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D I E   G Ö T T I N N E N   D E S   J A H R H U N D E R T S

SERIE VON EVA GESINE BAUR

Eine Sphinx mit
Mauern um die Seele

Als Kind träumte sie davon, eine Prinzessin zu sein. Sie wurde die Göttin
Hollywoods, umschwärmt von Männern und Frauen. Doch Greta Garbo
ließ ihr ganzes Leben lang niemanden an ihr Herz

Sie öffnet den Brief mit ihren großen kräftigen Händen. Über 15000 Fanbriefe bekommt sie jede Woche, aber sie weiß auf den ersten Blick, wer der Absender dieses Briefes ist. Denn der Mann bestürmt sie schon lange: schwärmerisch, leidenschaftlich, pathetisch. Der Verehrer fleht sie - die Frau seiner Träume - an, endlich nach Deutschland zu kommen. Und sie kommt. Göttlich, entrückt, unberührbar schreitet sie an den Wachposten vorbei, den Blick in weite Ferne gerichtet, geht die Treppe hinauf. Hitler neigt sich zum Kuß über ihre Hand. Beide versinken in tiefen Fauteuils. Da greift sie in ihre Tasche, zieht eine kleine Browning heraus. Und Hitler sinkt tot in sich zusammen.
     Das ist kein Film: Das ist ein fester Vorsatz im Kopf von Greta Garbo gewesen. "Wenn es die Einreiseschwierigkeiten nach Deutschland durch den Kriegsbeginn damals nicht unmöglich gemacht hätten, wäre ich hingefahren", sagte sie. "Und dann hätte ich eine Pistole aus meiner Tasche geholt und ihn erschossen. Ich bin die einzige, die sie nicht durchsucht hätten."
     Nein, Greta Garbo war nicht politisch, schon gar keine Heldin. Sie war nur romantisch. Als Kind bereits hatte sie sich vorgestellt, einen grausamen König umzubringen und auf seinen Thron einen guten Ritter zu setzen. Angeblich hat die Garbo wirklich eine kleine Rolle übernommen, im Geheimdienst der Alliierten. Aber eine sehr viel größere Rolle als die Ideale von Freiheit und Gerechtigkeit für die Menschen spielten im Leben der Greta Gustafson ihre höchst privaten Ziele. Die Tochter eines arbeitslosen Seemanns, Straßenkehrers und Aushilfsgärtners, die mit 14 schon den Vater verlor, sah sich als kleines Mädchen bereits als Prinzessin. Und Gretas Kindheitsphantasien wurden wahr. Sie wurde sogar Königin, ja Göttin, die Göttin Hollywoods.


Privatfotos der zurückgezogen
lebenden Diva, wie dieses aus
den 30er Jahren, sind selten

     Ein Junge zu sein hatte sie sich als kleines Mädchen eingeredet. Sie verschmähte Puppen, liebte Zinnsoldaten. Und später lief sie am liebsten in einem Herrenmantel und in Männerschuhen herum. Die schönsten Frauen Hollywoods wurden ihretwegen liebeskrank. Und sie selber stilierte sich zum Kerl - so sehr, daß sie selbst daran glaubte. "Ich rauche", sagte sie oft, "seit ich ein kleiner Junge war." Wenn sie wie immer früh aufbrach bei Freunden oder Bekannten, erklärte sie nur knapp: "Er muß ins Bett." Bei Freunden tauchte sie später gerne auf mit der Bitte: "Hast du nicht eine Tasse heißen Tee für einen alten Mann?"
     Für ihre Fans war sie der Inbegriff weiblicher Verheißung. Doch sie selbst sah als ihre Traumrolle den Franz von Assisi, Hamlet oder am liebsten Dorian Gray. Das Mädchen, das Dorian ins Verderben reißt, fand sie, sollte Marilyn Monroe spielen.

