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Greta Garbo:

Die Frau mit den
zwei Gesichtern

Am 7. Dezember gab es auf dem Bildschirm ein Wiedersehen mit Greta Garbo in dem berühmten Film »Königin Christine«. Immer war sie, was sie in ihrem letzten Film verkörperte: Die Frau mit den zwei Gesichtern

Auf der New Yorker East-Side steht ein nicht sonderlich auffallendes großes Mietshaus. darin wohnt in einer Siebenzimmerwohnung die wohl geheimnisvollste, berühmteste und einsamste Frau der Filmgeschichte: Greta Garbo.
     Jeder in dieser Gegend kennt sie. Und trotzdem tun alle so, als sei sie eine Fremde, wenn sie mit ihrem großen Hut, in flachen bequemen Schuhen und mit dunkler Brille einkaufen geht. Die Inhaber der kleinen Geschäfte sind stolz und glücklich, die berühmte Greta Garbo gesehen und bedient zu haben. Würde jedoch einer von ihnen versuchen, sie um ein Autogramm zu bitten oder mit ihr über die großen Filmerfolge zu sprechen, so ließe sie sich bestimmt niemals wieder in dem Laden sehen.
     Sie zählt zu den reichsten Frauen der Welt. Leidenschaftlich gerne bummelt sie durch die Dritte Avenue, die Straße, in der es vor Antiquitäten und Silber nur so funkelt. Greta Garbo schaut sich viele der kostbaren Gegenstände lange an, nimmt sie in die Hand und prüft sie. Dann legt sie sie wieder weg. Sie kauft nur ganz selten etwas.
     Bisher war es ein Hobby Greta Garbos, sich ihre klassischen Filme „Menschen im Hotel“, „Königin Christine“, „Anna Karenina“, „Die Kameliendame“ und „Ninotschka“ in aller Heimlichkeit im New Yorker Museum für moderne Kunst anzusehen. Seit dieses Museum kürzlich ein zweiwöchiges Garbo-Festival veranstaltete, das Tag und Nacht ausverkauft war, betritt sie dieses Haus nicht mehr.
     Wer ist diese Frau, die seit 27 Jahren keinen Film mehr gedreht hat und die dennoch zur Zeitgeschichte gehört?
     Nicht nur ältere Leute frischen alte Erinnerungen auf, wenn ein Garbo-Film läuft, Auch die Jugend geht gern ins Kino, wenn einer ihrer Filme angekündigt ist. Denn gerade die jungen Menschen möchten die Frau sehen, die als „Die Göttliche“ Filmgeschichte gemacht hat. Und begeistert sagen sie: „Solch eine Frau haben wir noch nie gesehen.“
     Als Greta Luwisa Gustaffson wurde sie vor 63 Jahren in Stockholm geboren und als Hutmodell später von dem Regisseur Mauritz Stiller für den Film „Gösta Berling“ entdeckt. Hollywood hatte die beiden engagiert.
     Mauritz Stiller erhoffte sich eine Weltkarriere. Doch ein Maskenbildner, dessen Namen niemand mehr kennt, sagte zu seinem Arbeitskollegen: „Den Stiller könnt ihr wieder nach Hause schicken. Aus dem Mädchen aber machen wir etwas!“ Er war es auch, der den Namen Greta Garbo erfand.
     Mauritz Stiller, ihr Entdecker, war für Greta die erste und vielleicht auch größte Liebe. Nie hat sie es verschmerzen können, daß er allzu früh starb.
     Stillers letzter Rat an Greta war: „Gib niemals Autogramme und schirme dein Leben so ab, daß niemand hineinblicken kann.“ Diesen Rat hat sie stets befolgt, und sie ist dennoch nie in Vergessenheit geraten. Noch heute ist sie eine der ganz Großen, für die es so schnell keinen Ersatz gibt.
     Immer wieder kreuzten Männer den Weg dieser schönen und bewundernswerten Frau. Mit John Gilbert, ihrem Partner aus dem Film „Königin Christine“, verband sie eine innige Liebe. Ihn hätte sie gern geheiratet. Doch wieder schlug das Schicksal grausam zu. John Gilbert erlag einer heimtückischen Krankheit. Greta verlor zum zweitenmal einen Menschen, den sie sehr geliebt hatte.
     Immer verschlossener wurde die Frau, die mit ihren Filmen Millionen von Zuschauern begeisterte. In ihrer Einsamkeit schloß sie sich eng an George Schlee, einen Bankier aus New York, an, der sie sehr an Mauritz Stiller erinnerte. Er starb vor drei Jahren. Wieder hatte sie einen Freund und Vertrauten verloren.

 

Eine innige Liebe verband Greta Garbo
und ihren Partner aus „Königin Christine“,
John Gilbert. Ein Glück gab es für die
beiden Menschen nicht, denn Gilbert
erlag früh einer schweren Krankheit
Zu den vielen Gästen, die mit Aristoteles
Onassis an Bord der „Christina“ Feste
feierten, zählte auch Greta Garbo. Das
Foto zeigt sie im Gespräch mit dem
Reeder aus Griechenland
Vor drei Jahren starb der Mann, der
Greta Garbo ein aufrichtiger Freund
war: Bankier George Schlee aus New
York. Nach seinem Tod zog sie sich
völlig zurück

 

Obwohl Greta Garbo noch heute viele Filmangebote erhält, lehnt sie alle mit dem ehrlichen Bekenntnis ab: „Ich habe einfach Angst davor, wieder vor die Kamera zu treten.“
     Feste gibt sie in ihrer New Yorker Wohnung nie. Doch fast jedes Wochenende fliegt sie zu Freunden nach Connecticut. Sie meldet sich nie vorher an. Sie kommt einfach und ist da. Und jeder ist glücklich, Greta bei sich zu haben.
     Greta Garbos Vorliebe gilt Frankreich. In Cannes tummelt sie sich am Strand wie ein junges Mädchen. Da nimmt sie sogar einmal ihre große Sonnenbrille ab. Und durch Paris schlendert sie so unauffällig wie eine Touristin.
     „Die Frau mit den zwei Gesichtern“ hieß ihr letzter Film, den sie 1941 drehte. Und dieser Titel scheint wie ein Symbol über ihrem Leben zu schweben.

FRED ROSSAL

 

from:   Neue Post     Nr. 51   14. Dezember 1968
© Copyright by   Neue Post

 

 

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