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Die Garbo kennt man nicht
Am 18. September wird sie 60.
Sie wohnt in New York am Sutton Place.
Ihre Nachbarn respektieren den Wunsch
der menschenscheuen Frau:

 

Das Gesicht der Sechzigjährigen.
Immer ist sie auf der Flucht vor dem Ruhm.
Die Sonnenbrille wurde zum Abzeichen
ihres Willens, kein Idol zu sein. Doch auf
der Leinwand und in der Erinnerung ist
der Glanz ihrer Erscheinung und ihrer
Kunst nicht erloschen: Sie bleibt die
berückende ›Kameliendame‹ von 1937
(Bild rechts)

 

Die Dame tritt zögernd aus der Tür. Einen Augenblick bleibt sie stehen, sieht die 52. Straße hinauf und hinunter. Dann erst geht sie, sich nahe an den Fassaden haltend.
     Niemand dreht sich nach ihr um. Sollte dennoch ein Fremder sie für einen Augenblick anstarren, wird sie auf die andere Straßenseite fliehen.
     Nichts an ihr wirkt elegant, weder das Cape noch das Kopftuch, und die Schuhe mit den flachen Absätzen schon gar nicht.
     So unternimmt sie den täglichen Bummel, den sie ihrer Gesundheit schuldig zu sein glaubt. Nun wird sie sechzig. Am 18. ist der Geburtstag der ›Göttlichen‹.

Der Portier sagt's
     Wenn sie nicht gerade verreist, verläßt sie ihre Wohngegend kaum. Nur in Yorkville, wo viele Deutsche leben, erscheint sie hin und wieder. Sie geht in Antiquitätenläden und Warenhäuser, schaut sich hübsche Dinge an und kauft sie nicht.
     Geschäftsleute und Verkäuferinnen kennen sie. Aber keiner redet sie mit Namen an. Jeder weiß, daß sie nichts sein will als irgendwer, ein Mensch unter Millionen Menschen. Weil man nur hier diesen Wunsch achtet, deshalb lebt sie in New York. Wer in eins der Mietshäuser im Viertel zieht, den macht der Portier auf diese Spiel­regeln aufmerksam.
     Kürzlich hat ihre Stamm-Apotheke den Eigentümer gewechselt. Sagte der alte zum neuen Apotheker: »Wenn die Garbo kommt, nimm keine besondere Notiz von ihr. Das ist gute Sitte in den fünfziger Straßen und am Sutton Place. Tust du's nicht, rennt sie davon.«
     Also behandelte der Apotheker sie wie jede andere Kundin. Da taute sie allmählich auf und – o Wunder – plauderte mit ihm.

Die Vollendete

     Im Museum der modernen Kunst läßt sie sich manchmal einen alten Film vorführen, einen der 24 Filme der Metro-Goldwyn-Mayer mit Greta Garbo. Dabei äußert sie sich auch einmal über die Darstellerin. »Diese Szene ... hier war die Garbo vollkommen gut«, sagt sie etwa. Sie spricht von sicht selber wie von einer anderen.
     Schon lange ist sie diese andere nicht mehr. Die dort auf der Leinwand war kein Star, sie war mehr: eine Diva. kein Stern: eine Göttin. Und für Göttinnen gibt es keine Wiederkehr.
     Die Welt liebt Rätsel. Deshalb hat sie sich aus der Garbo eins gebastelt. Aber als die Unerreichte nach dem unterdurchschnittlichen Film ›Die Frau mit den zwei Gesichtern‹ abdankte, handelte sie nicht rätselhaft, sondern einfach klug. Hätte sie mit weiteren Rollen den Abstieg von traumhaften künstlerischen Höhen riskieren sollen?
     Die Garbo hat eine genial gebändigte Kraft zum Spiel von ihnen verströmt. Sie hat den dürftigsten Text beseelt und die zarteste Regung zwingend gespiegelt. In der Andeutung schuf sie Vollendung.

 

Damals in Stockholm. Greta Gustafsson
war Schauspielschülerin der Dramatischen
Akademie, als Mauritz Stiller sie entdeckte.
In der Zeit der ersten Erfolge. Der Durchbruch
war in Schweden mit ihrer Rolle im ›Gösta
Berling‹-Film gelungen. Nach der 1925 in
Berlin gedrehten ›Freudlosen Gasse‹ ist der
Rang der Garbo endgültig gefestigt
1925. Der steile Aufstieg hat begonnen.
Greta Garbo und Stiller sind in Hollywood
eingetroffen
Die Garbo und der Schimmel Beverly üben
1926 für eine Zirkusszene im ›Totentanz der
Liebe‹. Noch sind auch in Amerika die Filme
stumm
Ein Wiedersehen mit der Mutter. Der Vater
hat Gretas Karriere nicht miterlebt. Er starb
schon 1920

 

    Und das in lauter gegensätzlichen Rollen: von der hintergründigen Spionin Mata Hari zur schlackenfreien Größe der Maria Walewska, von der gehetzten Grusinskaja in ›Menschen im Hotel‹ zur komischen Kommissarin Ninotschka. Stärkeres konnte sie und Schwächeres wollte sie nicht geben.

Geld und Angst
   Zudem ist ihr Bankkonto satt und zwingt sie nicht zur Arbeit. Als Billy Wilder, der amerikanische Regisseur aus Wien, nach den Gründen ihrer Untätigkeit gefragt wurde, sagte er: »Zuviel Geld und zuviel Angst – eine wunderbare Kombination.«     Trotzdem wurde ihr bevorstehendes Comeback in den letzten Jahrzehnten so oft gemeldet wie vormals das Auftauchen der Seeschlange. Wahr ist, daß die Garbo jedes Mal und zu jedem Projekt nein gesagt hat. Auch wenn der Reeder Onassis sich alle Jahre wieder erbot, ihr eine eigene komplette Filmgesellschaft zu finanzieren. Dieses Nein ist kein Rätsel.

Name als Programm
   Ihre Scheu vor der Öffentlichkeit ist es auch nicht. Denn die Welt sieht in der Garbo, was sie gestaltet hat. Und die Welt will heute von der Garbo eine Leistung sehen, die ihre Anna Karenina und ihre Königin Christine in den Schatten stellt. Solcher Anspruch ist zudringlich und unberechtigt. Sie ist nicht mehr die ›Garbo‹ im Sinne dieses portugiesischen Wortes, das ›Anmut‹ heißt.     Ihr Entdecker, der schwedische Regisseur Mauritz Stiller, hat der Tochter des armen Stockholmer Gelegenheitsarbeiters Gustafsson diesen Namen 1924 angelegt: als Programm und Aufgabe. 1941 war die Aufgabe erfüllt. Greta Garbo sieht keine Forderung mehr offen.     Zwei Gesichter hat sie immer gezeigt. Die sensible Künstlerin trieb ihre Gagen mit der Härte eines ausgekochten Bankbosses in die Höhe. Sie ist reich damit geworden und bis zum Geiz knauserig geblieben. Sie hat in ihren Rollen die innigsten Töne des Gefühls und der Hingabe gefunden; für sich selber fand sie die erfüllende Liebe nicht. Es blieb bei einem Dutzend Romanzen, dem bevorzugten Futter der Gerüchte.     Sie trägt Sonnebrillen und Schlapphüte, um das Gesicht zu verbergen, das altern konnte. Wir sollte das, auch fern von New York, respektieren. Denn ihrem anderen Gesicht haben die Götter und die Kameras die unvergängliche Jugend beschieden.

 

from:   HÖRZU     Nr. 37   1965
© Copyright by   HÖRZU

 

 

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