta, daß gerade sie diese junge Künstlerin wäre, nach der Herr Petschler Aussuche hielt. Die Lockung, der inneren Stimme zu folgen, war so stark, daß Greta für den nächsten Vormittag um Urlaub bat und Herrn Petschler in seinem Büro aufsuchte.
     Filmregisseure hatten auch schon damals unter dem Ansturm von Schwärmern beiderlei Geschlechts zu leiden, die glaubten, unentdeckte Talente zu sein, und sich berufen fühlten, durch den Film zu Ruhm und Ehre aufsteigen zu können. Die Filmgagen wurden eben zu allen Zeiten bedeutend überschätzt. Die Spielleiter waren daher nicht ohne weiteres zu sprechen oder gar willens, die Talente Unbekannter zu prüfen. Wenn es Greta gelang, sofort zu Herrn Petschler vorzudringen, so nur deshalb, weil er in seinem Büro im Augenblick die einzige Persönlichkeit war und auf das Klingelzeichen selbst die Tür öffnete.
     Petschler war überrascht, die junge Verkäuferin vor sich zu sehen, aber auf der anderen Seite war er auch nicht überrascht, denn auch an ihn hatten sich schon viele junge Mädchen gewandt, um in seinen Filmen mitwirken zu dürfen. Er erriet sofort Gretas Wünsche ließ sie eintreten, bat sie, am Fenster Platz zu nehmen, damit er sie in gutem Licht beobachten könne. Greta erzählte von ihrer Arbeit bei Hauptmann Ring, und dieses Geständnis veranlaßte Herrn Petschler, etwas mehr aus sich herauszugehen, obgleich er sich nicht entsann, Greta in einem der Ring-Filme gesehen zu haben. Er reichte ihr eine Zigarette. Es war Gretas erste Zigarette, und sie schmeckte ihr abscheulich, aber sie sagte sich, daß eine Schauspielerin eben rauchen müsse, und fand sich tapfer damit ab. Dann ließ Petschler, der vordem Schauspieler gewesen war, sie ein Gedicht aufsagen und teilte ihr schließlich mit, daß sie engagiert sei. „Wird Ihre Firma aber auch damit einverstanden sein? Die Aufnahmen werden ungefähr drei Wochen dauern“, fragte er noch.
     Greta antwortete: „Ich kann mit die Zeit von meinem Urlaub abziehen lassen oder auf mein Gehalt verzichten, aber spielen werde ich auf alle Fälle.“


Greta Garbo
Filmweltarchiv

     Das Warenhaus sagte „Nein“! Der Personalchef verlangte sogar, Greta solle die Neigung zur Schauspielkunst unterdrücken und völlig in ihrem Beruf als Verkäuferin aufgehen. Nicht einmal in ihrer freien Zeit sollte sie zukünftig im Film spielen dürfen.
     Nunmehr mußte bei Greta die Entscheidung fallen. Die Gage bei Petschler war klein, er konnte ihr einen weiteren Film einstweilen nicht in Aussicht stellen, aber sie fühlte, daß sie auf dem nun als richtig erkannten Wege bleiben mußte, daß alle Kraft an den Gedanken zu setzen war, die dramatische Karriere weiter zu verfolgen. Der Entschluß fiel ihr sehr schwer, namentlich in Rücksicht auf ihre Familie, die mit dem Warenhauseinkommen rechnete. Aber der Schritt wurde ihr erleichtert durch das rührende Entgegenkommen ihrer Mutter, die ihr schlicht sagte: „Ich glaube, es wird das beste sein, wenn du zur Bühne gehst. Wir wollen hoffen, daß deine Wünsche in Erfüllung gehen.“

 


Greta Garbo (das Badegirl rechts)
in ihrem ersten Film „Peter, der
Vagabund“


Einzelaufnahme aus
dem gleichen Film
Filmweltarchiv


Greta Garbo (rechts). Hinter ihr, der
Regisseur Erik E. Petschler, der den
Badefilm inszenierte
Aufnahme Paula Wehr

 

