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Greta Garbo

II.
Das Lehrmädchen Greta Gustafsson – Greta als Hut-
modell – Zum ersten Male als Darstellerin in einem
Werbefilm

Stockholms moderne Viertel, die mit Wolkenkratzern besetzt sind und amerikanischen Großstädten an technischem Komfort nicht nachstehen, verraten doch in vielen Zügen, daß Schweden ein Bauernland ist. So steht das wuchtige Warenhaus von Paul U. Bergström an einem jener quadratisch geschnittenen Plätze, auf denen auch bei starkem Verkehr noch so viel Raum ist, daß in der Mitte die Wagen der Bauern aus der Umgebung Stockholms auffahren können, die dort Gemüse, Obst, Geflügel, Blumen, Holz und andere Bedürfnisse des täglichen Lebens feilhalten. Dort ist an jedem Wochentag Markt, und die Kunden des Warenhauses erstehen ihre Lebensmittel bei den Bauern, wie auch die Bauern Kunden bei Paul U. Bergström sind, der einen lebhaften Verstand in die schwedische Provinz unterhält. In diesem großen Warenhausbetrieb mit seinen beinahe tausend Angestellten war Greta Gustafsson als Lehrmädchen der Hutabteilung eingestellt worden. Der Umstand, daß sie gerade der Hutabteilung überwiesen wurde, geschah weder auf ihren Wunsch noch auf Grund einer besonderen Prüfung, sondern einzig deshalb, weil hier ein Lehrmädchen fehlte. Greta, die schon als Kind Sinn für hübsche Kleidung besaß und sich gern putzte, hatte sich den Dienst im Hutlager reichlich schwärmerisch ausgemalt; er verlief aber anfangs recht prosaisch. Zuerst wurde sie als Laufmädchen beschäftigt. Sie hatte den Verkäuferinnen allerlei Dienstreichungen zu erweisen, mußte Papier forträumen, Staub wischen, die gekauften Hüte zur Kasse tragen, ja in einigen Fällen mußte sie eilig verlangte Ware sogar in die Häuser der Käuferinnen bringen. Über Langeweise hatte sie nicht zu klagen, denn der Strom der mitunter schwer zu befriedigenden Kundinnen riß vom Morgen bis zum Abend nicht ab. Mit den Verkäuferinnen stand sich Greta gut, denn sie war arbeitswillig, gern zu allen Diensten bereit und leistete auch manche private Gefälligkeit. Dafür durfte sie dann die Hüte hinreichen, sobald eine Schauspielerin erschien, um Einkäufe zu machen.

 


Greta Garbo
Aufnahme aus der Frühzeit
Filmweltarchiv

 


Das Wahrzeichen Stockholms, das Stadthaus, am Mälarsee,
das dem Stadtteil Södermalm, in dem Greta Gustafsson
geboren wurde und ihre Jugendzeit verbrachte,
gegenüberliegt
Aufnahme D. Lutze, Berlin

 

