Das Recht auf Liebe
Noch immer Rätselraten um Greta Garbo / von John Field
Jedesmal hatte man eine Hochzeit vorausgesagt und erwartet, sobald ein Mann in Begleitung der Garbo erschienen war: damals bei John Gilbert, bei Robert Taylor, nachher bei George Brent und schließlich auch, als der Regisseur der „Königin Christine“, Rouben Mamoulian, mit Greta Garbo eine zweimonatige Romanze an Kaliforniens sonniger Küste verlebte. Stets aber wurden die Sensationshungrigen enttäuscht. Die Garbo blieb einsam.
Gerüchte begannen erneut aufzuflackern, als man Greta Garbo häufiger in Begleitung des weltberühmten Dirigenten Leopold Stokowski sah. Greta fuhr nach Schweden. Maurice Stiller hatte ihr seine Villa in Lidingö vermacht.
Da tauchte Stokowski ebenfalls in Stockholm auf. Zufall?
In Lidingö war er Gast der Garbo! in der Villa, in deren Räumen Greta sich dem Verstorbenen am nächsten fühlen mußte, den sie einmal geliebt hatte? Mußte das nicht mehr bedeuten als alles Bisherige? Es ging vorüber wie die „Romanzen“ vorher auch.
1949 – Nachrichten über ein come-back der Garbo liefen durch die Presse. Einmal hatte es geheißen, sie wolle in Schweden filmen, wenn sie ein geeignetes Drehbuch finde. Dann sei C. W. Pabst nach Hollywood gefahren, um mit ihr über die Rolle der Penelope in seinem „Odysseus“-Film zu verhandeln.
Langsam kristallisierte sich dann eine Meldung heraus, nach der Greta Garbo selbst auf einen Filmstoff gestoßen war, und zwar auf Balzacs „Herzogin von Langeais“, eine ziemlich romantische und tragische Liebesgeschichte. Sie hatte wohl auch den unabhängigen Produzenten Walter Wanger („Johanna von Orleans“) für diesen Plan gewinnen können. Aber so was in Hollywood drehen? Dazu kannte Greta Hollywood zu genau!
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Sie belegte eine Kabine auf der „Queen Mary“ und fuhr nach Paris und Rom. Damals stand für die Presse bereits fest, daß die Außenaufnahmen des Filmes, dessen Titel „Lover and Friend“ lauten sollte, in Frankreich gedreht werden sollte, die Atelieraufnahmen dagegen in Italien.
Es ist bekannt, daß die Garbo an Rossellini herangetreten war, um ihn für den Film zu interessieren. Der aber lehnte ab. Vermutlich war ihm das Projekt doch zu teuer. Der gleichen Meinung war eine größere italienische Filmgesellschaft, die sich anfangs geneigt gezeigt hatte, den Versuch zu machen.
Alle Pläne schlugen fehl. Die zehn Tage Rom endeten mit einem Skandal: Die Reporter pochten auf ihr Recht auf Bilder und Informationen, die Garbo verweigerte beides, weil sie Ruhe haben wollte. Einziges Ergebnis für die Flüsterspalten:
George Schlee – ein weiterer Name im Leben der Garbo. Und natürlich eine weitere Fabel um Liebe und Heirat. Aber diesmal war es noch schwerer als bisher, das Gerede um die beiden zu glauben. George Schlee war vielen nicht bekannt, jedenfalls außerhalb Hollywoods. Denn dort ist er Besitzer eines guten Modesalons. Er begleitet die Garbo schon seit mehreren Jahren, verhandelt an ihrer Seite mit Produzenten oder vermittelt ihnen Unterredungen mit der Künstlerin, er führt ihre Geschäfte, gibt die Interviews für sie und ist im großen und ganzen ein treuer Wachhund, der seine Herrin vor der Meute der sensationshungrigen Reporter schützt.
Ganz richtig an allen Mutmaßungen war vielleicht nur, daß Schlee einen anderen Namen in Vergessenheit geraten ließ, der die Reihe der Männer um Greta Garbo nach Leopold Stokowski fortgesetzt hatte: Dr. Gaylord Hauser, Hollywooder Nervenarzt und Diät-Spezialist. Sicher war auch hier wieder nur, daß er die Garbo behandelt hatte. Aber dann sah man sie öfter zusammen, und das reichte, um erneut von einer Liaison zu reden oder gar die Hochzeitsglocken schon läuten zu hören.
