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Mein Leben mit Greta Garbo Aus dem Tagebuch der langjährigen Sekretärin der »Göttlichen« |
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Der Sommer des Jahres 1924 war kühl und regnerisch. Ich lebte nun schon ein Jahr in Hollywood und schrieb für schwedische Tageszeitungen Berichte aus der mächtig erblühten Filmmetropole jenseits des Atlantik. Das Telegramm, das mir damals der schwedische Konsul aus New York schickte, bot mir eigentlich keinen besonderen Anlaß zur Aufregung. Wir hatten uns im Laufe meiner journalistischen Arbeit schon recht gut kennengelernt und waren beinahe so etwas wie Freunde geworden. Konsul Lindgren kabelte mir damals: „Liebe Frau Viertel, kümmern Sie sich doch bitte um unsere junge Landsmännin Greta Gustavsson, die am Mittwoch um 11 Uhr auf dem Bahnsteig in Hollywood eintreffen soll, und die nach den mir vorliegenden Berichten mit den amerikanischen Verhältnissen nicht vertraut ist. Gezeichnet Lindgren.“
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Ein Frauenprofil, das eine ganze Welt zu Begeisterungsstürmen hinriß (links). Unser Bild rechts zeigt dieselbe Frau als Zwölfjährige (Pfeil). Damals wurde Greta von ihren Mitschülern in der Elementarschule in Stockholm „Keta“ genannt. „Sauber und wohlerzogen, jedoch zu oft abgelenkt und unaufmerksam“, so lautete die Zensur ihrer Lehrerin im Zeugnis. Nichts deutete darauf hin, daß diesem stillen, verschlossenen, langausgeschossenen Mädchen einmal eine Welt zu Füßen liegen würde. Aber wer einmal das Gesicht der späteren Greta Garbo sah, versteht, daß man sich dem Bann dieser klassischen Züge kaum entziehen kann. Und versteht auch, daß das Wort von der „Göttlichen“ keine Übertreibung ist. |
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Die Erledigung solcher Empfangsformalitäten von schwedischen Landsleuten gehörte ja eigentlich zu meiner täglichen Arbeit, und doch habe ich damals schon, als diese Depesche bei mir eintraf, das Gefühl gehabt, daß sich mit dem Stück Papier, das ich in der Hand hielt, etwas Entscheidendes in meinem Leben verändern würde. Wie recht ich mit dieser Vermutung behalten sollte, das zeigen mir heute, wo ich mich sozusagen auf mein Altenteil zurückgezogen habe, die 27 Jahre, die ich an der Seite Greta Garbos gelebt habe, – 27 Jahre, in denen ich eigentlich nichts anderes tat, als mich einer Freundschaft zu widmen, von der ich noch heute keine Minute missen möchte.
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Das Elternhaus |
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„Wenn mein Vater vom Tage meiner Geburt sprach, dann sagte er immer: „Weißt Du, Greta, es war ein tag, an dem die Luft in Södermalm nach Rauch und Neben schmeckte.“ Einer der vielen Tage also, der den Einwohnern des Armeleuteviertels von Stockholm am Morgen nichts zu bescheren hat, als die gewohnte harte Arbeit, und der sich am Abend mit der gleichfalls gewohnten bleiernen Müdigkeit auf die Arbeiter und Handwerker, die hier wohnen, legt. So ein Tag war der 18. September 1905. Wir wohnten damals in dem Hause Blekingegatan 32. Ich kann mir gut vorstellen, wie Vater damals zumute gewesen sein muß, als er an diesem Morgen aus dem Hause trat, noch den Geruch von Karbol, Medikamenten und frischem Leinenzeug in der Nase, und zu seiner Arbeit ging. Sicher haben auch an diesem Tage gegenüber vor dem Hause des Bäckers Holgersen die Kinder schon am frühen Morgen im Rinnstein gespielt und nach der durchregneten Nacht Schiffchen aus Zeitungspapier schwimmen lassen. Dennoch wird für Vater dieser Morgen anders gewesen sein als mancher andere, denn in dieser Nacht hat er mich zum erstenmal im Arm gehalten.