     Bergströms Hutabteilung erfreute sich des Rufes, die jeweils modernsten Modelle zu besitzen, und so zählten zahlreichen Schauspielerinnen zu den Besucherinnen der Hutabteilung. Zumeist erschienen sie zu zweien oder dreien, probierten eine Menge Hüte auf, ehe sie sich zu einem Kauf entschließen konnte, wenn es nicht gar geschah, daß die Damen erklärten, nichts Passendes zu finden oder die geforderten Preise nicht bezahlen zu können. – Sobald die Verkäuferinnen flüsterten, daß diese oder jene Kundin Schauspielerin sei, fühlte sich Greta wie umgewandelt. Sie empfand eine gewisse innere Verwandtschaft mit den Künstlerinnen, wenn sie auch nicht wagte, sie anzusprechen, während diese wieder gar nicht auf das schlichte Lehrmädchen achteten.
     Einmal wurde Greta zu Fräulein Rigmor Falck, der Salondame des Dramatischen Theaters, geschickt, die in Modedingen in Stockholm tonangebend war. Sie erhielt vor jedem Kauf eine Anzahl Hüte in das Haus geschickt, und Greta wünschte sich auf dem Wege zu Fräulein Falck, einst ebenso berühmt zu werden, daß sie auch die Hüte zur Auswahl in das Haus bestellen konnte, ohne in das Warenhaus gehen zu müssen. Fräulein Rigmor Falck war bei der Hutprobe reichlich nervös. Greta beobachtete sie genau und bewunderte die graziöse Art, in der die Schauspielerin einen Hut in Empfang nahm, vor den Spiegel trat und ihn dann mit einer harmonischen Bewegung aufsetzte. Fräulein Falck probierte die Hüte mehrfach durch, bis sie endlich einem großen Gut eine andere Form gab, indem sie ihn rücksichtslos zusammendrückte und sagte: „Der ist richtig!“ Dann trat sie vom Spiegel zurück und begann einige Worte zu sprechen.
     Nunmehr begriff Greta, daß die Künstlerin eine Szene spielte und, wie aus den Worten hervorging, eine Frau darstellte, die zu einer wichtigen Unterredung geht und vorher im Spiegel eine Prüfung ihrer Erscheinung vornimmt. Wie verzaubert saß Greta da; ihr entging keine Gebärde und kein Wort, auf dessen eigentümliche Betonung sie acht gab. Nach einer Weile besann sich Fräulein Falck, daß sie nicht allein im Zimmer war, und sagte zu Greta: „Bestellen Sie, daß ich den einen Hut behalte. Die anderen können Sie wieder einpacken.“ Sie gab dann eine Krone Trinkgeld, die Greta lange Zeit als eine Art Glücksgroschen aufbewahrte. Abermals war sie mit dem Theater in enge Berührung gekommen und hatte die eigenartige Luft der Kulissenwelt verspürt.

 


Karl Alfred Gustafsson,
der Vater der Greta Garbo
Aufnahme Wehr

Greta, die Tochter (die Ähnlichkeit
mit dem Vater ist unverkennbar)
Aufnahme Metro-Goldwyn-Mayer

 

     Unter solchen Zwischenfällen verlief das erste Lehrjahr, an dessen Schluß Greta reif zur Bedienung erklärt wurde, aber immer noch Lehrfräulein blieb. Sie brauchte nu nicht mehr eine Verkäuferin zu rufen, sobald sie angesprochen wurde, und obgleich sie nicht aufhörte, Lehrmädchen zu sein, mußte sie die Damen nunmehr selbst bedienen und versuchen, deren Wünsche zu erraten. Bei Fräulein Falck hatte Greta gesehen, wie ein Hut mit Grazie aufgesetzt wird, und in der gleichen Art setzte sie vorsichtig die Hüten den Damen auf, ohne die Frisur zu beschädigen. Von Natur aus geduldig, hörte sie aufmerksam den Wünschen der Kundinnen zu, die nicht selten Ratschläge verlangten, weil sie nicht recht wußten, was sie eigentlich wollten.
     Als Greta eines Tages eine sehr anspruchsvolle Käuferin bediente, führte der Zufall den Werbeleiter des Warenhauses durch das Hutlager, dem die tüchtige Verkäuferin auffiel. Die Dame ließ sich nämlich die Hüte nicht selbst aufsetzen, sondern verlangte von Greta, ihr als Hutmodell zu dienen und zu zeigen, welchen Eindruck die Hüte machten, sobald sie auf einem Frauenkopf saßen. Der Werbeleiter beobachtete, mit welch anmutigen Gebärden Greta die Hüte von den Ständern nahm und sich aufstülpte. Nachdem die Kundin bezahlt hatte, ließ der Werbeleiter Greta zu sich rufen und erklärte, daß ihm ihre Art der Vorführung gefallen habe und sie daher am nächsten Tag mit einer Anzahl Hüte photographiert werden sollte. Die Bilder waren für den Sommerkatalog des Hauses Bergström bestimmt, und sie fielen, da Greta auf Kosten der Firma gut frisiert wurde, zur allgemeinen Zufriedenheit aus. Der Photograph hatte natürlich mehr Wert darauf gelegt, daß die Hüte scharf und plastisch auf den Bildern erschienen und weniger auf die Gesichtszüge des jungen Mädchens geachtet, dessen Kopf die Hüte schmückten. Aber diese in Vergessenheit geratenen Bilder, die nach dem Berühmtwerden der Garbo wieder entdeckt wurden, weisen schon einige Zuge des bekannten Garbogesichtes auf: den festen, den fest, beinahe herbe geschnittenen Mund und die großen von langen Wimpern verhangenen Augen.

