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B R A V O-Scheinwerfer blendet auf:
 

 
Unverkennbar sind die klaren, ebenmäßigen
Gesichtszüge Greta Garbos. Sie prägten das
Schönheitsideal einer Generation

Geburtstagsgruß                 
                   an die "Göttliche"

 

von Heinz Martin

Viele von den jungen Menschen, die diese Zeilen lesen, haben sie nie gesehen, kennen nur ihren Namen. Dabei ist sie weder tot noch eine Greisin. Am 18. September wurde Greta Garbo fünfundfünfzig Jahre alt.
     "Die Göttliche", wie man sie nannte und wie sie zuweilen noch genannt wird, hat am Neujahrstag – sie war damals erst siebenunddreißig – erklärt, sie werde nie mehr auf der Leinwand erscheinen. Unter den Hunderten von Schauspielern, die im Laufe der Jahre solches "Versprechen" gegeben oder solche "Drohung" ausgestoßen haben, ist sie die einzige, die ihr Wort wahr gemacht hat. Das gegebene Wort zu halten gehörte zum Wesen der Greta Garbo.
     Es sei vorausgeschickt: Keine Filmschauspielerin vor ihr und nach ihr hat den Beinamen "die Göttliche" verdient. Wer sie in der KAMELIENDAME, in ANNA KARENINA, MARIA WALEWSKA, MATA HARI, ANNA CHRISTIE und NINOTSCHKA gesehen hat, der weiß, daß es ihresgleichen nie gegeben hat, vielleicht nie geben wird.
     Ihre Schönheit war von übernatürlicher Art, so vollendet, daß sie geradezu zum Symbol der Schönheit geworden ist. Dabei war sie nie "nur" schön. Dieses Gesicht war voll Leben und Wärme, voll Fraulichkeit und Verständnis; der Körper eine Ergänzung des Ausdrucks, niemals "Selbstzweck". Zum Unterschied von anderen schönen Frauen hat sie die weiblichen Zuschauer nie verärgert; in ihrer "Göttlichkeit" entzog sie sich jedem Vergleich.

 

Unvergessen ist Greta Garbo auch heute
noch. Die Fotografen scheuem weder Mühen
noch Kosten – nur um ein Foto der „Göttlichen“
in ihrer selbstgewählten Einsamkeit an der
Riviera schießen zu können.

 

     Ihre darstellerische Kunst kann nur mit der Größten der Bühne, der Italienerin Eleanore Duse, verglichen werden. Obwohl sie immer "die Garbo" blieb, unverkennbar durch ihre Persönlichkeit, war sie in jeder Rolle anders: man glaubte ihr Maria Walewska, die Geliebte Napoleons; die deutsche Spionin Mata Hari, und die vehement leidende, sanft sterbende Kameliendame.
     Auch ihre Persönlichkeit war, um das scheußliche Modewort zu gebrauchen, "einmalig". Hollywood-Klatsch reichte nie an sie heran. Sie blieb unverheiratet. Man sprach, wie bei allen großen Stars, von "leidenschaftlichen Liebesaffären" – mit ihrem Partner John Gilbert, mit ihrem Regisseur Mauritz Stiller, mit dem Maestro Leopold Stokowski, mit dem Diätkönig Gaylord Hauser –, aber nie war etwas "beweisbar", nie war eine Beziehung laut und ordinär, nie umkreiste ein Skandal ihren Namen.
     Vom Tage an, als der junge Mauritz Stiller in Stockholm die ehemalige Warenhaus-Verkäuferin und das Ex-Manikür-Fräulein Greta Woisa Gustaffson entdeckte und ausbilden ließ, lebte die Garbo nur ihrem Beruf, der ihr Berufung war. Die Garbo – zu portugiesisch: Anmut – debütierte in dem berühmten GÖSTA BERLING-Film; ihr zweiter Film, DIE FREUDLOSE GASSE, war eine deutsche Produktion, in der sie neben der großen Asta Nielsen und Werner Krauss auftrat. Von diesem Tag an schwebte sie von einem Triumph zum anderen – nicht immer geschäftlichen Triumphen übrigens –, bis sie, sechzehn Jahre später, in dem Hollywood-Film DIE FRAU MIT DEN ZWEI GESICHTERN erbarmungslos "verrissen" wurde.
     Das Rätselraten, warum sie der Leinwand untreu wurde, hat nie aufgehört, und auch heute könnte sich die Fünfundfünfzigjährige jede Rolle und zu jedem Preis auswählen.
     Das Naheliegendste war, daß sie ihren ersten "Durchfall" nicht verwinden konnte. Naheliegend, aber falsch. Greta Garbo hat die Kritiken selten gelesen und nie beachtet. Unwahr auch, daß eine panische Angst vor dem Alter sie ergriffen hatte; daß sie sich in der Erinnerung des Publikums jung erhalten wollte. Wer die Garbo kennt, weiß, daß ihr solche Eitelkeit fremd ist. Was war es also?
     Einfach dies: Daß es auf die Dauer ein unerträgliches Schicksal ist, schon zu Lebzeiten als "die Göttliche" gefeiert zu werden. Verantwortungsgefühl hat die schöne Schwedin vom ersten Tag ihrer Karriere gekennzeichnet. Ihre Angst, ein Publikum zu enttäuschen, das die großen Frauengestalten der Weltliteratur mit ihr identifizierte, wurde von Jahr zu Jahr größer. Während die Stars nur mit anderen Stars verglichen werden, fiel es niemand ein, die Garbo mit jemand anderem als mit der Garbo zu vergleichen. Sie mußte sich stets selbst übertreffen: eine Aufgabe, der auch viel härtere Wesen kaum gewachsen sind.
     Im Übertragenen Sinne war sie in der Tat "göttlich", doch in Wirklichkeit ist natürlich kein sterblicher Mensch göttlich: Die tragisch ernst genommene Verpflichtung, immer "göttlich" auszusehen, "göttlich" zu spielen und "göttlich" zu leben, war der "Anmut" aus Stockholm am Ende zuviel.
     Immer heißt es, jetzt werde die Garbo doch ins Filmatelier zurückkehren. Ihre Freunde wissen, daß es nicht geschehen wird.
     Und so kann man den jungen Leuten, die sie nicht gesehen haben, und denen – auch dies einzigartig – ihr Name doch geläufig ist, nur raten, bei jeder Gelegenheit die alten Filme der Garbo zu besuchen. Es sind zum größten Teil veraltete Filme, lächerlich in Handlung und unmöglich in der Regie. Doch werden die Jungen erleben, was wir unzählige Male erlebt haben: das unsterbliche Phänomen einer Schönheit, einer darstellerischen Kunst und einer sittlichen Persönlichkeit – eine Erscheinung, die nicht mehr existiert und kaum noch von dieser Welt ist.

 

Unvergeßlich war Greta Garbo in vielen
Filmen. Ergreifend war ihre Darstellung
der alternden Tänzerin Grusinskaja in
dem Film MENSCHEN IM HOTEL
(Foto rechts).

 

from:   BRAVO     1960, Nr. 39
© Copyright by   BRAVO

 

 

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