     Greta kündigte daher ihre Stellung bei Bergström, wo man sie mit Bedauern gehen ließ. Die letzten Worte des Abteilungsleiters waren: „Sollten Sie das Filmen satt bekommen, so wenden Sie sich vertrauensvoll an mich, ich will gern ein gutes Wort für Sie einlegen.“ Und er machte eine Miene dazu, als sei er überzeugt, dieses gute Wort sehr bald sprechen zu dürfen. –
     Die guten Worte waren bei Herrn Petschler während der Filmarbeit selten. Er kommandierte und ordnete scharf an, es war schwer ihm gerecht zu werden, da er höchste Leistung verlangte. Greta merkte sehr bald, daß Herr Petschler die Arbeit auf ganz andere Art als Hauptmann Ring anpackte. Er hatte den Film „Peter, der Vagabund“ selbst entworfen – und Peter war natürlich ein Mädchen, aber nicht Greta, sondern die Schauspielerin Nygrin, der Star des Films. Greta war nur eines der Badegirls, die in diesem Film auftraten. Und darin kopierte Herr Petschler völlig den von MacSennet erfundenen Typ des Badegirls. Die Mädchen waren gleichmäßig gekleidet, von den Leinwandschuhen bis zum Lackhut, und sie hatten in vielen Szenen auch gleichmäßige Bewegungen auszuführen, am Strande zu tanzen, in das feuchte Element zu tauchen, in einer Kette zu schwimmen, an der Kamera im Steppschritt vorbei zu hüpfen, was den Spielleiter viele Proben kostete. In ganz wenigen Szenen konnte Greta nach ihren Einfällen spielen, aber ihre Art der Auffassung gefiel Herrn Petschler. Greta lernte auch gleichzeitig das Filmreisen kennen, denn ein Teil der Aufnahmen wurde in Dalarne gedreht. – Den Zuschauern gefiel schließlich der fertige Film weniger, und er ging ohne besonderen Eindruck vorüber.
     Als die Aufnahmen beendet waren, fragte Greta Herrn Petschler, was sie nun beginnen solle. Er riet ihr, im Falle sie noch an eine Bühnenkarriere dächte, gründlichen dramatischen Unterricht zu nehmen. Talent besitze sie, das habe sie bewiesen, aber sie sei noch vollkommen unfertig und müsse in allen Fächern eine eingehende Ausbildung erfahren. Er gab ihr auch Empfehlungen an verschiedene Kollegen mit, von denen ihr Franz Envall, der in jenen Jahren ein beliebter dramatischer Lehrer war, am meisten zusagte.

 


Der schwedische Schauspieler
Lars Hanson



Die schwedische Schauspielerin
Karin Molander, die an der
„Dramatischen Lehranstalt“
Sprechtechnik lehrte

 