 

Links: Heumarkt und Königsstraße in Stockholm.
Links das Warenhaus Bergström, in dem Greta
Gustafsson tätig war
Aufnahme D. Lutze, Berlin

 

     Ihre Tätigkeit als Hutmodell machte Greta auch in anderen Abteilungen des Hauses bekannt, und sie erhielt eine Aufforderung, in den Theatervereinen der Angestellten des Hauses Bergström zu treten. Es war ein Kreis lustiger junger Leute beiderlei Geschlechts, der seine bescheidenen Talente in den Dienst dieses Vereins stellte. In dem Versammlungszimmer einer Konditorei trafen die Mitglieder zweimal in der Woche zusammen und berieten die aufzuführenden Stücke und verteilten die Rollen, die unter einen bedeutenden Aufwand con Limonade und Kaffee gelesen wurden – in Schweden wurden bereits damals alkoholische Getränke nur in geringen Mengen auf Karten zugelassen. Zumeist waren es ältere deutsche und französische Lustspiele, die den Mitgliedern des Theatervereins aufführungsreif erscheinen. Greta, als jüngstes Mitglied, mußte mit den kleinen Nebenrollen zufrieden sein. Sie spielte meist Dienstmädchen, aber auch junge Diener als Hosenrolle, für welchen Zweck Bruder Sven seine Garderobe zur Verfügung stellte. Den Leitern des Vereins lag aber mehr an der Geselligkeit als am Spiel, and den Tanzabenden und Familienkränzchen, wobei manche Verlobung zustande kam. Greta zog sich bald zurück, nachdem sie erkannt hatte, daß die meisten Mitglieder nur die freie Zeit auf eine angenehme und billige Weise verbringen wollten, zur wirklichen Theaterkunst aber keine Beziehungen bestanden.
     „Mir schwebte das große Spiel vor“, meinte Greta Garbo, als sie später einmal auf diesen Abschnitt ihres Lebens zu sprechen kam, „der Theaterverein aber wollte nur Spielerei. Ich war im Warenhaus sehr angesehen, weil ich wirkliches Interesse am Hutverkauf zeigte und ihn als ernsthafte Aufgabe beachtete. Ich habe alle Dinge, die ich begann, stets sehr ernst genommen. Aber meine Tätigkeit im Hutlager kam mir nicht wie ein nüchterner geschäftlicher Vorgang, sondern wie eine Rolle im gleichen Stück mit jeweils wechselnden Partnern vor. Ich benahm mich, als hätte ich mich gar nicht um die besonderen Wünsche der Käuferinnen zu kümmern, sondern als käme die Kundschaft, um schon bekannte Stichworte einzutauschen. Denn das beste war ja doch, daß ich Gelegenheit hand, den Traum meiner großen, meiner einzigen Liebe, das Theater, zu nähren. Ich träumte Tag und Nacht davon und geriet regelmäßig in Herzklopfen, sobald ich eine Schauspielerin zu bedienen hatte. Es waren keine Größen unter ihnen, aber mir genügte es schon, daß sie mit der Bühne zu tun hatten. Ich legte mir niemals das zu, was sonst Mädchen in meinem Alter einen Schwarm nennen. Der einzelne Schauspieler interessierte mich nicht, was mich anzog, war nicht der Darsteller, sondern der von ihm verkörperte Typ. Die Bühnenfigur vermochte mich zu reizen, nicht selten in dem Sinne, indem ich mir vorstellte, wieviel besser ich die Rolle wohl spielen würde.

