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Wird
Greta Garbo
blind?

 

Das Gesicht der „Göttlichen“: Die einst so
ausdrucksvollen Augen sind verdeckt von
einer dunklen Brille. Die Frau, der einst
Hunderttausende zu Füßen Lagen, flieht
– so schien es – vor der Öffentlichkeit
Greta Garbo bei ihrer Ankunft in Schweden,
wo sie sich in Sörland einen Landsitz kaufte.
Dort will sie von nun an leben. Als sie, gestützt
von einem Steward, das Flugzeug verließ,
tastete ihre Hand suchend nach dem
Geländer der Gangway
Greta Garbos letzter Freund, ihr Manager
George Schlee, wusste als einziger um ihr
großes Geheimnis. Er starb 1965
Das war die „Göttliche“: hier in einem ihrer
berühmtesten Filme, „Maria Walewska“, mit
Charles Boyer als Napoleon

 

Seit Jahren verbirgt „die Göttliche“ ihr Antlitz vor der Welt. Die fast legendären „Augen der Garbo“, deren Ausdruckskraft Generationen von Kinobesuchern verzauberte, blieben verhüllt durch dunkle Brillengläser. Sie wurden zum Symbol der anderen Garbo, die in die Anonymität floh, als das Alter die einst angebetete Schönheit zu zerstören drohte.
     Erst heute wird erklärt, welch schicksalhafte Tragik sich hinter der Menschenscheu, der Weltflucht Greta Garbos verbirgt: Die Augen, die die Garbo zum Idol einer Epoche machten, drohen zu erblinden.
     Am 16. Juli 1966 wurde die Tür eines Appartements im 5. Stockwerk des Hauses Nr. 450 in der westlichen 52. Straße von New York gewaltsam geöffnet. Ein Hotelkellner, der zum drittenmal an diesem Abend vergeblich an die Tür klopfte, hatte den Hausmeister alarmiert.
     Es war das Appartement Greta Garbos.
     Zusammen mit dem Hausmeister drangen der Chef des Hotels und ein sofort alarmierter Arzt in die Wohnung ein. Sie durchsuchten allen sieben Räume des Appartements der Garbo. Auch die drei Zimmer, die seit Jahren nicht einmal die Haushälterin betreten durfte. Sie betraten das „Heiligtum der Göttlichen“, in dem sie täglich mehrere Stunden allein verbrachte.
     Sie fanden nicht die Gesuchte. Greta Garbo war, wie sich später herausstellte, ohne Abmeldung an die Riviera gereist.
     Aber sie entdeckten das große Geheimnis der „Göttlichen“.
     Die Fenster der drei Zimmer waren durch schwarzes Papier völlig abgedunkelt. Die Glühbirnen der Beleuchtungskörper waren stark gedämpft, so dass sie kaum Licht gaben. Einige Kerzen standen herum. Die Zimmer enthielten kaum Möbel, aber umfangreiche medizinische Literatur und viele Medikamente.
     Der anwesende Arzt war in der Lage, das Rätselhafte zu erklären: Hier, in diesen Räumen, lebte eine Frau, deren Augen starke Lichteinwirkung nicht vertragen.
     Erst sehr viel später wurde bekannt, dass Greta Garbo während ihres Riviera-Aufenthaltes einen bekannten französischen Augenspezialisten konsultierte. Welche Diagnose er stellte, blieb geheim.
     Sachverständige vermuten, dass Greta Garbo schon seit vielen Jahren an einer gefährlichen Netzhauterkrankung leidet, deren Fortschreiten mit den gegenwärtigen medizinischen Mitteln nicht zu verhindern ist. Sie hat den lateinischen Namen „Retinitis pigmentosa“ und führt über einen Zeitraum von Jahrzehnten unausweichlich zur Erblindung. Es gilt als sicher, dass Greta Garbos Leben unter dem starken Scheinwerferlicht der Filmstudios erheblich zur Verschlechterung ihres Leidens beigetragen hat und sie schließlich zwang, das Filmen aufzugeben.
     Durch ihre scheinbare Menschenscheu suchte die „Göttliche“ vor der Welt zu verbergen, mit welcher Tragik sie leben muß: allein mit der Angst, blind zu werden.

 

from:   TV Hören und sehen     Nr. 6    1967
© Copyright by   TV Hören und sehen

 

 

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