 

Als Tänzerin und Spionin Mata Hari
verzauberte Greta Garbo 1932 die
Zuschauer mit ihrem rätselhaften Blick
Als Kameliendame (2. v.l.) schrieb Garbo
Filmgeschichte. George Cukor inszenierte
den dramatischen Film 1936
„Gösta Berling“ war Greta Garbos
erster großer Film
   
Russische Schneelandschaft im Studio:
Clarence Brown (l.) verfilmte 1935 „Anna
Karenina“. Zwei Jahre vorher war die
Garbo Mata Hari (r.)
„In Königin Christine“ war John Gilbert
ihr Partner. Er machte der Garbo zwei
vergebliche Heiratsanträge

 

     Greta kam aus einem Arbeiterviertel. Trotzdem bekam sie schon als junge Frau den Titel "die Göttliche" verliehen. Denn sie schien auf einem Sockel zu stehen: anbetungswürdig und unerreichbar. Der Trick war bekanntlich das Geheimnis, das sie umgab. Fragt sich nur: Wie geht das, geheimnisvoll zu wirken? Es war nicht nur die magische Makellosigkeit ihres Gesichtes, dieses schwindelerregende Ebenmaß. Es war vor allem die Tatsache, daß sie sich niemals zeigte. Weder die Seele noch den Körper. Es war nicht ihr Busen, es war ihr Blick, der Männer und Frauen erregte.
     Sie wußte selbst nicht, wer sie war. "Macht aus mir, was ihr wollt", war ihre Devise. Sie verführte, ohne sich verführerisch zu finden. Sie verkörperte Überlegenheit, ohne sich überlegen zu fühlen. Greta wußte auch nicht, was sie suchte: den Mann, der sie beherrschte oder den, der sich unterwarf? Die Frau fürs Leben oder nur für eine Nacht? Geborgenheit oder Einsamkeit? Nur eines war ihr klar: Sie wollte nach oben.

Am liebsten trug sie einen
Herrenmantel und Männerschuhe

     Als Vierzehnjährige steht sie mit dicken Waden, schiefen Zähnen und verfilztem Kraushaar in Stockholm in einem Barbierladen als Rasiermädchen, rührt den Schaum an, seift die Männer ein, putz und schleift die Klingen, wäscht schmutzige Waschbecken und hört die nicht gerade sauberen Witze der Herren. Einer sieht in ihr mehr als das dickliche Mädel mit Doppelkinn. Er sieht diesen Blick unter langen Lidern, die veilchenblauen Augen, überschattet von schweren Wimpern, er sieht die vollendete Geometrie eines marmorglatten Gesichts. Und holt sie in sein teures Kaufhaus als Verkäuferin. Dort wird aus Greta, dem adretten Mädel, ein Hutmodel für den Hauskatalog. Daß aus dem "behüteten" Teenager eine Schauspielerin wird, verdankt sie aber nur sich selbst. Sie bewirbt sich an der Schauspielschule und fällt in einem Ibsen-Stück einem Herrn namens Stiller auf. Mauritz Stiller, der finnisch-russische Regisseur jüdischer Konfession, dieser schillernde, bisexuelle Dandy macht aus der plumpen Greta Gustafson eine Greta Garbo. Den Namen erfindet er, wo die Legenden, inspriet von dem altnorwegischen Wort Garbo für Waldnymphe oder Waldgeist.
     Stiller ist kein milder Mäzen. Er macht Greta fertig, er demütigt sie schmäht sie als Trampel, zwingt sie, zwanzig Pfund runterzuhungern. Und baut sie auf, hebt sie in den Himmel, verklärt und rühmt sie als Gesicht des Jahrhunderts.