 


Greta Garbos Großeltern



Frau Anna Gustafsson,
die Mutter der Greta Garbo
Aufnahmen Wehr (2)

Greta Gustafsson im Reitanzug
bei ihrem ersten Filmversuch
Filmweltarchiv

 

     Vielleicht wäre aus der harmlosen Träumerei ein Leiden seelischer Verdrängung geworden, wenn das Schicksal nicht in Gestalt von Hauptmann Ring eingegriffen hätte. – Die Malerei hat zu allen Zeiten das Schicksal als ernste, wenn nicht gar zürnende Göttin dargestellt. Hauptmann Ring sah nicht wie das Schicksal selbst aus mit seiner untersetzten Gestalt, dem vollen Gesicht und den lustigen blauen Augen, in denen immer ein Schalk zu spielen schien. Hauptmann Ring, der in Paul U. Bergströms Abteilung für Damenhüte eine gewisse Aufregung brachte war der Hersteller von Reklamefilmen. Nachdem er kritischen Auges die Hutabteilung gemustert hatte, sagte er zu dem ihn begleitenden Werbeleiter des Warenhauses: „Hier können wir allerlei herausholen!“ – Er gab dann Ratschläge, daß einige Schauspielerinnen als Kunden auftreten sollten, während die Bergström-Verkäuferinnen ihren wahren Beruf zu spielen hatten, um darzustellen, in welch vortrefflicher Weise die Käufer hier bedient wurden.
     „Wir haben hier ein sehr nettes Hutmodell, ein Fräulein Gustafsson“, sagte der Werbeleiter zu Herrn Ring, „vielleicht ist sie für Ihre Zwecke brauchbar.“
     Greta, die alles mitangehört hatte, zog gerade Nadel und Faden durch ein locker gewordenes Hutband und tat, als ob das Gespräch sie gar nichts anging. Sie war ja immer noch Lehrmädchen, das alle Zweige der Hutabteilung erlernen mußte und eben bei dem letzten Abschnitt, dem Garnieren der Hüte, stand. Hauptmann Ring blickte auf einen Wink des Werbeleiters herüber, schien aber keinen besonderen Eindruck zu erhalten.
     „Meine erste Darstellerin, Fräulein Olga Andersson, wird ein fabelhaftes Hutmodell sein“, sagte er, „sie hat das süßeste Gesicht der Welt und ist außerdem den Zuschauerinnen des Kinos schon bekannt.“
     Damit war der Vorfall erledigt. Aber nach einer Woche gerieten die jüngeren weiblichen Angestellten Bergströms in fieberhafte Erregung, denn in einer flüchtig hergerichteten Garderobe wurden Kostümproben unter der Leitung einer Garderobiere vorgenommen. Dann erschien Herr Ring mit einem Kameramann, der sofort erklärte, daß in den einzelnen Abteilungen des Warenhauses nur die Gesamteinstellungen vorgenommen werden könnten, für die Nahaufnahmen aber nicht genügend Licht vorhanden sei. Diese Szenen mußten in Rings Atelier gedreht werden. – Die Filmaufnahmen im Warenhaus verliefen schneller und weit weniger interessant, als die Bergström-Mädchen gedacht hatten. Dann folgte eine Woche Schweigen, bis Greta sowie einige ihrer Kameradinnen, an einem Tage angewiesen wurden, sich am nächsten Vormittag im Filmstudio Hauptmann Rings einzufinden, um an den Aufnahmen teilzunehmen. Die jungen Mädchen waren freudig überrasch und ergingen sich in allerlei Mutmaßungen, welche Abenteuer wohl der nächste Tag bringen werde.

