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Greta Garbo:

Geburtstagsfeier
auf hoher See

Die berühmteste, aber wohl auch einsamste Frau unseres Jahrhunderts wird an ihrem 75. Geburtstag nicht allein sein:
     Greta Garbo feiert ihren Ehrentag auf einer Luxusjacht, die vor den leiblichen Gestaden Griechenlands kreuzt.
     Der millionenschwere griechische Reeder Andrew Embirikos lud „Die Göttliche“ und ihre beste Freundin, die Baroneß Cecile de Rothschild, zu diesem „Geburtstagstrip auf hoher See“ ein.
     Und welch Wunder, die Garbo nahm die Einladung an. Scheint neuerdings überhaupt wieder mehr Mut zum Leben zu haben. Erstmals ließ sie sich, wenn auch mürrisch, wieder fotografieren.
     Auf der Insel Petalious wird die Schauspielerin dann ihren Europa-Urlaub fortsetzen, den sie bereits vor vier Wochen in der Schweiz begann, wo sie täglich lange Fußwanderungen machte. Sie aß nur Salate, Obst und Haferflocken. Durch ihre spartanische Lebensweise erfreut sich die 75jährige bester Gesundheit.

P.S. Lesen Sie auch S.50/51

 


„Die Göttliche“ legt keinen Wert
mehr auf ihr Äußeres, trotzdem
empfindet man Ehrfurcht vor
dieser Frau

Der Griechische Reeder wartet vor
seiner Luxusjacht mit Freunden auf
das Eintreffen der großen Diva


Sie war die „Göttliche“,
der Star aller Stars,
aber glücklich wurde Greta Garbo,
die am 18. September
75 wird, dadurch nicht:

Mit der Frau auf
der Leinwand habe
ich nichts zu tun

 

          Mit allem Pomp, über den nur Hollywoods
          Traumfabrik verfügte, entstand der
          Lieblingsfilm der Garbo über ihre
          Landsmännin, „Königin Christine“
          
          
In Anlehnung an den Filmtitel „Das göttliche          
Weib“ nannte 1928 zum erstenmal ein          
amerikanischer Journalist die Garbo          
hymnisch „die Göttliche“          

 

Vor vielen Jahren wurde in einem Züricher Kino ein Garbo-Festival veranstaltet. Eines Nachmittags zeigte man vor vollem Hause „Anna Karenina.“ In der sechsten Reihe saß eine Dame, die pausenlos Zwischenbemerkungen machte. „Sieh dir das an, wie sie diese Szene schmeißt“, sagte sie zu ihrem Begleiter, oder, „wie konnte sie nur diesen unmöglichen Hut tragen?“
     Das ging eine ganze Weile so, dann wurden die anderen Zuschauer ungeduldig und riefen: „Ruhe da vorne! Lassen Sie sich Ihr Geld wiedergeben, wenn Ihnen der Film nicht gefällt!“ Von da ab herrschte Stille.
     Kaum war es nach der Vorstellung hell geworden, setzte die redefreudige Dame rasch ihre dunkle Brille auf, zog ihren Hut ins Gesicht und eilte dem Ausgang zu. Ihre Nachbarn blickten ihr plötzlich entgeistert nach: Sie hatten Greta Garbo erkannt.
     Seit fast vierzig Jahren hat „die Göttliche“ nicht mehr gefilmt, und doch ist ihr Ruhm ungebrochen.
     Daß diese Frau, dieses Wunschbild mehrerer Generationen, am 18. September ihren 75. Geburtstag feiert, ist schier unglaublich. Ewig jung lebt sie für das Publikum auf der Leinwand weiter. Privat kennen sie nur wenige, und sie schildern sie als tief neurotisch, sehr einsam, ohne Glück und bei allem Reichtum unbefriedigt, gehetzt von ihrem Weltruhm, der für sie zur Folter wurde.
     Ihre Schönheit war eher abweisend wie kaltglänzendes Metall. Wenn die Leute sie „die Göttliche“ nannten, wußten sie warum – irgendwie war sie wirklich nicht von dieser Welt. Um die Garbo war immer Unnahbarkeit – und Angst!
     Greta stammte aus denkbar einfachen Verhältnissen. Ihr Vater, Carl Gustafsson, war bei der Stockholmer Müllabfuhr beschäftigt, bis er mit 48 starb. Ihre Mutter, Anna, verdingte sich bei reichen Leuten als Putz- und Scheuerfrau. Greta selbst begann als Verkäuferin im Kaufhaus Bergstroem. Doch sie träumte Tag und Nacht davon, ein Kinostar zu werden.