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Eine erstaunliche Wandlung aber war, ziehen m u ß t e . Es war ein Versager in jeder Beziehung. Ein Abgleiten, ein Rückschritt auf dem Weg zur künstlerischen Höhe, die durch die menschliche Einsamkeit so bitterschwer, aber dadurch um so wahrhafter vorbereitet worden war.
Man hatte die Garbo betrogen!
außerdem zu verzeichnen: Die Garbo ging wieder unter Menschen!
Sie lächelte!
Sie erschien in Nachtlokalen und tanzte Samba! Sie hatte die schicksten Pariser Modelle an, was bei ihr besonders auffällig war, weil sie fast nur noch in unmöglichen Garderoben gesehen worden war und als Hollywoods schlechtest-angezogene Künstlerin galt. Das war also „Die Frau mit den zwei Gesichtern“. Und welches war das echte?
Wieder begann das Rätselraten um die geheimnisvollste Frau der Welt. Und wieder wurde sie die am meisten verkannte!
Vielleicht tappen wir alle da in gleichem Maße im Dunkeln. Und vielleicht haben wir alle in gleichem Maße ein Stückchen Wahrheit entdeckt, gerade soviel, daß uns die letzte und einzige über den Menschen Garbo verborgen bleibt.
Der letzte Film, den Greta Garbo in Hollywood gedreht hatte, bevor sie sich für lange Jahre zurückzog und ein Klausnerleben in ihrer kleinen Villa in Beverly Hills führte, war kein Erfolg geworden. „Die Frau mit den zwei Gesichtern“ zeigte zwar eine völlig andere Garbo. als man sie bisher gewohnt war, aber eben das war der stilistische Bruch, der die seelische Depression nach sich zog.
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Unvergessen, unerreicht in so vielen Rollen – aber auch
unendlich einsam inmitten von Menschen, trotz des
Namens und des Ruhmes – oder gerade deshalb? Und
was bleibt der Frau? |
Oder war sie es selbst, die den Betrug gewollt hatte, weil sie die letzte Konsequenz ihres künstlerischen Reifens fürchtete? Die größte Kunst, den höchsten Ruhm – den Verzicht auf Liebe?
Nach dem letzten und keineswegs gelungenen Film (von der Ebene der Garbo gesehen) wurde es still um die Frau, die vorher allein durch ihren Namen Tumulte heraufbeschworen hatte. Bis auf drei Zimmer standen die Räume ihrer Villa leer. Sie enthielten Möbel, Kunstwerke, aber kein Leben. Reporter hatten keinen Zutritt. Und Amerika vergißt schnell. Wer der Öffentlichkeit keinen Stoff liefert, aus dem sich Sensatiönchen schneidern lassen, verärgert.
In dieser Zeit aber muß eine Wandlung eingetreten sein, die schon den Anklang an das Tragische in sich trug.
Greta Garbo hat sich in ihrer Zurückgezogenheit vornehmlich mit den Klassikern beschäftigt und dabei auch Balzac entdeckt, der sie auf den Gedanken brachte, daraus einen Film zu gestalten. Aber daß dieser Film anders aussehen würde, als man etwas gar nach der „Frau mit den zwei Gesichtern“ hätte vermuten können, das war nur wenigen Menschen klar.
Das große Spiel der Greta Garbo drängte zur Entscheidung. Rom war ein Auftakt. Mit jäher Dissonanz brach er ab.
Welche Folgen erwachsen daraus? Hat Greta Garbo an diesem Scheideweg noch einmal gezögert? Will sie sich nun doch nicht für den schweren und entsagungsvollen Schritt zur Kunst – und nur zu ihr allein – entscheiden? Hofft sie auf einen Kompromiß?
Diese Vermutungen liegen nahe, wenn man die Meldungen über Greta Garbo und Cecil Beaton verfolgt. Sie sind beide in einem Londoner Luxusrestaurant gesehen worden – ergo müssen sie sich lieben, verloben, heiraten! So jedenfalls wollen es die Zeitungen, und die sagen wieder, das Publikum wolle es so. Ahnt niemand – wenn von all dem Geraune und Getuschel wirklich etwas stimmt – was sich hinter diesem banalen Sensationsgeklingel an seelischen Kämpfen abspielen mag? Was hier entschieden werden soll? Aber wem kommt es darauf an?
Es ist mehr beängstigend als paradox, daß gerade dort, wo soviel von Freiheit geredet wird, dem Individuum nicht einmal das Recht auf ein Privatissimum zugestanden wird, auf den ureigenen persönlichen Bereich des Herzens. Tatsächlich: eine Kuhmagd ist besser dran als die große, unvergleichliche Greta Garbo! |