Greta Garbo wäre am Sonntag 100
Die Poesie des Neins
Sie lehnt am Türrahmen, sie schlägt die Augen nieder, die langen Wimpern werfen Schatten auf das perfekt ausgeleuchtete Gesicht, sie blickt auf, den Kopf leicht nach hinten geneigt und sagt tieftraurig „I want to be alone“.
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VON NICOLE GOLOMBEK
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Allein sein, mit dem Weltschmerz, der Sehnsucht nach Glück – die Szene aus dem Film „Menschen im Hotel“, in der Greta Garbo eine so berühmte wie schwermütige russische Tänzerin spielt, hat sich im Gedächtnis der Cineasten so eingeprägt, dass sie vielfach persifliert wurde. Wunderbare Szenen hat Greta Garbo in diesem Film mit ihrem Partner John Barrymore. „Sie sind so unglaublich schön“, sagt er mit einem Blick, als könnte er nicht glauben, dass es so etwas gibt, ein Gesicht, das so ebenmäßig, porzellanhaft fein ist, aber dabei kein bisschen puppenhaft. Stunden kann man dieses Gesicht betrachten, ergründen wird man es doch nicht.
Greta Garbo konnte alles sein, melancholisch, verschlagen, betrügerisch, treu, geheimnisvoll. Frech lachen wie 1939 in Ernst Lubitschs Komödie „Ninotschka“ durfte sie selten, sie war vor allem oft eine Leidende, die tragische Heldin, „Mata Hari“, die „Kameliendame" oder „Anna Karenina“. Eine lässige Femme, die die Männer im Griff hat, mit einem knappen Kopfnicken, mit einem Lächeln. „Ich war zierlich und sanft und doch hart wie Diamant“, sagt Greta Garbo, als sie in „Menschen im Hotel“ von ihrer Jugend als Tanzelevin in Russland erzählt. Eine Charakterisierung, die auch auf die schwedische Schauspielerin zutrifft. Ihr Reiz besteht aus einer gewissen Strenge, zugleich gibt es immer wieder auch Momente, in denen sie ihre Verletzlichkeit zeigt.
Die Seemannstochter, die Greta Lovisa Gustafsson hieß, bevor sie sich Greta Garbo (das Schwedische Wort für Kobold) nannte, arbeitete in ihrer Jugend als Friseuse und Verkäuferin und verfolgte ihr Ziel, Schauspielerin zu werden, diszipliniert und ehrgeizig. Der schwedische Filmregisseur Mauritz Stiller – an dessen Tod, wie es heißt, die Göttliche nie zu leiden aufgehört hat – entdeckte sie, gab ihr in „Gösta Berling“ 1924 die Hauptrolle, brachte sie nach Deutschland, wo sie in Georg Wilhelm Pabsts Film „Die freudlose Gasse“ zu sehen war. Weltberühmt wurde sie aber erst in Hollywood.
Die Göttliche: Greta Garbo
Foto: dpa
1932 in „Menschen im Hotel“ war sie bereits umschwärmt, der damals extrem populäre John Barrymore konnte sein Glück kaum fassen, dass er mit ihr spielen durfte und begrüßte sie mit den Worten „Sie sind die überwältigendste Frau in der Welt“. Hunderte drängten sich bei der Premiere vor dem Eingang des Kinos, um all die Berühmtheiten aus dem Film aus der Nähe zu sehen. Unter den prominenten Premierengästen waren Clark Gable und Marlene Dietrich, die mit müdem Augenaufschlag in den Saal schwebte. Die Schauspieler kamen alle, sogar Joan Crawford. Nur eine blieb daheim, feierte vielleicht mit Freunden. Greta Garbo mied öffentliche Auftritte, und bereits mit 36 Jahren, da hatte sie das erste Mal erlebt, dass einer ihrer Filme floppte („Die Frau mit den zwei Gesichtern“), hatte sie endgültig genug von dem anstrengenden Beruf der Filmgöttin. Sie drehte von 1941 an keine Filme mehr, es gab in den restlichen 49 Jahren ihres Lebens so gut wie keine Fotos, erst recht keine Comeback-Versuche von Greta Garbo, die an diesem Sonntag 100 Jahre alt geworden wäre.
Sie sei krankhaft schüchtern gewesen, vermutete einer ihrer Filmpartner, Lionel Barrymore. Vielleicht war sie einfach nur klug, sie kannte das Geheimnis der Poesie des Neins; nur die abwesende Geliebte, die sich konsequent entzieht, kann so begehrt, so verehrt werden. Und geschäftstüchtig: „Der Mythos, der meine Person umgibt“, sagte sie einmal, „bringt mir viel Geld ein. Würde ich bei meinem heutigen Aussehen wieder vor die Kamera treten, wäre nicht nur dieser Mythos zerstört, sondern auch das Geschäft ruiniert.“ |