     „Zuerst hatte mich Petschlers Auskunft, daß ich die Theaterschule zwei Jahre besuchen müßte, heftig erschreckt“, erzählte Greta später. „Aber dann ging ich zu Franz Envell und sagte zu ihm, was tausende junger Menschen in ähnlicher Situation schon erklärt haben, nämlich daß ich unter allen Umständen Schauspielerin werden müßte. Und ich antwortete gerade wie alle anderen, daß ich zur Erreichung diese Zieles vor keiner Anstrengung zurückschrecken würde. Envell, der solche Beteuerungen schon gewohnt war, lächelte, ließ sich aber herbei, mich in den Kreis seiner Schüler aufzunehmen.“
     Der Unterricht bei Envell war nur als kurze Vorbereitung gedacht, denn er sollte nur für die Aufnahmeprüfung an der „Dramatischen Lehranstalt“ reif machen. Greta nahm sich ihrer Aufgabe mit sehr vielem Fleiß an. Sie machte rasche Fortschritte Und als schließlich die strenge Prüfung vor einem ausgewählten Kreise von Kunstrichtern erfolgte, hatte Greta die Genugtuung, die Probe mit Glanz zu bestehen. Sie selbst hatte im letzten Augenblick nicht daran geglaubte, denn sie war von so heftigem Lampenfieber gepackt worden, daß sie ihre Rolle wie im Rausch spielte und die Realität um sich vergaß.
     Die Aufnahme in die „Dramatische Lehranstalt“, die dem Königlichen Stockholmer Theater angegliedert ist, bedeutet eine Auszeichnung, die nur sehr begabten Schülern zuteil wird. Der Unterricht erfolgt völlig kostenlos, und die Schüler dürfen alle Vorstellungen der Königlichen Bühne umsonst betrachten, erhalten sogar für die Mitwirkung in der Statisterie, die allerdings erst nach einer gewissen Reife einsetzt, eine kleine Vergütung. Diese Vorzüge müssen mit der Beachtung einer sehr straffen Disziplin erkauft werden. Der Schüler erlernt die Schauspielkunst von der Pike auf und muß zuerst alles vergessen, was ihm bisher einstudiert wurde. – In dieser künstlerischen Lehranstalt verlebte Greta die nächsten zwei Jahre, denn es ist eine Eigenschaft dieser Theaterschule, daß auch die begabten Schüler nicht eine Stunde des Unterrichts geschenkt bekommen, selbst wenn sie noch so viel Talent erkennen lassen. Die Stunden begannen pünktlich um acht Uhr, und zwar wurde zuerst Gymnastik getrieben, um den Körper zu lockern und ihm die notwenige Bühnenbeweglichkeit zu geben. Darauf folgte der Unterricht in der Sprechkunst, die Regiesunde, dann Fechtunterricht, an den sich eine Tanzstunde und schließlich die Rezitation der Schüler schlossen. Um das Pensum voll zu machen, fand am Nachmittag eine Seminarübung über die hauptsächlichsten Theaterstücke der Weltliteratur statt. Die „Dramatische Lehranstalt“ sollte den Schülern nicht nur das handwerkliche Rüstzeug der Bühnenkunst verleihen, sondern sie auch zu allseitig gebildeten Menschen erziehen. Greta merkte bald, daß ihr einige Schülerinnen, die von höheren Lehranstalten kamen, an Bildung überlegen waren. Sie ließ sich daher aus der Büchersammlung der Lehranstalt eine Anzahl historischer und erdkundlicher Schriften geben, die sie mit regem Eifer zu Hause studierte. – Die „Dramatische Lehranstalt“ unterstand dem Regisseur Gustaf Molander, der neben seiner Bühnentätigkeit noch Zeit fand, Filme zu inszenieren. Denn inzwischen – man schrieb das Jahr 1921 – hatte der bis dahin recht unbedeutende schwedische Film einen künstlerischen Auftrieb genommen, was er in erster Linie einer Reihe künstlerisch schaffender Spielleiter verdankte. Diese Regisseure, von denen Victor Sjöström, Mauritz Stiller, Gustaf Molander, A. Sandberg, Urho Somersalmi, rasch bekannt wurden, schufen den berühmten „Schwedenfilm“, der in allen Ländern als Offenbarung hingenommen wurde. Die vielgelesenen Romane der Lagerlöf „Herrn Arnes Schatz“, das „Mädchen vom Moorhof“, „Jerusalem“ usw. erlebten neben vielen anderen nordischen Erzählungen eine filmische Neufassung, die bis dahin nicht für möglich gegolten hatte. Weltberühmt wurde unter dem Titel „Erotikon“ das verfilmte Theaterstück „Der Blaufuchs“, worin die Schauspielerin Tora Teje zu Weltruhm gelangte.

 


Der Regisseur Gustaf Molander, der
Leiter der dem Kgl. Schauspielhaus
in Stockholm angegliederten
„Dramatischen Lehranstalt“ zur Zeit
als Greta Gustafsson Schülerin
dieser Lehranstalt war

Greta besucht, als sie schon die
berühmte Garbo war, die Film-
produktionsstätte Rasunda, in die
sie einst bangenden Herzens zur
Probeaufnahme ging
Filmweltarchiv

Greta Garbos Onkel David mit der
kleinen Barbro; der Kusine der
Greta. Er ist noch heute als Schofför
in Stockholm tätig
Aufnahme Paula Wehr