 

Einar Hansson, der Partner Gretas,
in einem schwedischen Heimatfilm.
Einar Hansson kam später in Amerika
durch einen Autounfall ums Leben

Filmweltarchiv

 

     Der Propagandafilm sollte nicht nur ein Gang durch die einzelnen Abteilungen des Warenhauses sein, sondern durch humoristische Szenen das Interesse der Zuschauer wach halten. So hatte Herr Ring den Auftritt einer jungen Damen vorgesehen, die sich nicht modisch beraten lassen will, ein Reitkostüm nach ihr Geschmack wählt und damit ausgelacht wird, so daß sie zu Bergström geht und hier ein Kleid erhält, worin sie vorteilhaft aussieht. Diese Rolle, die keine der Ringschen Schauspielerinnen haben wollte, fiel an Greta.
     Das Lehrmädchen Gustafsson war mit rechter Neugier, aber auch mit kritischem Sinn in das Filmstudio gegangen. Ihr mißfiel vieles, vor allen Dingen das Fräulein Andersson, die ein langweiliges Puppengesicht hatte, aber so etwas wie einen „Star“ darstellte. Greta war über die ihr zugeteilte Rolle nicht gerade glücklich, denn sie hatte an eine ganz andere Aufgabe geglaubt. Aber sie wußte, daß sie hier nicht aus eigenem Antrieb erschienen war, sondern auf Wunsch des Werbechefs, der ihr eine Vergünstigung verschaffen wollte, denn den Mitwirkenden war ein kleines Geschenk in Aussicht gestellt worden. Daher ließ sie sich von der Garderobiere einen Herrenreitdreß anziehen, der nicht nur ein auffallend kariertes Muster zeigte, sondern auch noch zwei Nummern zu groß war, so daß Greta darin wirklich als lächerliche Erscheinung wirkte. Aber nun sie im Spiegel sich besah, zeigte sie, daß sie wirklich schauspielerisches Blut besaß. Manches junge Mädchen hätte geheult über ihr dummes Aussehen, wäre davongelaufen und hätte die Kleider heruntergerissen. Aber für Greta war das Kostüm nur eine Maske, und im Augenblick, da sie sich im Spiegel wiederfand, ging eine Verwandlung mit ihr vor. Sie wußte genau, daß sie nur dann komisch wirken konnte, wenn sie ganz ernst und unbefangen blieb. Sie prüfte ihre Bewegungen vor dem Spiegel, und als sie vor die Kamera gestellt und ihr der Hergang der Szene erzählt wurde, spielte sie völlig natürlich, ganz als ob sie von niemand beobachtet würde. Hauptmann Ring war äußerst befriedigt, denn er hatte zwei Warenhausmädchen zurückstellen müssen, da sie vor Lampenfieber nicht wußten, was se vor der Kamera anfangen sollten.
     Greta fiel ihm schon deshalb auf, weil sie ihre Aufgabe wie eine richtige Schauspielerin begriff, weil sie nicht in den Fehler so vieler Anfänger verfiel und ihre Szene zu stark spielte. Aber nicht nur in den komischen Augenblicken war Greta gut, sondern sie brachte auch den Übergang sehr fein, als sie schließlich in dem korrekt sitzenden Reitkleid auftrat und an sich selbst Gefallen fand. Ring fragte sie daher, wie oft sie schon gefilmt habe, denn er glaubte die Sicherheit auf eine gewisse Übung zurückführen zu müssen, und war erstaunt, zu hören, daß diese Rolle ihr Debut war. Herr Ring hatte anfangs nur an eine Beschäftigung Gretas in den komischen Auftritt gedacht – und das auch nur aus dem Grunde, weil er keine „komische Junge“ unter seinen Darstellerinnen besaß ... und aus irgendeinem dunklen Grunde war ihm Greta als komisch in der Erinnerung geblieben. Als aber ihre Eignung für den Film klar bewiesen wurde, beschäftigte er sie noch i verschiedenen anderen Auftritten des Bergström-Propagandafilms.
     Dieser Film gelangte im Herbst 1920 zur Aufführung und fand bei den Zuschauern großen Beifall, weil nämlich ein umschwärmter Bühnenschauspieler, Ragmar Widerstedt, ein Harry-Liedtke-Typ, die führende Rolle übernommen hatte.
     Nach einiger Zeit fragte Hauptmann Ring bei dem Warenhaus um Erlaubnis an, das Fräulein Gustafsson in einem zweiten Werbefilm beschäftigen zu dürfen. Da die Aufnahmen nur drei Vormittage beanspruchten, so wurde der Urlaub bewilligt; am Nachmittag mußte Reta dann wieder im Geschäft tätig sein. Sie war nicht wenig stolz darauf, gefallen zu haben; außerdem erhielt sie für ihre Mitwirkung zehn Kronen am Tag, einen für sie schätzenswerten Nebenverdienst. Sie spielte unter der Leitung von Ring noch in drei weiteren Werbefilmen, bat dann aber, von einem erneuten Urlaubsgesuch bei Bergström abzusehen, denn sie hatte gemerkt, daß ihre Kolleginnen die Beurlaubungen für den Film zuletzt übel aufnahmen. Auch fand Greta nicht das rechte Interesse an dieser Filmarbeit, nachdem der Reiz der Neuheit vorüber war, denn die Rollen in den Werbefilmen waren ja auch nicht das „große Spiel“.