Luxus à la Hollywood: die Garbo 1929
im offenen Rolls-Royce

     Im Windschatten seines Ruhms kommt sie nach Hollywood, wo der MGM-Boß Louis B. Mayer die "schwedische Kuh" nur nimmt als Knochenbeilage zu Stiller. Aber schnell ist sie strahlender als ihr Macher, stärker als die stärksten Filmmogulen. Mit eherner Härte handelt sie sensationelle Gagen aus. Aufsehen erregt sie, weil sie vorgibt, das nicht zu wollen. Inmitten der lauten Selbstdarsteller schlägt sie leise Töne an. "Ich streite nie", sagte die Garbo. "Und ich würde auch im Film nie eine Streitszene spielen."
     Nicht warme Sinnlichkeit, sondern distanzierte Unterkühltheit ist es, was ihre erotische Ausstrahlung ausmacht. John Gilbert, ihr Filmpartner, versucht zweimal, sie zu heiraten. "Ich war in ihn verliebt", gab die Garbo zu. "Aber ich bekam es mit der Angst zu tun. Ich befürchtete, er würde mir sagen, was ich zu tun habe, er würde mich bestimmen. Ich wollte immer diejenige sein, die bestimmt."     Loise Brooks, bekennende Lesbe und bekannte Femme fatale, sah allerdings andere Gründe für Gretas Flucht. Einen Typen wie Gilbert habe die Garbo in Wahrheit verachtet. Aber: "Sie tat, was alle Schauspielerinnen tun, seit das Wort Hure durch Schauspielerin ersetzt worden ist. Sie ging mit ihm aus und stieg der Karriere willen von Zeit zu Zeit mit ihm ins Bett. Sobald sie ihre Schäfchen im trockenen hatte, gab sie ihm den Laufpaß."

 

In den 30er Jahren waren die Garbo und
John Gilbert das Traumpaar Hollywoods
Greta Garbo mit ihrer Mutter (l.) 1928
bei einem Restaurantbesuch in Stockholm
Mit George Cukor drehte die Garbo ihren
letzten Film: „Die Frau mit den zwei Gesichtern“
Mit einem Zeichner von Metro-Goldwyn-Mayer
besprach die Garbo 1938 Kostüme für „Ninotschka“

 

     "Verliebt", sagte die Garbo, "ist jeder einmal. Aber heiraten? Ich habe immer dieses übermächtige Verlangen, allein zu sein."
     Menschen machten sie nervös, Dinnerpartys depressiv, Paparazzi aggressiv. "Laßt mich in Ruhe" war ihr Kernsatz. Eine krankhafte Angst umklammerte lebenslang ihr Herz: die Angst, sich festzulegen. Die übliche Antwort auf Einladungen hieß: "Wie soll ich wissen, ob ich am Mittwoch Hunger habe?"
     Gnadenlos und erbarmungslos schlägt sie sich immer wieder frei, errichtet Mauern um ihr Haus und um ihre Seele, stachelbewehrt. Sie läßt sich auf Frauen ein, die sich einen Ehemann halten als soziales Alibi. Vor deren Zudringlichkeit wähnt sie sich sicher. Zu unrecht. Lilyan Tashman, der Vamp mit Sinn für Komik, brennt für die Garbo. Und dieses Feuer ist gefährlich. "Wenn Lilyan einige Gläser getrunken hatte", sagte eine Kollegin, "war es besser, nicht mit ihr auf die Damentoilette zu gehen."

Einladungen lehnte sie oft ab:
„Wir soll ich wissen,
ob ich am Mittwoch Hunger habe“