Der schwedische Regisseur Mauritz Stiller, der an Greta Gustafsson,
als diese sich gerade dem „Dramatischen Theater“, einer kleinen
Bühne, zu einem Provinzgastspiel verpflichten wollte, das Telegramm
sandte: „Unternehmen Sie nichts für den Sommer.“ Diese Telegramm
erwies sich in der Folgezeit bestimmend für die Karriere
der Greta Garbo

 

     Molander ließ die Schüler von ihm geleiteten Anstalt an den Proben seiner Filme teilnehmen. Aber nur als Zuschauer, denn er wollte, daß sie sehen sollten, wie eine Einstudierung im Ernstfall vor sich ging. Er ließ sie aber nicht mitwirken, denn die Schüler sollten nicht frühreif werden, sondern erst einmal gründlich lernen. Der gleichen Ansicht war seine Gattin Karin Molander, die an der Lehranstalt den Sprechunterricht erteilte und die auch mit Atemübungen und sonstigen Hilfsmitteln der Sprechtechnik begann, ehe sie zur Einstudierung der Rollen schritt. – An allen diesen Übungen nahm Greta zwei Jahre teil. Sie ist also die völlig ausgebildete Bühnenkünstlerin gewesen, ehe sie sich dem Film verschrieb. Unter den Mitschülerinnen traf sie eine alte Jugendfreundin, Mona Märtensson, wieder, an die sie sich eng anschloß. Außerdem schloß sie noch Freundschaft mit Karin Lund, einer bald nach den Schuljahren verstorbenen zarten jungen Frau, deren Namen Greta als Inkognito zu benutzen pflegt. Auch zu Karin Molander trat sie in freundschaftliche Beziehungen und weilte of in deren schönem Heim zum Tee. An einem dieser Gesellschaftsabende lernet sie die junge Komtesse Wachtmeister kennen (von dem aus Thüringen stammenden Geschlecht der Wachtmeisters war eine Linie durch Gustav Adolf nach Schweden gelangt), die bei Frau Molander Privatunterricht nahm. Die Komtesse Wachtmeister ist bis heute Gretas beste Freundin geblieben und hat sie wiederholt in Hollywood aufgesucht, sie auch auf ihren Reisen durch Europa begleitet.
     Als nach zwei Jahren die Abschlussprüfung der „Dramatischen Lehranstalt“ kam, wurde der Gruppe, zu der Greta gehörte, ein Akt der „Frau vom Meer“ Ibsens, worin Greta als Frau Elida Wangel erschien, sowie der Einakter „Abschiedssouper“ mit Greta als Mizzi, einstudiert. Auf Grund der Leistung – sie hatte in beiden Rollen gut gefallen – erhielt sie ein Engagement an das „Dramatische Theater“ zu Stockholm. Sie wurde ohne besonderes Rollenfach eingestellt und erhielt eine Anfangsgage von 120 Kronen im Monat, wofür sie aber alle Bühnenkostüme selbst zu stellen hatte.
     Das „Dramatische Theater“ war eine kleine Bühne, deren Leiter den größten künstlerischen Ehrgeiz besaß. Seine Darsteller mußten alles können, und es machte ihm Freude, ihnen die verschiedensten Aufgaben anzuvertrauen. So gab er Greta, nachdem sie in winzigen Episoden die notwendige Bühnensicherheit gewonnen hatte, die schwierige Rolle der Amme in Strindbergs „Vater“ und ließ sie bald danach die Hermoine in Shakespeares „Wintermärchen“ darstellen. Die nordischen Bühnen kennen keine Repertoirestücke, die wochenlang auf dem Spielplan bleiben, sondern wechseln den Spielplan an jedem Abend. Greta mußte daher sehr fleißiges Rollenstudium treiben. Merkwürdigerweise trat sie am „Dramatischen Theater“ nur ganz selten in den Rollen der Liebhaberin auf; der Leiter der Bühne war der Meinung, daß sie eine ausgezeichnete Charakterdarstellerin wäre, und so zeigte er sie seinem anspruchsvollen Publikum vielfach in Aufgaben, die von ihr Verwandlungen in ein höheres Lebensalter verlangten. Greta hat auf dieser Bühne mehr als eine Greisin dargestellt. Aber gerade in solchen schwierigen Partien gefiel sie den Zuschauern und erhielt Beifall, wobei zu bemerken ist, daß die schwedischen Zuschauer in den Bekundungen des Beifalls spärlicher vorgehen, als es in den Theatern anderer Länder der Fall zu sein pflegt. – Nach einem Jahr erhielt Greta einen Vertrag, der etwas günstiger lautete. Sie wollte sich gerade mit einigen Künstlerin dieser Bühne zu einem Gastspiel durch die schwedische Provinz entschleißen, als sie von dem Filmregisseur Mauritz Stiller ein Telegramm empfing, das die kurze Mitteilung enthielt: „Unternehmen Sie nichts für den Sommer“.