 

Mona Märtensson, die später in Schwedenfilmen
bekannt wurde, war eine Schulfreundin Gretas

 

     Hauptmann Ring jedoch erhielt wenig später von der Stockholmer Handelskammer den Auftrag, einen Heimatfilm zu drehen, der Schwedens Landschaft, Kultur und Industrie zeigte und der für die Welt-ausstellung in Tokio bestimmt war. Die Mitwirkung an diesem Film hatte als nationale Ehrensache zu gelten, und so bekam Herr Ring von dem Warenhaus einen zustimmenden Bescheid, als er das Fräulein Gustafsson zu beurlauben erbat. Greta stellte in mehreren Auftritten das typische junge Mädchen aus Schweden dar; besonders reizvoll trat sie in der alten schwedischen Tracht der Provinz Wärmland hervor. Ihr Partner in dieser Szene führte den Namen Einar Hansson und war Theaterschüler. Er teilte dann später eine Zeitlang Gretas Schicksal.
     Durch ihre Arbeit in dem einfachen Atelier Rings – es war nach der Sitte der Jahre ein Glashaus mit recht bescheidenem Lampenpark – hatte Greta verschiedene Schauspieler und eine Anzahl Filmtechniker kennengelernt, und einer der letzteren empfahl sie dem Tullbergfilm. Diese Firma arbeitete im Auftrag des Industriekonzerns von Oerebro an einem Kulturfilm, der namentlich für das Ausland bestimmt war und auch in Übersee vorgeführt werden sollte. Aus diesem Grunde wurden die Kosten nicht ängstlich berechnet, denn der Film sollte technisch meisterhaft sein, während die ihm zugrunde liegende Spielhandlung von guten Darstellern getragen wurde. Die Rahmenhandlung erschien in historischem Gewande; sie begann in nordischer Frühzeit, und in diesem Teil sollte Greta eine Walküre darstellen, die am Hjalmarsee auf die zurückkehrenden Wikinger wartet. Aber als diesmal um die Beurlaubung Gretas gebeten wurde, tönte von seiten der Geschäftsleitung ein entschiedenes „Nein!“ entgegen. Der Abteilungsleiter war der nicht unbegründeten Meinung, daß fortgesetzter Urlaub nicht mit der Disziplin eines großen Kaufhauses zu vereinigen wäre. Gretas Lehrzeit war eben zu Ende gegangen, und sie sollte sich auf Wunsch der Personalabteilung entscheiden, ob sie nunmehr als Verkäuferin, Hutarbeiterin oder als Vorführdame beschäftigt zu werden wünschte. In so ernste Absichten paßte natürlich die Aufforderung, eine Walküre darzustellen, herzlich schlecht. Greta, die eben siebzehn Jahre alt geworden war, entschied sich für den Posten einer Hutverkäuferin. – Der Film mit seinem so angenehmen Nebenverdienst verschwand einstweilen völlig aus dem Gesichtskreis der jungen Verkäuferin, und von der Leidenschaft für die Bühne blieb nur ein häufiger Theaterbesuch zurück.
