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I. M. GRETA GARBO
GERUHT ZU EMPFANGEN

Spezialbereicht für „Mein Film“ von   D r .   H .   P r i n z ,   derzeit Göteborg
Wir freuen uns, unseren Lesern diesen besonders interessanten Eigenbericht
von Greta Garbos Ankunft in Schweden bieten zu können

     Es ist sicherlich leichter, Seine Majestät, den König von Schweden zu sprechen, als Greta Garbo. Auch er hat zwar eine große Scheu vor der Publizität, die so weit geht, dass er sich alle Festlichkeiten anlässlich seines dreißigjährigen Regierungsjubiläums strengstens verbeten hat, aber sonst ist er keineswegs exklusiv; beim Tennisspielen zum Beispiel kann ihm jeder zusehen, im Sommer im Freien, im Winter in der herrlichen neuen Tennishalle Stockholms.
     Mit Greta Garbo ist es anders und deshalb machte ich mich mit recht gemischten Gefühlen auf die Reise nach Göteborg: Wird sie empfangen? Wird man sie überhaupt zu sehen bekommen? Schon ihre Reise nach Schweden war eine der bei ihr so beliebten Überraschungen. Kein Mensch wusste etwas davon, erst von unterwegs, wenige Tage vor Eintreffen der „Gripsholm“, kam die Nachricht, welch illustren Passagier dieses schöne schwedische Schiff mitbringe.
     Nach einer Nacht, in der ich trotz Schlafwagen kein Auge zugemacht hatte, traf ich um ½ 7 Uhr morgens in Göteborg ein. Ich erfuhr , dass die Berichterstatter auf dem Bugsierboot „Axel“ der „Gripsholm“ entgegenfahren würden, und sauste in den Hafen. Dort war eine ebenso zahlreiche, wie bunte Gesellschaft versammelt: Ein Wochenschaureporter, acht Pressephotographen, dreißig Berichterstatter, drei Zollbeamte, sieben Kriminalpolizisten und drei Herren mit einem großen Blumenstrauß. Es stellte sich heraus, dass dies die beiden schwedischen Schauspieler Adolf Niska und Nisse Erikson waren, die Greta Garbo begrüßen und ihr dreißig Rosen überreichen sollten; der dritte war Greta Garbos Bruder, Direktor Sven Gustafsson.
     Es war stockfinster und bitter kalt, als das Schiffchen sich mit seiner ungewöhnlichen Ladung anschickte, der „Gripsholm“ entgegenzufahren. Es wehte ein hässlicher Wind, und gelegentliche Schneeböen trugen auch nicht dazu bei, die Situation angenehmer zu machen.
     Draußen beim Hafeneingang wurde der Seegang erheblich kräftiger, das Schiffchen stampfte bedenklich und die Stimmung sank noch um einige Grade, soweit das überhaupt möglich war. Es war allmählich hell geworden, alles reckte sich den Hals aus, aber von der „Gripsholm“ war noch keine Spur zu sehen.
     Zur Verkürzung der Wartezeit machten sich einige der Herren von der Presse über den Bruder der schwedischen Nationalheldin her und begannen, ihn nach allen Regeln der Kunst auszufragen. Er musste ihnen wohl oder übel Rede stehen und erzählte, die Familie habe von der bevorstehenden Heimkehr Gretas ebenso wenig gewusst, wie irgend jemand anderer. Erst von Bord habe sie ihm telegraphiert, dass sie Weihnachten in Schweden feiern wolle. Über ihre Pläne wisse er gar nichts, er habe keine Ahnung, ob sie in Europa bleiben oder nach Amerika zurückkehren werde, das sei ihre Angelegenheit, und sie pflege über ihre Angelegenheiten nicht zu sprechen. Er leugnete kategorisch, dass das Grundstück Härby am See Sillen in Södermanland ihr Eigentum sei und erklärte, es gehöre ihm; ob seine Schwester Weihnachten dort verbringen werde, wisse er nicht, aber er hoffe, dass sie ihn besuchen werde.

 

Greta Garbo ohne Schminke. Die dicken Handschuhe
hat sie nicht ausgezogen, weil sie sich beim Schließen
des Kajütenfensters die Finger eingeklemmt hat und
die Verletzungen nicht zeigen will.

