Greta Garbo
Aufnahme Metro-Goldwyn-Mayer
I.
Die Jugendzeit
Das Zimmer in der Blakingegtan zu Stockholm-Södermalm, darin dem Bauarbeiter Gustaf Gustafsson als drittes Kind jenes Mädchen geboren wurde, das als Greta Garbo die berühmteste Schwedin ihres Zeitalters werden sollte, dieses Zimmer war eng und nur mit den notwendigsten Möbeln bestellt. Es lag im vierten Stock eines menschenreichen Mietshauses und war neben der Küche das einzige Zimmer der Wohnung. Aber der Blick aus dem Fenster ging weit über die Schären und Klippen, über denen die Möven schrien, und um das Haus wehte der frische Hauch des Meeres. Fern im Hintergrund lag Stockholm wie eine Wolke am Himmel; Nächtlich flackerten de Lichter der Hochhäuser mit ihren Leuchtreklamen.
Wie alle Weltstädte hat auch Stockholm seine belebten Viertel, seine Geschäftsgegenden, seine Wohnquartiere und seine Vororte, die nur in losem Zusammenhang mit der Stadt stehen. „Södermalm“, eine dieser Vororte, wird con den übrigen Stadtteilen durch eine weitgestreckte Zunge des Mälarsees getrennt. Die richtigen Stockholmer sprechen daher von „Södern“ wie von einer anderen Stadt, die gar nicht mehr recht zu ihnen gehört. Für sie ist die „Südseite“ ein Gewirr von Klippen am Mälarsee, die mit zumeist häßlichen Häusern bebaut sind.
Selten, daß einer der richtigen Stockholmer einen kurzen Gang durch „Södern“ unternimmt, denn die Straßen mit ihren langweiligen und charakterlosen Mietskasernen bieten dem Auge keinen erfreulichen Anblick. Und doch lieben die Söderner ihren Stadtteil und sind stolz darauf, daß sie sogar ein eigenes Theater besitzen. Selbst wenn ein Fremder jenes Haus finden würde, auf dessen schmuckloser Front die Worte „Södern Theater“ angebracht sind, er ginge achtlos daran vorüber. Dieses einfache Vorstadttheater, das mit einem bescheiden zahlenden Zuschauerkreis rechnen mußte, bedeute für Greta Garbo das Schicksal. – Wenn die Schauspieler, die vor 25 Jahren am „Södern Theater“ beschäftigt waren, gegen sieben Uhr abends das Haus betraten, standen vor dem Bühneneingang eine Anzahl Kinder, die ihnen mit großen Augen folgten und bemüht waren, einen raschen Blick in das Innere zu werfen, sobald die Tür geöffnet wurde. Die Schauspieler kannten bald die Stammgäste unter den Wartenden, und es kam vor, daß sie manchmal eine Tüte mit Näschereien verteilten, denn die Kleidung der Kinder verriet, daß sie armen Familien angehörten. Ein kleines Mädchen von etwa sieben Jahren war ganz besonders bescheiden gekleidet, und der sentimentalen Liebhaberin dieser Bühne fiel auf, daß dieses Kind immer scheu im Hintergrund stand und niemals die Hand ausstreckte, sobald das Zuckerwerk verteilt wurde. Fräulein Stine Holmsson, wie die Schauspielerin hieß, schenkte dem Mädchen eines Abends eine Blume aus Seidentüll und erfuhr auf Befragen den Namen des Mädchens: Greta Lowisa Gustafsson.
Einige Tage später überreichte die kleine Greta der Schauspielerin einen Strauß Wildblumen, wie sie auf den noch unbebauten Dünen der „Södermalm“ wuchsen. Fräulein Holmsson dankte und fragte das Kind nach Eltern und Geschwistern. Der Vater war als Bauarbeiter gerade ohne Arbeit, da in jenen Jahren die Bautätigkeit in Schweden danieder lag; er verdiente hin und wieder etwas als Transportarbeiter. Auch die Mutter half zum Verdienst mit. Die Eltern gingen nie in das Theater, weil ihnen das Geld dazu mangelte, aber Vater konnte schön die Ziehharmonika spielen und hübsch dazu singen. Weder Greta noch ihre Geschwister Ingrid und Sven waren jemals im Theater gewesen.
Ob sie gern einmal in das Theater gehen möchte? fragte Fräulein Holmsson.
Sehr gern, aber – das kleine Mädchen errötete – sie habe doch kein Kleid anzuziehen. Frau Berg, die Kolonialwarenhändlerin, ziehe immer ihr Schwarzseidenes zum Theaterbesuch an.