     Die Werbefilme des Hauptmanns Ring waren vergessen und aus der Mode gekommen, denn inzwischen stand die Filmindustrie Schwedens auf und entwickelte einen künstlerischen Darstellungsstil, der befruchtend auf alle Filmländer Europas wirkte. Der Schwedenfilm hatte überall Beifall gefunden und manches Talent aus dem Dunkel in das strahlende Licht der großen internationalen Lichtspielhäuser treten lassen. – Aber in Stockholm gab es, wie auch in anderen Hauptstädten, noch mehr unentdeckte Talente, die den Film mit großen Ideen entwickeln wollten. Ein solches Talent, das filmisch kein unbeschriebenes Blatt war, ging zwei Jahre nach den letzten Vorfällen in Gestalt eines etwas genial zerzausten Gentleman durch die Geschäftsstraßen Stockholms. Von seinen Sorgen war die größte die, woher er das Geld für einen neuen Film nehmen sollte, denn sein bisheriger Geldgeber hielt plötzlich die Taschen zugeknöpft, nachdem die versprochenen Gewinne nicht in dem erwarteten Umfang einliefen. Den Filmen war Anerkennung nicht versagt geblieben, aber die Herstellungskosten konnten die wenigen schwedischen Kinos nur gerade decken, ein Gewinn setzte den Absatz im Ausland voraus, und dorthin waren diese Kurzfilme nicht gelangt.
     Dieser Herr, Mitte Dreißig, den seine Besuchskarte als den Filmregisseur Erik A. Petschler auswies, glaubte nunmehr auf dem richtigen Wege zu einer ertragreichen Filmproduktion zu sein, wenn er „Badefilme“ in der Art des Amerikaners MacSennet drehte. Diese fast nur aus Freiaufnahmen bestehenden Filme, in denen gut gewachsene Mädchen die nicht sehr bedeutende, meist humoristische Handlung darstellten, kosteten so gut wie nichts – aber ihrem Hersteller hatten sie ein Vermögen gebracht, und aus den Reihen der „Badegirls“ waren so berühmte Filmsterne wie Gloria Swanson, Mae Murray, Marie Prevost hervorgegangen. In Kalifornien wie in Schweden leuchtete die Sonne als kostenlose Lichtquelle, und der Meeresstrand war hier wie da als großartige Dekoration zu verwenden, die nicht bezahlt zu werden brauchte. Was nun die jungen gutgewachsenen Mädchen betraf, so besaß Schweden zahlreiche schöne Frauen, die im Schwimmsport den Amerikanerinnen nichts nachgaben.
     Während Herr Petschler diesen Gedanken nachging, nahm ein Schuhladen seinen Blick gefangen, in dessen Fenster – welch amüsanter Zufall! – mehrere Reihen entzückender Badeschuhe ausgestellt waren. Erik A. Petschler nahm diesen Anblick als Wink des Schicksals, die Sache mit dem Badefilm energisch anzutreiben. Und indem er so dachte, trat plötzlich ein junges Mädchen neben ihn und schenkte den Badeschuhen eingehende Aufmerksamkeit.

 

  

In der nächsten Nummer
Greta Garbo als „Badegirl“ – Greta wird
Schauspielschülerin – ihr Auftreten auf
der Sprechbühne – die entscheidende
Probeaufnahme
  

 

from:   Filmwelt, 1938, Nr. 24
© Copyright by   Filmwelt

 

 

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