     Fifi d'Orsay, das sogenannte "Pariser Sexsymbol", das den Eiffelturm nur von Fotos kennt, wird die nächste heimliche Geliebte der Göttlichen. Heimlichkeit aber ist auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten unmöglich.
     Doch sobald eine Liebschaft öffentlich wird, ist sie für die Garbo nur noch Abfall, Seelenmüll, den man zu entsorgen hat. Also weg mit Lilyan, weg mit Fifi. Her mit Mercedes. Die Garbo will kein Star sein, aber sie will angebetet werden, auf höchstem Niveau. Das bietet diese Mercedes de Acosta, acht Jahre älter als die Garbo.
     In der synthetischen Welt des Films fühlte sich die Schwedin mit den breiten Schwimmerschultern, den kräftigen Beinen, den großen muskulösen Füßen immer fremd. Das hat auch Cecil Beaton gespürt, der bisexuelle Fotograf, der sie anbetete und erst ins Bett bekam, als er sie ignorierte.
     Die Natur unterschreibt bekanntlich keine Verträge. Und die Garbo unterschrieb nie einen Ehevertrag. Vor allem aber hat keiner das Recht, sich mit den Schönheiten der Natur zu brüsten. Keine darf sagen, Gottes Herrlichkeit sei sein Privatbesitz. Wer immer sich mit der Garbo brüstet und anmaßt, sie gehöre ihm, wird verstoßen. Egal, ob Frau oder Mann. Der Komponist Leopold Stokowski läßt sich für sie scheiden und verkündet, er werde sie heiraten. Das ist das Ende.
     Im Alter lebt die Garbo das Leben der Gejagten und zelebriert das Versteckspiel mit Sonnenbrille, Hintereingängen, falschen Namen, ausgestöpselten Telefonen und versteckten Fahrstühlen. Aber irgendwann ist sie die Gejagte ihrer selbst, ihrer harten Prinzipien, ihrer rigorosen Entscheidungen.
     "Geformt aus Schnee und Einsamkeit" beschrieb der französische Philosoph Roland Barthes ihr Gesicht. Ihre Wohnung in New York, 52. Straße, ist ein mit Antiquitäten vollgestopftes Siebenzimmergrab, rosa und pinkfarben ausstaffiert und dekoriert mit teuren impressionistischen Gemälden. Aber die sind in Plastikfolie verpackt. Selbst die Bilder sind keine Freunde, sondern Geldanlagen.
     Freunde besorgen der greisen Göttin einen Begleiter, der sie diesem Grab entreißen soll. Und Sam Green, der dreißigjährige Kunsthändler, der sie an ihrem 65. Geburtstag kennenlernt, versucht alles, um ihr Freund zu sein. Fordert nie, drängt nie, gibt nur alles was sie will: Geduld, Mitleid, Interesse für ihre Zipperlein, für die gewöhnlichsten Dinge vom tropfenden Wasserhahn bis hin zu neuen Schuhen. Aber irgendwann findet die Göttliche einen Vorwand, auch Sam zu verdammen.
     "Greta Garbo heiratet mit achtzig" meldete der "Globe". Sie ruft den Freund an, den sie für den Verräter hält. "Mr. Green, Sie haben etwas Schreckliches getan." Sam weiß, daß Unschuldsbeteuerungen nichts helfen. Und fragt nur: "Gibt es irgend etwas, was ich tun kann?"     "Ja", sagte die Garbo. "Legen Sie auf." Es ist das letzte Mal, daß er sie hört. Vier Jahre später stirbt sie, an einem Ostersonntag, mittags um halb zwölf. Warum sie Green nicht mehr sehen wollte, warum sie so viele Menschen verstieß? Das hat denselben Grund, aus dem sie niemals ihrem glühenden Bewunderer Norman Mailer begegnen wollte. "Ich will ihm", sagte die Garbo, "die Illusionen erhalten." Auch eine Sphinx nimmt kein Vermögen ins Grab. Aber ihr Geheimnis.

Greta Garbos Leben
1905:
Sie wird am 18. September in Stockholm geboren
1920:
Sie arbeitet als Verkäuferin in einem Warenhaus und macht Fotos für einen Katalog
1922:
Sie dreht ihren ersten Film "Luffar-Peter"
1924:
Die Garbo wird von Mauritz Stiller entdeckt und spielt in seinem Film "Gösta Berling"
1925:
Sie dreht "Die freudlose Gasse" und wird nach Hollywood engagiert
1930:
Ihr erster Tonfilm "Anna Christie" wird auch ihr erster ganz großer Erfolg
1933:
"Königin Christine" und "Die Kameliendame" drei Jahre später machen sie unsterblich
1939:
Die Garbo dreht ihren letzten großen Erfolgsfilm "Ninotschka". Darin gelingt es Ernst Lubitsch erstmals, eine lachende Garbo zu zeigen
1941:
Der letzte Film von Greta Garbo, "Die Frau mit den zwei Gesichtern", wird ein Mißerfolg. Sie kehrt dem Film unwiderruflich den Rücken
1951:
Nach zahlreichen Reisen durch die Welt nimmt sie schließlich die amerikanische Staatsbürgerschaft an
1954:
Sie erhält den Sonder-Oscar der Amerikanischen Akademie für Filmkunst
1960:
Die Garbo steigt ins Immobiliengeschäft ein. Ihr und ihrem Finanzberater Gaylord Hauser gehörte beinahe der gesamte Rodeo Drive in Hollywood
1990:
Greta Garbo stirbt am 15. April in einem New Yorker Krankenhaus

 

from:   Gala     43/1997
© Copyright by   Gala

 

 

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