Fräulein Holmsson lachte und antwortete: „Sei unbesorgt, du kommst auch ohne Schwarzseidenes hinein.“ Und dabei ergriff sie die Hand des Mädchens, öffnete die Tür des Bühneneingangs und zog das Kind in das Innere des geheimnisvollen Hauses. – Die kleine Greta fühlte ihr Herz bis zum Halse klopfen. Wohl war sie manchmal, sobald das Spiel nach acht Uhr begonnen hatte, und niemand mehr durch den Bühneneingang kam, dicht an die Tür getreten, hatte sie vorsichtig einen Spalt geöffnet, um den Stimmen der Schauspieler zu lauschen, die von der Bühne her tönten. Aber meist waren nur Laute und keine Worte zu vernehmen gewesen; und jedesmal war sie traurig geworden, sobald das Gelächter der Zuschauer die Stimmen der Darsteller zugedeckt hatte.
Nun stand sie im Halbdunkel des Ganges, den Fräulein Holmsson mit ihr durchschritt. Greta war wie im Traum. Fräulein Holmsson zog sie an Dekorationen vorbei und ließ sie einen Blick auf die Bühne werfen; aber dieser enttäuschte, denn die weltbedeutenden Bretter lagen noch im Halbdunkel. Dann ging es über eine schmale eiserne Treppe zu den Garderoben. Der Ankleideraum, den Fräulein Holmsson mit zwei Kolleginnen teilen mußte, war schmal und völlig schmucklos. Drei kleine Siegel mit einem Tischchen davor, drei wackelige Stühle, ein Waschbecken und mehrere Garderobenhaken an der Wand stellten die einzige Ausstattung dar. Greta stellte mit Verwunderung fest, daß es zu Hause bei ihr viel gemütlicher aussah, und sie bedauerte Fräulein Holmsson ein bißchen, daß sich diese mit einem solchen Gemach zufrieden geben mußte. Aber dann wurde ihre Aufmerksamkeit wieder von Fräulein Holmsson geweckt, denn die Schauspielerin begann, während sie Greta unaufhörlich mit Fragen bestürmte, vor einem der Spiegel sich zu bemalen, wie Greta meinte. Als sie nun fragte, was es zu bedeuten habe, daß Fräulein Holmsson aus vielerlei Töpfen sich Farbe ins Gesicht striche, lachte die Schauspielerin und sagte: „Dummchen, ich muß mich doch für die Bühne hübsch machen!“ und zog die Augenbrauen mit schwarzer Kohle nach. Da sich das Fräulein nun umwandte, erblickte Greta mit Staunen ein Gesicht, das die Schauspielerin vorher nicht gehabt hatte. „Man nennt es ‚Maske machen', mein Kind“, vervollständigte die Holmsson, da sie wohl ahnte, daß die kleine Besucherin sie nicht verstanden hatte. „Die Maske gehört zur Kunst des Theaters.“
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Greta hat diese Worte nie vergessen, in ihrem Sinn aber erst viel später verstanden, als sie selbst Schauspielerin geworden war. Sie kam in der Garderobe des Fräulein Holmsson auch nicht dazu, über die Worte weiter nachzudenken, denn inzwischen waren die Kolleginnen ihrer Beschützerin erschienen, aber sie zeigten sich weniger kinderlieb. Die eine drang darauf, daß Greta sofort die Garderobe zu verlassen habe, und Fräulein Holmsson brachte das kleine Mädchen an den Bühneneingang zurück. Der Abschied ging so plötzlich vonstatten, daß Greta noch nicht einmal Gelegenheit fand, ein Dankeswort zu sprechen. Auf der Straße standen noch Kinder, die mit angesehen hatten, wie Greta von der Schauspielerin bei der Hand genommen worden war. Die Kinder kamen jetzt mit neugierigen Fragen auf sie zu; vor allem wollten sie wissen, ob Greta etwas geschenkt bekommen habe. Aber Greta antwortete nicht. Sie preßte die Lippen aufeinander, schüttelte nur den Kopf und eilte nach Haus. Auch dort schwieg sie. Sie hatte sonst keine Geheimnisse vor den Eltern, aber sie geriet plötzlich in Zweifel, ob sie recht daran getan hatte, das Bühnenhaus zu betreten. Doch ohne daß sie es selbst wußte, war sie von dem, was sie gesehen hatte, verzaubert worden. Der darstellerische Trieb in ihr begann auszukeimen und in ihren kindlichen Spielen feste Form zu fassen. Greta spielte von jetzt an Maske machen! Sobald sie sich unbeobachtet glaubte, nahm sie vor dem Spiegel Platz, stellte mehrere Näpfe vor sich hin und begann, das Gesicht zu schminken, wie sie es von Fräulein Holmsson gesehen hatte. Die Näpfe waren leer, und ein alter Lampenputzer vertrat die Stelle der Puderquaste, aber Greta fühlte sich mit der gestaltenden Phantasie des künstlerisch begabten Kindes in das Spiel hinein, und sie selbst sah, wie aus ihrem Gesicht eine schauspielerische Maske wurde.
