„Sie sind sehr hübsch, mein Fräulein, aber viel zu dick. bevor ich Ihnen eine Rolle geben kann, müssen Sie zehn Kilo abnehmen“, beschied Mauritz Stiller, der größte Regisseur Skandinaviens, die pummelige Anfängerin. Stiller suchte schon lange nach einer Frau, die er zum größten Star der Welt machen wollte:
„Sie muß nicht nur atemberaubend schön sein, sondern auch unglaublich empfindsam und mysteriös“, pflegte er zu sagen. Das ging so weit, daß er sogar schon den Namen für die noch nicht gefundene Diva gewählt hatte: Garbo!
In Greta Gustafsson glaubte er nun endlich ein Geschöpf entdeckt zu haben, das diesen Ansprüchen gerecht wurde – wen der Babyspeck erst die wahren Konturen freigab. Er engagierte die Elevin für 3000 Kronen für den Film „Gösta Berling“.
Der Erfolg des Streifens in Stockholm war mäßig – in Berlin jedoch wurde er ein Kassenschlager. Hollywood winkte mit einem Vertrag für Mauritz Stiller – doch an der Garbo zeigte man kein Interesse.
„Wir haben in Hollywood sehr viele Mädchen, die ebenso hübsch sind.“ Die Filmbosse zeigten die kalte Schulter. Doch Stiller setzte sich durch, und Greta bekam einen Vertrag nach Amerika.
Der allmächtige Chef der MGM ließ Greta zu sich kommen:
„Miß Garbo, ihr Haar ist viel zu kraus, lassen Sie es glattziehen. Außerdem haben Sie eine Lücke zwischen den Vorderzähnen, die auf Bildern schwarz herauskommt. Die Zähne müssen gerichtet werden!“
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Greta ging wortlos und schrieb an ihre Freundin in Stockholm: „Ich fühle mich hier gar nicht wohl. Wie hässlich die Studios sind. Ach, mein geliebtes kleines Schweden, wie froh werde ich sein, dich wiederzusehen.“
Greta Garbo ahnte noch nicht, daß sie für immer von ihrer Heimat Abschied genommen hatte. Ihr unglaublicher Aufstieg begann. Nach ihrem ersten Film „Der Strom“ überschlugen sich Publikum und Presse in Superlativen. Der größte Filmstar aller Zeiten war geboren.
Mauritz Stiller, ihr Entdecker, wich dagegen zurück ins Dunkel des Vergessens. Nach dem Misserfolg seines ersten amerikanischen Films, ohne die Garbo, wurde er nicht mehr beschäftigt. Einsam und krank kehrte er nach Schweden zurück, wo er ein Jahr später verbittert starb.
Greta Garbos Ruhm aber stieg höher und höher. Ob als „Mata Hari“, „Kameliendame“, „Anna Karenina“ oder „Königin Christine“, sie wurde zum Star aller Stars, zur Legende.
Man begann von Gretas krankhafter Menschenscheu zu sprechen. Sie konnte es nicht ertragen, wenn Unbeteiligte ihr beim Filmen zusahen. Wenn intime Szenen gedreht wurden, ließ sie ihren Arbeitsplatz vor der Kamera mit Wandschirmen umgeben. Als ein Freund sie fragte, warum sie dann die Vorführung solcher Szenen erlaube, sagte sie:
„Die Frau, die auf der Leinwand erscheint, hat mit mir nichts zu tun.“
1941 erlitt sie den ersten Rückschlag ihrer Karriere: „Die Frau mit den zwei Gesichtern“, ihr letzter Film, erwies sich als absoluter Misserfolg. Sie zog die Konsequenzen:
„Miß Garbo hat sich entschieden, ihre Filmlaufbahn zu unterbrechen. Sie wird bis zum Kriegsende keine neuen Verpflichtungen mehr eingehen“, ließ das Filmstudio verlauten.
Der Krieg ging zu Ende, doch die Garbo trat niemals mehr vor eine Kamera. Ruhelos reist sie durch die Welt, verborgen hinter großen Schlapphüten und wallenden Schals. gehetzt von Reportern, denen sie zurief:
„Man soll mich in Ruhe lassen, das ist alles, was ich will!“
Die Garbo wollte nie wieder fotografiert werden. Sie sah in ihrem Gesicht nur Runzeln und Falten.
Auf einer Party im Pariser „Maxims“ verschwand sie plötzlich aus dem Saal. Das fiel der Gastgeberin Elsa Maxwell auf, und sie ging ihr nach. Als Elsa den Waschraum betrat, hielt sie überrascht inne:
Vor dem Kristallspiegel saß die Garbo und starrte auf ihr Spiegelbild, als sei es eine Geistererscheinung. Plötzlich grub sie ihr Gesicht in die Hände und bracht in hemmungsloses Schluchzen aus.
Greta Garbo, dies Fabelwesen unseres Jahrhunderts, erlebte, daß Göttlichkeit vergehen und Zauber sterben kann. Nur das Zelluloid bewahrt ihre unvergleichliche Schönheit. |