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Recht bürgerlich und solide sehen die Eltern des späteren Filmstars aus: Vater Gustavsson im Sonntagsstaat, und die Mama, die nach dem frühen Tode ihres Mannes die Tochter allein aufziehen mußte |
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Ich war das zweite Kind und habe oft hören müssen, daß Vater sich, nachdem meine Schwester Alva schon drei Jahre alt war, eigentlich einen Sohn gewünscht hatte. Meine Mutter hatte aber in ihrer zähen, beinahe eigensinnigen Art, die die Bauernkinder des Wärmlands in ganz Schweden berühmt gemacht hat, schon vor meiner Geburt die Namen Greta Lovisa auf einen Zettel geschrieben. So sollte ihr zweites Kind heißen, und so bin ich denn auch getauft worden.
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Die Kindheit |
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„An der Peripherie von Stockholm liegen Tausende von Schrebergärten. Jeden Tag sieht man einen endlosen Zug von Leuten hinausziehen, es sind zum größten Teil die Einwohner von Södermalm. Wer hat hier schon genug Geld, um sein Gemüse beim Krämer einzukaufen? Auch Carl Alfred Gustavsson, mein Vater, hatte hier ein kleines Stück Land gepachtet und fuhr Abend für Abend mit seinem Leiterwagen hinaus. Es ist kein Vergnügen, tagsüber schwer zu schuften und auch in den Abendstunden die Hände regen zu müssen. Andere gingen zu dieser Zeit in die Kneipen oder bummelten durch die Straßen. Aber Vaters Einkünfte aus seiner Arbeit am Hafen waren klein, und drei Menschen wollen ernährt werden.“ So hat Greta mir die ersten Jahre ihrer Kindheit geschildert und genau an dieser Stelle beginnt eine kleine Geschichte, die mir der lange Niels Eriksen viele Jahre später in Stockholm erzählt hat. „Es war im Herbst des Jahres 1911, als ich eines Tages Carl Gustavsson mit seinem Leiterwagen auf der Straße traf. „Guten Abend, Carl“, sagte ich, „immer fleißig? Wie wäre es denn mit einem kleinen Schnäpschen?“ „Nein“, antwortete aus dem Leiterwagen eine dunkle, etwas altkluge Mädchenstimme, „wir fahren auf unseren Acker.“ „Na, du weißt ja schon ganz genau, was du willst, Greta, du kleine Hopfenstange. Wie lange willst du denn noch weiterwachsen mit deinem siebenmalweisen Verstand?“ „Bis ich groß genug bin“, antwortete Greta, und trommelte mit ihren Beinen gegen die Gießkanne. Als ich Greta diese Geschichte vorlas, lachte sie und sagte: „Oh, daran kann ich mich noch gut erinnern, ich habe tatsächlich bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr sehr darunter gelitten, daß ich nach meiner Ansicht viel zu groß war. Wir wurden mit 12 Jahren einmal in der Schule gemessen, und da hatte ich mit 1,65 Meter mehr als zehn Zentimeter Vorsprung vor allen meinen Mitschülerinnen.“
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Dieses Bild eines schwedischen Backfisches läßt schon ahnen, welche Schönheit sich hinter den noch nicht voll ausgebildeten Zügen verbirgt. Daß diese schwermütigen Augen jedoch faszinieren sollten, das wußte damals in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg noch niemand Fotos: Archiv |
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Doch hören wir weiter den langen Niels: Lange schon, nachdem Gretas Name in Paris, Berlin, Rom und New York ein gleich bekannter Begriff ist, meint auch Sven Gustavsson, daß er zur Bühne oder zum Film berufen sei. Und auch bei ihm greifen die Mächte ein, die für die Schwester in Amerika schicksalsbestimmend waren: Die Chefs der Metro-Goldwyn-Mayer. Sven Gustavsson wird mehr oder weniger gezwungen, einen einmaligen Vertrag zu unterschreiben. Louis B. Mayer verpflichtet sich, ihm auf Lebenszeit monatlich 2000 Dollar zu zahlen dafür, daß der Ingenieur Sven Gustafsson verspricht, niemals im Film oder auf der Bühne aufzutreten. Da nach der Meinung Hollywoods sein Talent so bescheiden ist, daß er Greta nur lächerlich machen würde, besteht sonst die Gefahr, daß er den Ruhm der Göttlichen untergräbt.
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Part II |
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from: Die Frau im Spiegel Nr. 49 6.12.1952
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