Bei diesem Spiel überraschte sie eines Tages der Vater, der früher als sonst von der Arbeit zurückgekommen war. Gustaf Gustafsson blickte überrascht auf das Treiben seiner Tochter, und er fragte in vielleicht strengerem Ton, als ihn hatte anschlagen wollen, was das Spiel zu bedeuten habe. Greta, entsetzt darüber, daß ihr sorgfältig verborgenes Geheimnis verraten worden war, aber auch vielleicht in Angst, daß sie eine Strafe erhalten werde, begann zu weinen und erzählte den so lange verschwiegenen Besuch im Theater. Aber Vater Gustafsson lachte, nannte Greta eine kleine Närrin und tanzte dann mit ihr in der engen Stube herum. Aber Greta gab in der Folge das Spiel auf. Es hatte nur seinen Reiz gehabt, solange sie allein darum wußte. Auch am Bühneneingang fehlte sie seitdem, zumal die Eltern, die in bessere Vermögensverhältnisse gekommen waren, in einer entfernteren Gegend der „Südseite“ eine größere Wohnung nahmen.
Die Schule füllte nunmehr Gretas Zeit aus. Sie war als Schülerin nur von durchschnittlicher Begabung und auch ohne Ehrgeiz, einen besonderen Platz zu erobern. Allein die Geschichtsstunde vermochte ihr Interesse zu erregen, und mit großem Eifer las sie alle Geschichtswerke, deren sie habhaft werden konnte. Den Unterricht in der Erdkunde haßte sie, weil sie keine Karten zu zeichnen vermochte und von ihren Mitschülerinnen regelmäßig ausgelacht wurde. Dagegen war sie im Turnen die Erste. Nie wurde sie aufgefordert, ein Gedicht vor der Klasse zu sprechen. Ja, sie erhielt einst einen Tadel, weil sie berühmte Verse mit falscher Betonung gesprochen haben sollte.
Gretas einzige Freundin in diesen Jahren war Mona Märtensson, die Tochter eines Fischhändlers, die aber bald in eine Töchterschule kam. Greta traf das Mädchen, dessen heiteres Temperament sie wohl als einen Gegensatz zu ihrer etwas elegischen Natur empfand, später wieder, als sie dramatischen Unterricht nehmen durfte Mona Märtensson, die heute vom Filmpublikum vergessen ist, war eine Zeitlang beliebte Darstellerin der schwedischen Filmproduktion; sie hat sogar bei der Ufa in Neubabelsberg gefilmt.
Gelegentlich eines der wenigen Interviews, das Greta Garbo früher in Amerika gab, hat sie zur Frage ihres Temperamentes Stellung genommen und erklärt, daß ihr elegischer Charakterzug ein Erbteil des väterlichen Großvaters sei; ihre Eltern seinen beide von großer Fröhlichkeit gewesen, namentlich der Vater habe auch in den Stunden schwerer wirtschaftlicher Depression seinen Humor nicht verloren und seine Angehörigen stets aufzuheitern verstanden. Noch lustiger ist, was vielleicht hier eingefügt werden darf, sein Bruder Sven, Gretas Onkel, der als Taxichauffeur sein Brot verdient und dank seines Humors eine stadtbekannte Persönlichkeit in Stockholm ist. Gustaf Gustafsson war ein idealer Familienvater, der seinen drei Kindern ein wahrer Kamerad war. An den Sonntagen zog die Familie, sobald es das Wetter gestattete, an den Mälarsee und hielt dort ein Picknick.