Greta Garbo in
„Gösta Berling“

Filmweltarchiv

     Zum Verständnis dieses Telegramms muß nachgeholt werden, daß Greta ein Vierteljahr zuvor den berühmten Filmspielleiter aufgesucht und mit ihm eine Unterredung gehabt hatte. Bei einer Abendgesellschaft, die Karin Molander gab, erschien auch ihr Gatte und erzählte, daß Mauritz Stiller einen großen mehrteiligen Film nach dem berühmten Roman „Gösta Berling“ von Selma Lagerlöf plane. Er sei aber bei der Besetzung der Rollen in Schwierigkeiten geraten. Den Gösta Berling werde wahrscheinlich Lars Hanson spielen, die Majorin gebe Gerda Lundequist-Dahlström, aber für die junge Gräfin Dohna sei noch keine geeignete Darstellerin zu finden gewesen, denn Tora Teje, die bisher in den Stiller-Filmen die Hauptrollen gespielt habe, sei dafür zu alt, und Mary Johnson, eine andere Entdeckung Stillers, habe eben mit Deutschland abgeschlossen. Molander blickte Greta bei diesen Worten so frappant an, daß jeder in der Gesellschaft erriet, daß er in Greta die Vertreterin der Rolle zu sehen meinte. Greta errötete, denn sie hatte seit Jahren nicht mehr vor der Kamera gestanden.
     Nach diesem Gesellschaftsabend verstrichen einige Wochen, ohne daß Greta etwas von dem Film hörte. Da beschloß sie, Stiller aufzusuchen und ihn zu fragen, ob er für sie Verwendung habe. Man muß sehr jung sein, wenn man einen solchen Schritt unternehmen will, der leicht mit einer Abweisung enden kann. Sie wollte erst Karin Molander bitten, ein gutes Wort bei Stiller für sie einzulegen, kam aber dann zu dem Entschluß, den Schritt selbst zu wagen und allen Mut aufzubringen, dem als recht unzugängig bekannten Spielleiter zu begegnen.
     „Ich weiß heute noch nicht“ hat Greta später gesagt, „wie ich es fertig brachte, meine Schüchternheit zu überwinden und Stiller in seiner Wohnung aufzusuchen. Ich traf ihn nicht an. Aber da ich den Schritt nun einmal unternommen hatte, wollte ich nicht ohne Ergebnis heimkehren; ich ließ mich nicht abschrecken, sonder wartete seine Rückkehr ab. Meine Geduld wurde einer harten Probe unterworfen, denn es dauerte einige Stunden, bis er in Begleitung eines großen Hundes zurückkehrte. Er schien von meiner Anwesenheit unangenehm berührt zu sein, blickte mich streng und unliebenswürdig an, so daß ich zu zittern begann. Wortlos musterte er mich vom Kopf bis zum Fuß. Sein Blick muß sehr eindringlich gewesen sein, denn noch später wußte er ganz genau, wie ich bei dem ersten Besuch gekleidet gewesen war. Er konnte sogar die Farbe der Strümpfe und Schuhe angeben, wußte auch, daß ich ein Kleid mit kleinen grünen Knöpfen getragen hatte. Einen dieser Knöpfe drehte ich in stummer Verzweiflung ab und behielt in, ohne es zu wissen, in der Hand. Dieser Knopf ist eine Art Talisman bei mir geworden. – Da fing Stiller plötzlich zu sprechen an und meinte, daß doch heute eigentlich recht schönes Wetter sei – und dergleichen belanglose Dinge. Eine Zeitlang glaubte ich, daß er über mich hinwegsehe, aber endlich sah ich ein, daß er genau beobachtete, welchen Eindruck seine Worte auf mich machten. Endlich sagte er: „Legen Sie Hut und Mantel ab.“ Ich tat, was er verlangte. Er umkreiste mich wieder mit langen prüfendem Blick. Seine letzten Worte waren: „Geben Sie mir Ihre Telefonnummer.“ Dann war ich entlassen. Ich wußte nicht, ob ich ihm gefallen hatte und geriet in große Hoffnungslosigkeit.“
