von WILL TREMPER
"Berlin hat mir Glück gebracht!"
Das hörten die Freunde Greta Garbos Zeit ihres Lebens. In Berlin spielte sie die Hauptrolle in ihrem zweiten Film: nach der schwedischen Gräfin Elisabeth Dohns in "Gösta Berling" - eine Wiener Prostituierte in G. W. Pabsts "Die freudlose Gasse".
"Sie war fasziniert von Frauen, die ihren Körper für Geld verkaufen", erzählte mir Ernst Neubach, der Mann, der in den zwanziger Jahren den populärsten Schlager der Zeit schrieb: "Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren ..."
Die drei Gesichter der Greta Garbo
Als mondäner Vamp im Film „Die zwei Gesichter einer Frau“, 1941, auf dem Höhepunkt ihres Erfolges (links). Als Anfängerin mit 17 im biederen Sonntagskleid 1922 in Berlin (Mitte). Als Ungenierte, im kurzen Rock, oben ohne, 1925 – ganz privat im Garten ihrer Hollywood-Freundin Salka Viertel, die fünf Drehbücher für sie schrieb.
Neubach verbrachte eine "elende Nacht" mit der weinenden Garbo im Bett des Hotels Esplanade. Greta war ganze 19 Jahre alt und eigentlich ihrem ersten Regisseur Maurice Stiller hörig.
"Aber der war bisexuell und auch hinter Männern her, quälte das Mädchen sadistisch, weil sie bei einem anderen Regisseur arbeitete, und war außerdem gerade eine Woche nach Stockholm gefahren, um Geld zu beschaffen ..."
Soweit Neubach, der eines der zügellosen Nachtlokale besucht hatte, die im Berlin der zwanziger Jahre wie Pilze aus der Erde schossen.
"Bei der berüchtigten Nackttänzerin Anita Berger, hinter dem Nollendorfplatz, wurde eine Penis-Parade abgehalten (Neudorf benutzte ein deftigeres Wort), und während wir uns alle um die kleine Bühne drängten und von der wilden Anita 'vermessen' wurden - saß weiter hinten eine einzige Frau vor einem Cognac und sah uns durch eine Sonnenbrille zu!"
Die ging dann bald, und Neubauer eilte ihr nach. Es stellte sich heraus, daß sie in seinem Hotel wohnte und Schwedin war.
"Ich studiere das Leben", sagte Greta Garbo zu ihm. "In Konstantinopel habe ich eine Nacht in einem Harem verbracht ..." Ihr Liebhaber Maurice Stiller hatte die Absicht, für die Berliner Trianon-Film ein Melodram über eine russische Aristokratin zu drehen, die in einem türkischen Harem landet - aber die Trianon machte pleite.
"Sie hatte nichts dagegen", erzählte Neubach, "daß ich ihr schon im Taxi den glänzenden Lackledermantel öffnete und sie betastete - darin hatte sie wirklich eine gesunde schwedische Einstellung zum Sex ..."
Doch die Nacht in ihrem Hotelbett wurde qualvoll: "Sie weinte in einem fort und erzählte von ihrer unglücklichen Liebe zu Maurice Stiller - und im übrigen hatte der Sadist sie gezwungen, zwanzig Pfund abzunehmen; sie war nur noch Haut und Knochen!"
Hollywood kaufte sie für 250 Dollar
In ihrem einzigen deutschen Film "Freudlose Gasse", der bald zu den Klassikern des Stummfilms gehörte, spielte Marlene Dietrich eine Statistin. Es gibt da eine Szene, in der die hungernde Greta Garbo, vor einem Fleischerladen Schlange stehend, entkräftet zusammenbricht - und von der hinzuspringenden Marlene aufgefangen wird.Im Frühling 1925 kam Louis B. Mayer von Metro-Goldwyn-Mayer nach Berlin, um Maurice Stiller als Regisseur nach Hollywood zu verpflichten. Aber Stiller lehnte das Angebot eines Dreijahresvertrages mit einer Wochengage von 1500 Dollar kaltlächelnd ab: "Nur wenn Sie meiner Freundin Greta auch ein Vertrag geben!"
Seufzend - "und ohne richtig hinzuschauen!" - gab der Hollywood-Mogul der 19jährigen Garbo ebenfalls einen Dreijahresvertrag mit einer Wochengage von 250 Dollar, die sich im dritten Jahr auf 750 Dollar steigern sollte.
"Selten habe ich ein besseres Geschäft gemacht!" freute sich Louis B. Mayer später. Das schlechte Geschäft erwähnte er nicht: Maurice Stillers Vertrag.
Aber beide, Garbo und Stiller, waren eigentlich schon wieder vergessen, als sie im Juli 1925 in New York eintrafen - so bizarr ist das Filmgeschäft. Monatelang saßen sie an der Ostküste, und Louis B. Mayer ließ nichts von sich hören.
Die lange Dürre mit den Riesenfüßen
„Wir waren sehr erstaunt, als plötzlich Fotos von einem New Yorker Fotografen in den Blättern auftauchten, die eine phantastische Schwedin zeigten“, berichtete der Publicity-Chef von MGM. „Der Big Boß wollte sie sofort engagieren. Er wollte nicht glauben, daß sie längst bei ihm unter Vertrag war. Das ist nicht die lange Dürre mit den Riesenfüßen aus Berlin, behauptete er.“
Aber sie war es und sprang in dem Film „The Torrent“ ein halbes Jahr nach ihrer Ankunft in Hollywood für die erkrankte Hauptdarstellerin ein – mit einem Riesenerfolg.
Während der geniale Maurice Stiller nach zwei Drehwochen aus seinem ersten Engagement fristlos gefeuert wurde.
„Ich möchte nur noch sterben“, schrieb Greta Garbo ihren Eltern in Schweden. „Ich begreife die Sprache nicht und finde alle Amerikaner gräßlich.“
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