Greta hat, ehe sie eine Theatervorstellung besuchen durfte, den Film kennen gelernt. In „Södern“ Tauchten damals in leerstehenden Läden kleine Kinos auf, deren Vorstellungen für einen Nickel zu sehen waren und die sich in nichts von den Kintöppen anderer Länder unterschieden. Die Urgeschichte der Kinematographie ist in allen Ländern die gleiche gewesen. – In einem solchen Kino sah Greta Gustafsson ihre ersten Filme. Es waren zumeist tragische Filme der dänischen Produktion, die damals in Nordeuropa die Lichtspieltheater beherrschte. Die Filme waren nicht eigentlich für Kinder geeignet, aber ein Jugendverbot kam erst später, und die Kinder verstanden die Filme zumeist nicht. Dagegen machten die Lustspiele mit dem dicken „Knoppchen“, einem dänischen Komiker, der so breit wie hoch war, stärksten Eindruck – auch auf Greta, die wieder ihre alte Liebe zum Theater erwachen fühlte.
Als sie zwölf Jahre alt war, durfte sie mit ihrer Schwester Ingrid zum erstenmal das „Södern Theater“ besuchen. Wie berauscht saß sie auf ihrem Platz auf dem höchsten Rang und konnte vor Spannung den Augenblick kaum erwarten, da der Vorhang in die Höhe gehen sollte. Sie hatte seit Jahren keine Künstler des Theaters gesehen und war enttäuscht, den Namen von Fräulein Holmsson nicht im Programm verzeichnet zu finden, aber diese gehörte der Bühne nicht mehr an. Man spielte ein Märchenstück, das aus verschiedenen Motiven von Andersen zusammengeflickt war und die Reise zur Schneekönigin als führende Handlung aufwies. Der Eindruck des Spiels auf Greta war so stark, daß sie große Teile des Dialogs behielt. Namentlich die Gestalt der Schneekönigin hatte es ihr angetan, und sie sprach deren Worte oft nach, wobei sie unwillkürlich selbst hinzudichtete, denn sie hatte natürlich nur einige Sätze behalten und auch diese mehr dem Sinn nach als in wörtlicher Folge.
An diesen Theaterbesuch schlossen sich andere, von denen namentlich einige Operetten sowie ein Ritterspiel aus der schwedischen Geschichte auf Greta einwirkten. Sie hatte nunmehr den festen Entschluß gefaßt, Schauspielerin zu werden, zumal der Schulschluß nahte und sie sich für einen Beruf entscheiden mußte. Aber ehe der Abschluß der Schuljahre eintrat, wurde die Familie Gustafsson von einem harten Schlag getroffen: der Vater und Ernährer starb ganz plötzlich an einer Lungenentzündung, nachdem er nur zwei Tage krank gelegen hatte.
Dadurch erhielt das Leben Gretas und ihrer Angehörigen eine unerwartete Wendung. Die Familie hatte in den letzten Jahren in auskömmlichen Verhältnissen gelebt, aber Ersparnisse nicht machen können. Nach dem Tode Gustaf Gustafssons stand die Witwe ohne Mittel mit drei unmündigen Kindern da, von denen die beiden ältesten die Lehrjahre noch nicht hinter sich hatten, die junge Greta sogar noch vor der Konfirmation stand. Für Träume und Schwärmereien irgendwelcher Art war keine Zeit vorhanden. Für Greta hieß es nun, sofort eine Arbeit anzunehmen, die etwas Geld abwarf, damit sie zum Unterhalt der Familie beitragen konnte. Der Wunsch, die Bühnenlaufbahn einzuschlagen, mußte einstweilen zurückgestellt werden, ja, es war eine Stellung zu bevorzugen, in der Greta ohne besondere Vorkenntnisse wirken und m ersten Tage an entlohnt werden konnte.
Diese Stellung fand sich auch schnell in der Nachbarschaft, und zwar im Geschäft des Herrn Karl Spaak. Freilich hätte Herr Spaak jeden Menschen mit Verachtung gestraft, der von einem Laden gesprochen hätte. Er fühlte sich zu Höherem berufen, als Besitzer eines Etablissements, der sein Unternehmen „Salon“ nannte, wozu er einige Berechtigung hatte, denn er war Barbier und Inhaber des schönsten Geschäftes in Södern. Seine geübte Hand, die auch die rauhesten Stoppeln ohne den geringsten Blutstropfen entfernte, hatte ihm einen ansehnlichen Kundenkreis verschafft, der auch gern das Haupthaar seiner Schere anvertraute. Da das Geschäft des Einseifens namentlich in den Abendstunden Herrn Spaak oder seine Gehilfen zu lange aufhielt, so hatte er, wie vordem schon einige Rasiersalons in dem „richtigen Stockholm“ es getan hatten, dafür eine weibliche Hilfskraft eingestellt, die mit zarter Hand den Seifenschaum auf die hartsprossige Männerwange auftrug. Diese Hilfskraft hieß nun Greta Gustafsson.