     Inzwischen hatte Stiller, was Greta nicht wußte, mit dem Ehepaar Molander gesprochen, sie aber gebeten, keine Mitteilung an Greta weiterzugeben. Er war auch häufig Zuschauer im „Dramatischen Theater“ und hatte Muße, das Fräulein Gustafsson auf der Bühne zu bewundern, denn Greta trug damals als Schauspielerin ihren dem schwedischen Publikum nicht fremd klingenden Familiennamen. Die Entscheidung mußte die Probeaufnahme bringen.
     Einige Tage nach dem Telegramm erschien eine Aufforderung an Greta, nach Rasunda in das Filmatelier zu einer Probeaufnahme zu kommen. In der Straßenbahn die in diesen Vorort führte, traf Greta mit ihrer Freundin Mona Märtensson, die gleichfalls zu Probeaufnahmen herausbestellt worden war, zusammen und faßte das Zusammentreffen als glückliche Vorbedeutung auf. Im Atelier von Rasunda erhielt Greta freilich zuerst die Gewißheit, daß noch verschiedene junge Schauspielerinnen zu Probeaufnahmen bestellt worden waren, denn der Maskenbildner schminkte die jungen Mädchen auf gleiche Art, wie er ihnen die auch die gleiche Frisur von seinen Gehilfen machen ließ. Dann durften die Mädchen das Atelier betreten und mußten in einer Rolle auf altertümlichen Stühlen Platz nehmen, während Stiller prüfend vorüberschritt.
     Danach kam die Probe. Die Mädchen mußten sich der Reihe nach in ein Bett legen und den Ausdruck einer Schwerkranken nachahmen, während die Scheinwerfer aufflammten un ein Kameramann die Szene drehte. Greta war so verwirrt, daß Stiller bei ihrer Probe ärgerlich ausrief: „Aber ist es denn wirklich so schwer, im Bett krank zu sein?!“ – „Wahrscheinlich sind die Mädchen vor lauter Aufregung wirklich krank“, sagte da der Kameramann Jaesson, Stillers rechte Hand, der sich als einziger etwas vor dem strengen Spielleiter herausnehmen durfte. Da alle Anwesenden darüber lachten, so konnte sich Greta das Lachen kaum verbeißen, und so machte sie ein recht unglückliches Gesicht, das nun auf den Filmstreifen kam.
     Nachdem sämtliche Mädchen gefilmt worden waren, durften sie wieder nach Hause gehen, ohne das Geringste zu erfahren. Greta ging aus dem Filmatelier ohne die leiseste Hoffnung fort. Sie spielte am selben Abend im Theater die „Hedda Gabbler“, und ihre Mitspieler waren verwundert über die dramatische Stärke, mit der Greta diesen komplizierten Charakter verkörperte. Sie sah alle Hoffnung auf den Film schwinden und wollte nunmehr ihre Kunst völlig dem Theater weihen.
     Drei Tage danach kam eine Nachricht der Filmfirma, für die Stiller arbeitete, daß Greta für die Rolle der Gräfin Dohna ausersehen sei und man sie bäte, zur Unterzeichnung des Vertrages in das Büro zu kommen. Sie war in diesem Augenblick das glücklichste Mädchen in Schweden.

*

 

  
Nächste Fortsetzung:
Greta bei Gösta Berling – Greta in Berlin –
Reise nach Konstantinopel –
„Die freudlose Gasse“ – Der
Amerikavertrag – In New York.
  
 

 

from:   Filmwelt,     1938, Nr. 25
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