 

     Das war eine magere Ausbeute und keine Entschädigung für die Kälte und das Warten. Und dabei wusste keiner, ob all diese Strapazen nicht ganz umsonst sein würden, ob man Greta Garbo überhaupt zu Gesicht bekommen würde! Aber als das Schiff dann auftauchte, wandelte sich die Stimmung augenblicklich und alles war voll Eifer und Spannung. Das Lotsenboot legte an und als Herr Direktor Sven Gustafsson den Fuß auf die Leiter setzte, erreichte ihn die Rache des Journalistengottes für seine Verschwiegenheit: eine große Sturzwelle überspülte ihn und druchnäßte ihn bis auf die Haut. Die Luxuskabine der großen Greta war dann auf der Fahrt in den Hafen mit den zum Trocknen aufgehängten Kleidungsstücken ihres Bruders dekoriert.
     An Bord war man nun und das war ja an sich sehr schön. Es war warm und trocken und es gab eine Menge zu sehen. Das Schiff war voll besetzt und beinahe tausend Passagiere wimmelten in Erwartung der Landung durcheinander wie aufgestörte Ameisen. Aber das Interesse konzentrierte sich doch auf Greta: wird sie oder wird sie nicht? Man konnte nichts weiter tun, als abwarten. Inzwischen wurde aus dem Schiffspersonal an Informationen herausgeholt, was möglich was. Es ergab sich, dass Greta Garbo in der Passagierliste als „Mrs. Jonas Emerson“ eingetragen war und die Luxuskabine A 1 bewohnen sollte. Als sie an Bord kam, habe sie sich sofort in ihre Kabine zurückgezogen und zwei Tage geschlafen. Auch an den folgenden Tagen sei sie tagsüber niemals in den Gesellschaftsräumen erschienen, sondern habe alle Mahlzeiten in der Kabine eingenommen. Erst nach dem Diner zeigte sie sich manchmal für kurze Zeit. Ab und zu spielte sie „shuffleboard“ und trug dabei Golfhosen (Knickerbockers).
     Die Zeit verstreicht, bald wird das Schiff im Hafen sein und die Nervosität unter den Presseleuten wird immer größer. Einzelne Herren vom Schiffspersonal bemühen sich redlich, die Spannung zu mildern und erzählen alle möglichen interessanten Einzelheiten über diese letzte Fahrt des Schiffes. Es ist diesmal das Weihnachtsschiff und hat außer den Passagieren noch 50 Tonnen Weihnachtspost an Bord; 2300 Säcke. Ein schwedischer Küchenchef aus Hollywood kommt mit, der dort ein Restaurant mit schwedischer Küche führt und ein Farmer, der 50 Jahre in Amerika war und jetzt zum erstenmal in die schwedische Heimat zurückkehrt. Man hat natürlich an Bord auch das Lucia-Fest gefeiert: die Passagiere wurden zwar unmenschlicherweise um 5 Uhr morgens geweckt, aber da dies von zwei reizenden Lucia-Mädchen mit der Lichterkrone auf dem Kopf geschah, die das schöne Lied „Santa Lucia“ mit Violinbegleitung sangen und Kaffee, Glögg (Glühwein) und Lucia-Katzen (ein besonderes süßes Weihnachtsgebäck) servierten, war niemand böse darüber.
     Aber alle diese Geschichten konnten die Ungeduld der Wartenden nicht zähmen. Und plötzlich kam der Erste Zahlmeister, Herr Arelius, und brachte die Nachricht, dass Greta Garbo gleich erscheinen werde. Seinem Bemühen und dem Zureden ihres Bruders war es gelungen, ihr die Einwilligung zu einem Interview abzuringen. Nur gefilmt zu werden verbat sie sich ausdrücklich.
     Sie erschien in einem schwarzen Mantel, aus dem beim Halse ein weißer Pullover hervorleuchtete, schwarzen Schuhen mit niedrigen Absätzen, und schwarzen Strümpfen und Socken. Der Mantel ging übrigens nur knapp übers Knie und der Rock darunter war nicht länger. In der gleichen Toilette, vervollständigt durch ein kleines schwarzes Hütchen, verließ sie dann das Schiff.
     Sie sah recht blaß aus (aber das ist sie angeblich immer), sehr schmal und zart und ein wenig nervös. Schön? Das ist wohl Geschmacksache. Die Frisur mit dem in die Stirne gekämmten Haar, das zu beiden Seiten des Kopfes und hinten bis auf die Schultern niederfällt, finde ich ungewöhnlich unkleidsam. Aber ihr Gesicht wechselte seinen Ausdruck so oft und so rasch, dass sie eigentlich jeden Augenblick anders aussieht und sehr oft wirkt sie schön. Aber die vollendete Anmut ihrer Bewegungen und der Reiz ihrer dunklen Stimme nehmen so gefangen, dass man vergisst, darüber nachzudenken.
     Kaum hatte sie Platz genommen, da ging das Blitzlicht-Feuerwerk der Photographen los. Der Wochenschaumann versuchte noch einmal sein Glück, aber sie protestierte energisch. Es stehe in ihrem Vertrag, dass sie nicht im Film auftreten dürfe, erklärte sie.
     Und dann begann das Frage- und Antwortspiel. „Willkommen daheim, Fräulein Garbo. Wie lange bleiben Sie in Schweden?“
     „Das weiß ich noch nicht. Das hängt davon ab, welche Fortschritte die Vorbereitungen für meinen nächsten Film machen.“
     „Wie gefiel Ihnen Ihre letzte Rolle?“
     Die Antwort kam mit erstaunlicher Aufrichtigkeit: „Nicht besonders. Die Walewska interessierte mich nicht so, wie ich anfangs geglaubt hatte.“ (Von einem Steward erfuhr man später, dass der Film während der Überfahrt im Schiffskino gespielt worden sei. Greta Garbo habe die Türe einen Spalt breit geöffnet, aber als sie sich selbst auf der Leinwand sah, verschwand sie schleunigst.)