Die neunzehnjährige Greta
Das eben schulentlassene dunkelblonde Mädchen war für sein Alter groß zu nennen, etwas rasch hochgewachsen und daher sehr schlank, aber flink in den Bewegungen und anstellig. Als sie die Stellung antrat, sah sie mit dem Matrosenkragen, der großen Schleife im Haar und den in die Stirn gekämmten Ponies gar zu sehr wie ein Schulmädchen aus, zumal sie auch schüchtern wie ein solches war.
Aber Karl Spaak, der seine Kundschaft kannte, nahm mit Greta eine Veränderung vor, durch die sie weniger altfränkisch erschien. Er war also der erste, der sich um das „Garbogesicht“ bemüht hat. Greta mußte eine andere Frisur tragen, erhielt einen weißen Kittel mit blauen Aufschlägen und erschien so als ein fesches Barbiermädchen. Sie mußte alle Hilfsleistungen ausführen, die im Rasiersalon notwendig waren. Sie hatte den Kunden die Serviette oder den Frisiermantel umzulegen, die Wangen mit Seifenschaum einzureiben und die Seifenspuren nach der Rasur wieder mit lauwarmem Wasser zu beseitigen und schließlich Kölnisch Wasser auf das Gesicht des Kunden zu tupfen. Sie mußte aber auch die Röcke der Herren nach dem Haarschnitt abbürsten und die Überreste der erfolgreichen Haarverknappung ausfegen. Außerdem hatte sie sämtliche Gerätschaften zu säubern und in Ordnung zu halten, so daß ihr Dienst früher als der der Gehilfen begann und später endete. Die lange und bewegte Arbeitszeit wurde nur von einigen Mahlzeiten unterbrochen, die Frau Meisterin Spaak auf dem Gasherd zubereitete und die nach schwedischer Sitte gut gekocht und reichlich auf den Tisch gebracht wurden.
Die Besoldung bei Herrn Spaak war recht gering, und wenn nicht die Trinkgelder gewesen wären, die der Besitzer des Salons wohlweislich eingerechnet hatte, so hätte Greta den weißen Kittel des Bedienungsfräuleins bald wieder an den Nagel gehängt. Denn die Stellung war ihr zu untergeordnet; aber der Posten hatte das Gute, daß Greta die ihr eigene Ängstlichkeit und Scheu in gewissem Sinne verlor, denn im Salon Spaak mußte sie eben unbefangen auftreten, wenngleich die Kunden sie gern neckten, daß sie beim Einseifen mitunter viel zu zaghaft wäre. Diese Leute empfanden wohl, daß hier keines der üblichen Bedienungsmädchen am Werk war, sondern ein fremder Vogel, den der Zufall in den Rasiersalon geführt hatte.
Inzwischen war die Lehrzeit von Gretas Geschwistern Ingrid und Sven abgelaufen, die nunmehr Verdienste in das Haus brachten, mit deren Hilfe der Lebensunterhalt der Familie bestritten werden konnte. Mutter Gustafsson fand, daß es an der Zeit war, auch für ihre jüngste Tochter einen Beruf auszusuchen, in dem sie es weiter bringen konnte als im Salon des Herrn Spaak. Greta konnte ja nicht immer Einseifmädchen bleiben, und die „Haarige Zeit“ mußte mal ein Ende nehmen.
Diese Bild zeigt Greta Garbo,
als sie schon berühmt war,
mit ihrer Mutter
Filmweltarchiv
Mit Hilfe einer befreundeten Familie fand Greta Aufnahme als Lehrmädchen in der Hutabteilung des großen Warenhauses Paul U. Bergström in Stockholm. Nunmehr ging der Weg zur Arbeitsstelle aus „Södern“ heraus, und damit war der erste Schritt getan, um Greta der Enge zu entreißen, in der ihr Leben bisher verlaufen war.
In den nächsten Nummern werden wir die einzelnen Abschnitte des Weges der Greta garbo, der sie zur Weltberühmtheit führte, eingehend in Wort und Bild behandeln.
Die Schilderung geht von den ersten Versuchen in einem Werbefilm über die Zeit in der Schauspielschule des Königlichen Schauspielhauses in Stockholm und dem für die Laubahn der Künstlerin entscheidenden Film „Gösta Berling“ bis zu ihren Film-Welterfolgen.
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