 


Zärtlich umarmt Greta Garbo
ihre Mutter bei einem Besuch
in Schweden

Die Diva unseres Jahrhunderts,
deren Schönheit alle in den
Bann zog

Heute nur noch eine Legende
ihrer selbst. Der Ruhm machte
sie einsam

 

     „Sie sind sehr hübsch, mein Fräulein, aber viel zu dick. bevor ich Ihnen eine Rolle geben kann, müssen Sie zehn Kilo abnehmen“, beschied Mauritz Stiller, der größte Regisseur Skandinaviens, die pummelige Anfängerin. Stiller suchte schon lange nach einer Frau, die er zum größten Star der Welt machen wollte:
     „Sie muß nicht nur atemberaubend schön sein, sondern auch unglaublich empfindsam und mysteriös“, pflegte er zu sagen. Das ging so weit, daß er sogar schon den Namen für die noch nicht gefundene Diva gewählt hatte: Garbo!
     In Greta Gustafsson glaubte er nun endlich ein Geschöpf entdeckt zu haben, das diesen Ansprüchen gerecht wurde – wen der Babyspeck erst die wahren Konturen freigab. Er engagierte die Elevin für 3000 Kronen für den Film „Gösta Berling“.
     Der Erfolg des Streifens in Stockholm war mäßig – in Berlin jedoch wurde er ein Kassenschlager. Hollywood winkte mit einem Vertrag für Mauritz Stiller – doch an der Garbo zeigte man kein Interesse.
     „Wir haben in Hollywood sehr viele Mädchen, die ebenso hübsch sind.“ Die Filmbosse zeigten die kalte Schulter. Doch Stiller setzte sich durch, und Greta bekam einen Vertrag nach Amerika.
     Der allmächtige Chef der MGM ließ Greta zu sich kommen:
     „Miß Garbo, ihr Haar ist viel zu kraus, lassen Sie es glattziehen. Außerdem haben Sie eine Lücke zwischen den Vorderzähnen, die auf Bildern schwarz herauskommt. Die Zähne müssen gerichtet werden!“

 


„Lassen Sie meinen Wagen
vorfahren!“ Die Garbo in
„Menschen im Hotel“

Noch glaubt „Anna Karenina“
an ihr Glück, doch bald sucht
sie den Tod

Selten durfte „die Göttliche“
lachen

 

     Greta ging wortlos und schrieb an ihre Freundin in Stockholm: „Ich fühle mich hier gar nicht wohl. Wie hässlich die Studios sind. Ach, mein geliebtes kleines Schweden, wie froh werde ich sein, dich wiederzusehen.“
     Greta Garbo ahnte noch nicht, daß sie für immer von ihrer Heimat Abschied genommen hatte. Ihr unglaublicher Aufstieg begann. Nach ihrem ersten Film „Der Strom“ überschlugen sich Publikum und Presse in Superlativen. Der größte Filmstar aller Zeiten war geboren.
     Mauritz Stiller, ihr Entdecker, wich dagegen zurück ins Dunkel des Vergessens. Nach dem Misserfolg seines ersten amerikanischen Films, ohne die Garbo, wurde er nicht mehr beschäftigt. Einsam und krank kehrte er nach Schweden zurück, wo er ein Jahr später verbittert starb.
     Greta Garbos Ruhm aber stieg höher und höher. Ob als „Mata Hari“, „Kameliendame“, „Anna Karenina“ oder „Königin Christine“, sie wurde zum Star aller Stars, zur Legende.
     Man begann von Gretas krankhafter Menschenscheu zu sprechen. Sie konnte es nicht ertragen, wenn Unbeteiligte ihr beim Filmen zusahen. Wenn intime Szenen gedreht wurden, ließ sie ihren Arbeitsplatz vor der Kamera mit Wandschirmen umgeben. Als ein Freund sie fragte, warum sie dann die Vorführung solcher Szenen erlaube, sagte sie:
     „Die Frau, die auf der Leinwand erscheint, hat mit mir nichts zu tun.“
     1941 erlitt sie den ersten Rückschlag ihrer Karriere: „Die Frau mit den zwei Gesichtern“, ihr letzter Film, erwies sich als absoluter Misserfolg. Sie zog die Konsequenzen:
     „Miß Garbo hat sich entschieden, ihre Filmlaufbahn zu unterbrechen. Sie wird bis zum Kriegsende keine neuen Verpflichtungen mehr eingehen“, ließ das Filmstudio verlauten.
     Der Krieg ging zu Ende, doch die Garbo trat niemals mehr vor eine Kamera. Ruhelos reist sie durch die Welt, verborgen hinter großen Schlapphüten und wallenden Schals. gehetzt von Reportern, denen sie zurief:
     „Man soll mich in Ruhe lassen, das ist alles, was ich will!“
     Die Garbo wollte nie wieder fotografiert werden. Sie sah in ihrem Gesicht nur Runzeln und Falten.
     Auf einer Party im Pariser „Maxims“ verschwand sie plötzlich aus dem Saal. Das fiel der Gastgeberin Elsa Maxwell auf, und sie ging ihr nach. Als Elsa den Waschraum betrat, hielt sie überrascht inne:
     Vor dem Kristallspiegel saß die Garbo und starrte auf ihr Spiegelbild, als sei es eine Geistererscheinung. Plötzlich grub sie ihr Gesicht in die Hände und bracht in hemmungsloses Schluchzen aus.
     Greta Garbo, dies Fabelwesen unseres Jahrhunderts, erlebte, daß Göttlichkeit vergehen und Zauber sterben kann. Nur das Zelluloid bewahrt ihre unvergleichliche Schönheit.

   
Peter Stenner

 

from:   DAS NEUE BLATT     Nr. 38    11. September 1980
© Copyright by   DAS NEUE BLATT

 

 

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