„Ich will nicht mehr...“
Belichtet: Greta Garbo (zu unserem Titelbild)
Selten haben Bilder so viel Aufsehen erregt wie die letzten Aufnahmen Greta Garbos, die in Amerika soeben veröffentlicht wurden. Und selten hat eine Schauspielerin, die im Gedächtnis der Menschen eigentlich nur noch als Legende haftet, durch die bloße Veröffentlichung zweier Bilder (siehe auch Titel) ein derartiges Come-Back gefeiert. Seit diesem Tage ist Greta Garbo erneut im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Wieder erhebt sich die Welle der Neugier, die in das sorgsam gehütete private Leben der Schauspielerin einbrechen möchte, und obenan steht die große Frage: wird sie nochmals filmen? Greta Garbo schweigt. Wie stets liebt sie es nicht, mit Fragen überrascht zu werden. Wie aussichtslos es ist, die „Göttliche“ vor Fragen und vor Situationen zu stellen, vor die sie nicht gestellt zu werden wünscht, zeigt eine Geschichte, die sich schon vor geraumer Zeit ereignete. Als sie einst spät abends noch Besuch erhielt, Bekannte sogar, aber unangemeldet, stieg sie, statt die Tür zu öffnen, auf einen Baum hinter ihrem Haus...
Die amerikanische Zeitschrift „Colliers“ hat inzwischen aus der Not eine Tugend gemacht. Anstatt zum tausendsten male einen Reporter vor dem Hause der Garbo abweisen zu lassen, interviewte die Zeitschrift sämtliche Freunde und Bekannte der Schauspielerin, um auf diese Weise ein korrektes Bild von ihr zu bekommen. Hier ist, was sie zu sagen haben:
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Nils Asther, der schwedische Schauspieler, kennt Greta Garbo noch aus Schweden: Dauernd wechselt sie Häuser und Wohnungen, mit dem einzigen Ziel, möglichst lange ein unerkanntes Privatleben führen zu können. Wenn sie ein ganzes Haus hat benutzt sie trotzdem nur einen Raum als Wohn- und Schlafzimmer. Die anderen Zimmer sind nicht eingerichtet. Besucht man sie, so pflegt sie zu rufen: „Hier ist die Garbo“ – und kommt man dann in ihr Zimmer, pflegt sie hinzuzufügen: „Hier sitzt man und sitzt und sitzt...“ Mit Freunden kann sie sehr ausgelassen sein. Sie hat einen ausgeprägten Sinn für Humor, wenn sie lacht, so ist das eine lautlose, anhaltende Erschütterung mit zurückgebeugtem Kopf.
Barbara Barondeß MacLean, Schauspielerin und Modezeichnerin, hat – da sie auch für Innenarchitektur zuständig ist – gelegentlich Greta Garbo beim Hauskauf beraten: Die Garbo ist stets und ständig erschreckt – sowohl durch fremde Leute als auch durch die Furcht, ihnen nicht zu gefallen. Eigentlich sehnt sie sich nach Gesellschaft und Freunden, aber sie hatte dabei nie eine sehr glückliche Hand. Von Zeit zu Zeit kommt sie aus ihrem Bau, wenn irgend jemand ihr Interesse erregt, aber ebenso schnell zieht sie sich auch wieder zurück.
Dorothy Kilgallen ist eine amerikanische Journalistin: Nach ihren Angaben sind die engsten Freunde der Garbo zweifellos der englische Photograph Cecil Beaton und der Schriftsteller John Gunther. Im übrigen liebt sie Europäer mehr als Amerikaner. Aber auch nicht so, daß sie ihre Furcht vor europäischen Zeitungen verliert. Vor einem Jahr etwa, als sie in Frankreich war, erfuhr sie, daß eine Zeitung plante, eine Journalistin als Kammermädchen verkleidet in ihr Hotel einzuschmuggeln.
Ab sofort ging sie jedesmal, wenn ein Zimmermädchen ihr Zimmer betrat, in den Kleiderschrank. –
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Greta Garbo braucht einen Menschen der ihr sagt, was sie tun soll und was sie anziehen soll. Sie ist sehr beeinflußbar. Sie probiert alles aus, war ihr die Freunde empfehlen: einschließlich Masseuren, Handleser und Wahrsager. Zeitungen liest sie selten, es sei den wegen der Karikaturen. Sie liebt Antiquitäten. In den entsprechenden Läden in New York kann man sie oft sehen – obwohl sie selten etwas kauft.
William Daniels, Kameramann in allen Hollywood-Filmen der Garbo, erklärt: „Die schönste Frau, die ich je photographiert habe. Sie geht unerhört graziös, wie ein Tier. Erst vor einiger Zeit habe ich mit ihr wieder ein paar Probeaufnahmen gemacht, und sie sieht immer noch wunderbar aus.“
Ein großer Teil der Freunde Greta Garbos will aus Furcht, von der Schauspielerin Vorwürfe zu bekommen, nicht zitiert werden. Aber auch sie haben manches Geheimnis gelüftet: Im Augenblick, als Greta Garbo ein Star wurde, hatte sie Auseinandersetzungen mit den Produzenten. Sie differierte mit ihnen zumeist in der Beurteilung von Filmen und Stoffen. Louis B. Mayer pflegte zu sagen, ihr Urteil sei „zu intellektuell“. Gewöhnlich behielt sie aber mit ihren Einschätzungen recht. Ihr letzter Film war ein Misserfolg. Das hat sie nervös gemacht.
Harry Evans, amerikanischer Journalist, lernte sie in einem Hotel kenne, wo er sich plötzlich zu seinem und ihrem Schrecken allein mit ihr im Lift befand. Dabei entspann sich eine Unterhaltung über Filmpläne. Sie sagte: „Überall wird mir gesagt, ich soll einen neuen Film machen. Ich habe ein paar Filme gemacht, mit denen ich zufrieden bin. Ich werde nie zurückkommen, bloß um einen beliebigen neuen Film zu machen. Da ist es doch viel besser, sich an den Dingen zu freuen, die ich gemacht habe...“ Und dann beschreibt Evans seine Eindrücke mit ihr im Gespräch und beim Tanzen: „Die Stimme hat den Klang eines Cellos. Wenn sie spricht, spiegeln ihre Augen ihre Worte. Wenn sie zuhört, reflektieren diese Augen ihre Gedanken. Deshalb vielleicht hat die Natur sie mit so langen Wimpern ausgestattet: als Schutz. Senkt sie die Lider, ist es, als ob der Vorhang fällt. Ihre Hände sind groß, stark, und schön geformt. Von den Schultern bis zur Hüfte hat sie beinahe die Proportionen eines Athleten. Immer wenn wir während des Tanzens – sagen wir – Kontakt hatten, fühlte ich eine unglaubliche, gebändigte Kraft. Während man spricht, hängt sie einem an den Lippen, aber dann plötzlich legt sie sich etwas zurück, und man erwacht und fühlt sich beinah kompromittiert.“
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