 

Greta Garbo im Kreise der Berichterstatter.
Der Herr in Uniform ist Herr Arelius, Erster
Zahlmeister der „Gripsholm“.

 

     „Was halten Sie von Ihrem Partner Boyer?“
     „Auf eine solche Frage kann ich nicht antworten.“ (Es liegt eine Spur Zurechtweisung in ihrer Stimme.) „Ich kann mich über meine Partner nicht äußern!“
     „Welche von Ihren Rollen halten Sie für die beste?“
     „Keine. Bis jetzt keine. Meine beste Rolle habe ich noch nicht gespielt. Aber ich hoffe, sie kommt noch! Ich möchte gerne die Tragödie lassen und einmal Komödie spielen!“
     „Eine moderne oder eine klassische?“
     „Ja, ich glaube am liebsten eine moderne. Ob aber etwas daraus wird und wann, das weiß ich noch nicht. Vorläufig ist noch nicht einmal ein bestimmtes Stück in Aussicht genommen.“
     „Haben Sie keine Lust, im Theater aufzutreten?“
     „Ich habe es mir manchmal gewünscht. Aber –“ bekennt sie freimütig, „ich getraue mich nicht!“
     „Schauen Sie sich häufig Filme an?“
     „Nein, sehr selten. Zuletzt habe ich Frank Capras Film „Es geschah in einer Nacht“ gesehen, aber seither keinen. Ich möchte ganz gerne in einem Film spielen, wo er Regie führt.“ Dann wehrte sie alle weiteren Fragen über dieses Thema mit der Bemerkung ab: „Ich spreche eigentlich so ungern vom Film!“
     Damit wollte sie vielleicht das Interview beendigen, aber einer der Berichterstatter nahm sie beim Wort und versuchte, das Gespräch auf ein anderes Gebiet zu lenken:
     „Glauben Sie, dass die Ehe ein Hindernis für eine künstlerische Karriere ist?“ Damit spielte er auf die angebliche Abneigung Greta Garbos gegen die Ehe an.
     „Das kommt darauf an, mit wem man verheiratet ist!“ Diese schlagfertige Antwort rief einen spontanen Applaus der versammelten Presseleute hervor. Und damit war auch dieses Thema erlegt und ein anderer versuchte ein neues:
     „Fühlen Sie sich wohl in Amerika?“
     „Ja, ich finde es schön dort. Aber hier ist es auch schön. Es ist angenehm, fortzufahren, aber es ist auch angenehm, zurückzukehren. Sind die Herren jetzt fertig mit mir?“
     Das war deutlich. Es blieb nichts anderes übrig, als ihr für ihre Liebenswürdigkeit zu danken und ihr Frohe Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr zu wünschen. Sie dankte und erwiderte die Glückwünsche. Der Wochenschaureporter machte einen letzten verzweifelten Versuch, ein paar Meter Garbo auf seine Rolle zu bringen, aber vergeblich. Die Göttliche entschwand, die Photographen stürzten mit ihrer Beute an Land, die Berichterstatter zu den Telephonen – das große Ereignis war vorüber.
     Kurze Zeit später verließ Greta Garbo in Begleitung ihres Bruders und des Direktors Johanson der Svenska-Amerika-Linie und flankiert von vier Polizisten das Schiff und begab sich ins Grand-Hotel zum Lunch. Von dort fuhr sie in Direktor Johansons Auto zum Bahnhof, und zwar direkt in den Gepäckraum und schmuggelte sich ungesehen in ein reserviertes Abteil des Stockholmer Schnellzuges. Aber in Stockholm ist sie nicht angekommen – angeblich ist sie in Gnesta aus dem Zuge verschwunden.

 

from:   Mein Film    Nr. 627    1937
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